01. April 2011, 00:43 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
„466 Buer" lautet bei so manch hart gesottenem Bueraner auch heute noch der Absender seiner Post. Eine der vielen Kleinigkeiten, die zeigen: Buer ist eben etwas ganz Besonderes. Heute vor 100 Jahren hat dieser besondere Teil Gelsenkirchens offiziell die Stadtrechte erhalten.
1911 war in der alten Landgemeinde Buer die Industrialisierung bereits voll im Gange. Die Zechen Graf Bismarck in Buer-Erle, Ewald in Buer-Resse, Hugo in Buer-Mitte, Bergmannsglück und Westerholt in Buer-Hassel sowie die Zeche Scholven waren in Betrieb und haben Zehntausende von Zuwanderern angelockt. Über 60.000 Einwohner lebten bereits in der Gemeinde, als sie endlich die ersehnten Stadtrechte aus der Hand des preußischen Königs erhielt.
Die Stadtrechte kamen 1911 also spät für Buer, das nur wenig später - 1922 - bereits die 100.000-Einwohner-Marke knackte und Großstadt wurde. Vor allem: Das Dasein als eigenständige Stadt währte nicht lange. Bekanntlich zwangen wirtschaftliche Gründe und der preußische Staat schon 1928 im Rahmen der kommunalen Neuordnung des Ruhrgebiets zum Zusammenschluss mit Gelsenkirchen und Horst.
Umso bemerkenswerter ist es, dass Buer immer noch ein starker Identifikationsort für die Menschen ist. Immer noch ist man in unserer Stadt heute, was ich ein wenig bedaure, entweder Gelsenkirchener oder Bueraner. Und der eine oder andere entdeckt erst langsam, dass man auch als Bueraner Gelsenkirchener oder gar Bürger des Ruhrgebiets sein kann.
Vor 100 Jahren wurden Buer die Stadtrechte verliehen
Buer hat heute eine ungebrochen hohe Bindungskraft. Das zeigt, dass die Menschen vor Ort an ihrer Heimat hängen und stolz auf sie sind. Sicher ein Ergebnis der über 1000-jährigen Geschichte.
Und von dieser ganz besonderen Geschichte und Identität profitiert unsere gemeinsame Stadt Gelsenkirchen. Buer bietet Lebensqualität für die gesamte Stadt. Die „Industriestadt im Grünen", wie sie sich einst selbst beschrieb, hat damals ihre Freiflächen als Mitgift in die Städte-Ehe eingebracht. Übrigens auch das ein Resultat der 1911 verliehenen Stadtrechte, mit denen erst eine planmäßige Freiflächenentwicklung, vor allem die Planung des Buerschen Grüngürtels, möglich wurde.
Beide Gelsenkirchener Innenstädte pflegen
Ich glaube, dass, auch wenn es noch lange dauern mag, bis unsere innerstädtische „Demarkationslinie" (Emscher und Rhein-Herne-Kanal) in den Köpfen überwunden wird, unsere Stadt in den letzten Jahrzehnten zusammengewachsen ist und weiter zusammenwachsen wird. Selbst Bueraner wagen sich mittlerweile auf die Bahnhofstraße und Alt-Gelsenkirchener bummeln über die Hochstraße. Wir sind nun einmal eine Großstadt, die aus zwei Großstädten - mitsamt den jeweiligen Stadtteilen - besteht. Und die deshalb auch zwei Innenstädte hat. Beide wollen wir pflegen und weiter entwickeln.
Natürlich bereitet uns diese Bipolarität bisweilen Probleme: Weil sich das städtische Leben auf zwei Innenstädte verteilt, gibt es nicht die eine - geballte - Urbanität. Aber es gibt eben auch Vorteile: Denn immer dort, wo eine Stadt ein klares Zentrum hat, heißt das für den gesamten Rest: hier ist nur Peripherie. Und wer jemals in den Vororten von Paris unterwegs war, weiß, was das bedeutet. In unserer Stadt gibt es eben überall etwas zu entdecken - im Norden wie im Süden. Und es bedeutet eine besondere Lebensqualität, dass es in Gelsenkirchen nie weit in ein Zentrum ist. Und es bedeutet auch Lebensqualität, dass die Menschen hier die Wahl haben, stadtnah, aber grün in einer Gartenstadt oder urban in einem der Zentren zu leben. Buer mit seinem hohen Wohn- und Freizeitwert im Grünen ist dabei ein wichtiger Teil Gelsenkirchens.
Unsere Stadt bildet das polyzentrische Revier im Kleinen ab
Mit unserer besonderen bipolaren Stadtstruktur bilden wir auch das gesamte Ruhrgebiet ab, jene große Stadt mit 5,3 Millionen Einwohnern, die aber gerade deshalb nie wie ein Moloch wirkt. Die Mischung aus Kleinräumigkeit einerseits und Urbanität andererseits, die vielen erreichbaren Zentren, die dafür sorgen, dass es keine abgekoppelte Peripherie, sondern kurze Wege zu städtischer Infrastruktur und allen Einrichtungen einer Metropole gibt, kann ein Modell für eine zukunftsfähige und menschenfreundliche Stadt sein.
So wie es ein zusammenwachsendes Europa gibt, in denen die Regionen immer wichtiger werden, so gibt es auch ein zusammenwachsendes Ruhrgebiet, in denen die althergebrachten natürlichen Bindungen und Identifikationen bewahrt bleiben und sogar wichtiger werden, weil sie für Lebensqualität und Heimat sorgen.
Deswegen können wir uns allen zum 100. Jahrestag der Stadtwerdung Buers herzlich gratulieren!
Es grüßt sie aus dem Buerschen Rathaus (dem derzeitigen Amtssitz des Gelsenkirchener Oberbürgermeisters)
Ihr
Frank Baranowski