09. November 2021, 20:50 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Diese Meldung ist vom 09. November 2021, 20:50 Uhr. Gegebenenfalls sind einzelne Inhalte oder der gesamte Artikel nicht mehr aktuell. Für aktuelle Meldungen der Stadt Gelsenkirchen klicken Sie bitte auf https://www.gelsenkirchen.de/aktuelles
Am 9. November folgten über 500 Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener dem Aufruf der Demokratischen Initiative, mit ihrer Teilnahme an Demonstration und Kundgebung zum Gedenken an die Pogrome in der sogenannten Reichskristallnacht Stellung zu beziehen.
Treffpunkt war um 18:30 Uhr an der Neuen Synagoge Gelsenkirchen am Platz der Alten Synagoge. Nach dem Kaddisch, dem Gebet der Trauernden, begann gegen 18:45 Uhr der Schweigezug zum Schalker Markt. Um 19:15 Uhr startete dort die Kundgebung.
Christina Rühl-Hamers, Vorständin des FC Schalke 04, und Karin Welge, Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen und Schirmherrin der Demokratischen Initiative erinnerten in ihren Reden an die Vorgänge in der Pogromnacht.
Die Veranstaltung endete traditionell mit dem Moorsoldatenlied.
Seit 1964 erinnern die Menschen in Gelsenkirchen jedes Jahr am 9. November an die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung in der NS-Zeit. Nach 1933 wurden in Deutschland Jüdinnen und Juden durch zahlreiche antisemitische Maßnahmen an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Novemberpogrome des Jahres 1938 waren ein brutaler Höhepunkt dieser andauernden Diskriminierung und ein Schlüsselereignis der Verbrechensgeschichte des „Dritten Reiches“.
Die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und anderer Menschen, die als „Gemeinschaftsfremde“ stigmatisiert wurden, gipfelte in einem Vernichtungskrieg, in industriell organisiertem Massenmord.
Dies alles war in einer Gesellschaft möglich, die durch extremen Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus, antidemokratisches Denken und Kriegsverherrlichung geprägt war. Die Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938 verpflichtet uns für die Gegenwart und die Zukunft, solche Entwicklungen entschlossen zu bekämpfen.
Für dieses Engagement gibt es in Gelsenkirchen leider weiterhin traurigen Anlass. Im Laufe dieses Jahres kam es in Gelsenkirchen wiederholt zu rechtsextremen, antisemitischen und rassistischen Übergriffen. Dazu zählen Beleidigungen und Bedrohungen ebenso wie Sachbeschädigungen und Friedhofsschändungen. Fassungslos mussten wir erleben, wie die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen von einer aufgehetzten Menschenmenge belagert wurde, die antisemitische Parolen skandierte. Zu höchster Sorge geben zudem die antisemitischen Verschwörungserzählungen Anlass, die sogenannte Querdenker im Zeichen der weltweiten Corona-Pandemie verbreiten, um unsere Gesellschaft zu spalten.
Ausgangspunkt des diesjährigen Schweigezugs war die Neue Synagoge Gelsenkirchen. Sie befindet sich seit 2007 an der Stelle, an der in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 die Alte Synagoge von SA und SS angezündet wurde und bis auf die Grundmauern abbrannte. Im Haus gegenüber lebte der Zahnarzt Dr. Paul Eichengrün mit seiner Familie. Der frühere 2. Vorsitzende des FC Schalke 04 wurde in derselben Nacht von Nationalsozialisten aus seiner Wohnung gezerrt, verprügelt und eingesperrt. Die Familie Eichengrün konnte später noch im letzten Moment aus Deutschland entfliehen. Vielen jüdischen Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern gelang dies nicht mehr. Sie wurden ab 1942 „in den Osten“ deportiert und dort größtenteils umgebracht.
Der Weg des Demonstrationszuges führte über die Kurt-Schumacher-Straße und Schalker Straße zum Schalker Markt. An dem Ort, an dem der FC Schalke 04 seine größten Erfolge feierte, sollte im gemeinsamen Gedenken bekundet werden, dass die Menschen in Gelsenkirchen die Verbrechen des „Dritten Reiches“ nicht vergessen haben. In das diesjährige Gedenken schloss die Demokratische Initiative, stellvertretend für alle Opfer des NS-Terrors, ausdrücklich die Mitglieder, Förderer und Spieler des FC Schalke 04 ein, zum Beispiel Leo Sauer und Ernst Alexander, die aus bösartigem Hass aus ihrer Heimatstadt vertrieben und ermordet wurden.