26. September 2016, 08:54 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
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Der Ehrenamtspreis Migradonna hat nun auch in 2016 eine Preisträgerin, die die sechsköpfige Jury aus den sehr interessanten Vorschlägen gewählt hat. Die neue Preisträgerin, die von der Frauenberatungs- und Kontaktstelle vorgeschlagen wurde, ist Ilham Aissaoui. Bürgermeisterin Martina Rudowitz verlieh ihr die Migradonna-Ehren auf der inzwischen 9. Verleihung dieses Ehrenamtspreises am 23. September 2016. Gab es in den früheren Jahren die „Migradonna“ als Figur, ist der Preis in diesem Jahr eine Collage der aus dem Iran stammenden Künstlerin Ahang Nakhaei, die seit einiger Zeit das Kulturleben in Gelsenkirchen bereichert. Zur Preisverleihung hatten die Veranstaltergemeinschaft (Internationales Frauencafé im Lalok libre in Kooperation mit der Stadt Gelsenkirchen) in den Kulturraum „die flora“ eingeladen.
Carina Gödecke, Präsidentin des Landtags NRW, sprach die einführende Festrede und zeichnete auch Venetia Harontzas für ihren langjährigen, unermüdlichen Einsatz für die Migradonna-Verleihungen aus. Filmische Ausschnitte aus den früheren Migradonna-Veranstaltungen, zusammengestellt von Jesse Krauss, machten ihr Engagement anschaulich. Das Kulturprogramm gestalteten die Kölner Comedian Senay Duszu und der Gelsenkirchener Evren-Sel-Chor. Schirmherr ist Frank Baranowski, Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen. Die Veranstaltung wurde erneut unterstützt durch die Sparkasse Gelsenkirchen.
Das Internationale Frauencafé im Lalok Libre und die Kooperationspartner und -partnerinnen der Stadtverwaltung Gelsenkirchen (Kulturraum „die flora“, Gleichstellungsstelle/Frauenbüro, Referat Kultur und KIGE – Kommunales Integrationszentrum Gelsenkirchen) bedankten sich bei allen aktiven Teilnehmer der Veranstaltung und bei allen, die sich im Namen vieler Frauen für die Migradonna-Ehrung eingesetzt haben.
Ilham Aissaoui wurde am 15.09.1972 in Tuissit, einem kleinen Ort im Norden von Marokko, geboren. Schon als Kind aufgeweckt und neugierig, kam sie in der Schule gut voran. Ein Studium war aufgrund der familiären Anforderungen nicht möglich. Sie heiratete und nahm ihre Aufgaben als Hausfrau und zukünftige Mutter in den Blick.
Ihr Mann hatte wie viele andere Arbeitsmigranten aus Marokko Anfang der 1990er Jahre im Ruhrgebiet Arbeit gefunden, erhielt nach fünf Jahren unbefristeten Aufenthalt und holte 1996 sofort seine junge Frau nach. Erste Station war Dortmund, zwei Jahre später zogen sie nach Gelsenkirchen. Sofort bemühte sich Ilham Aissaoui um den Erwerb der fremden Sprache in einer Privatschule.
1997 wurde der langersehnte Sohn geboren, den sie in der ersten Zeit aufgrund einer schweren Erkrankung pflegen und fördern musste. Trotzdem war sie auf der Suche nach einer beruflichen Tätigkeit und nach Kontakten in dem neuen Land. Sie war aktiv, fragte sich durch, ließ sich von skeptischen Überlegungen und Hindernissen nicht abhalten. Wer Ilham Aissaoui kennt, weiß, dass das eine typische Eigenschaft von ihr ist: sich nicht schnell mit Absagen zufrieden zu geben und Hindernisse als Herausforderung zu sehen. 2004 nahm sie an einer beruflichen Qualifizierung durch RE/init e. V. zur Arzthelferin teil. Trotz erfolgreicher Arbeitsplatzsuche scheiterte ihre Arbeitsaufnahme dann aber an der damals fehlenden Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren.
So musste sie bis zur Einschulung des Sohnes in die Wiehagen-Schule warten. Dort lernte die Elternpflegschaft schnell ihre besondere Einsatzfreude und fröhliche Art schätzen. Ilham Aissaoui setzte sich für die Klassenpflegschaft ein und wurde „Brückenmutter". Besonders die integrative Aufgabe, zugewanderte Eltern und ihre Töchter und Söhne mit der Schule ins Gespräch zu bringen, Kommunikation und Verständnis herzustellen, zu organisieren, zu informieren, zu begleiten, das war ihr „Ding“. „Ich bin gerne Brücke“, so beschreibt sie sich heute noch.
2008 kam sie zum ersten Mal in Kontakt mit Kriegsflüchtlingen aus dem Irak, die ihre Muttersprache sprachen. Die gemeinsame Sprache war so verbindend, dass die Hilfestellung durch Übersetzen, das Begleiten, Erklären, Zusammenbringen die unausweichliche Konsequenz war. Im Nu war Ilham Aissaoui involviert und wurde ehrenamtlich aktiv. „Da muss man doch was tun!". Die Leute kannten sie, empfahlen sie als Ansprechpartnerin, als eine von ihnen, die hilft. Ihr ehrenamtliches Engagement wollte sie immer durch Schulungen und Fortbildungen, durch mehr Wissen untermauern. Sie war Brückenmutter und wurde 2013 auch Integrationsvermittlerin.
Zur Qualifizierung gehörte ein Praktikum und so lernte die Frauenberatungs- und Kontaktstelle Gelsenkirchen Ilham Aissaoiu kennen. Trotz einer unerwarteten, schweren Erkrankung gab sie nicht auf und setzte ihr Engagement fort. Ab Mai 2105 begann sie dann ihre Arbeit als Integrationsfachkraft in der Frauenberatungs- und Kontaktstelle.
Schon Anfang 2015 kommt Ilham Aissaoiu mit den Männern aus Kriegsgebieten, die immer am Hauptbahnhof anzutreffen sind, in Kontakt und beginnt sofort mit Hilfsmaßnahmen. Sie findet einen Treffpunkt, einen Raum, weg von der Straße. Da die Männer jedoch nicht verbindlich Eigenverantwortung übernehmen wollen, schließt sie sich mit anderen Frauen zusammen und gründet eine Selbsthilfegruppe „Engagierte Frauen für Asylantinnen“ – E.F.A. Rasch hat sie den Kreis organisiert. Sie ist zukunftsorientiert, optimistisch und gibt vielen Frauen Mut. Aus ihrem ehrenamtlichen Engagement entsteht eine Gruppe von Flüchtlingsfrauen, die sich gegenseitig unterstützen, begleiten, helfen, auf arabisch, englisch und deutsch miteinander reden, immer eine passende Verständigung finden, die zusammen eine Brücke bauen – ohne Ilham Aissaoiu wäre dies nicht möglich geworden.
Trotz ihrer hauptamtlichen Arbeit kann Ilham Aissaoiu ihr ehrenamtliches Engagement nicht eingrenzen: Sie sieht, sie wird gebeten, sie fühlt sich angesprochen, sie versucht zu ändern. Wer sie kennt, ist dabei überwältigt von ihrem Charme, ihrer Offenheit und ihrer Freundlichkeit. Sie ist in der Lage, unterschiedlichste Geister an einen Tisch zu bringen und vorurteilsfrei allen zu begegnen. (Quelle: Frauenberatungs- und Kontaktstelle)
Ihre Medien sind, neben Malerei und bearbeiteten Fotografien, vielteilige Blöcke von Collagen, in denen die Auseinandersetzungen mit ihrem Herkunftsland und die Mühen, sich neu zu positionieren, ihren Ausdruck finden. Ahang Nahkaei (geb. in Iran) hat an der Universität Teheran Illustration und Grafik/Design studiert und dort als Dozentin für Architektur und Grafik/Design gelehrt. Ihre Arbeiten als freie Künstlerin wurden in Galerien und Kunsthallen der arabischen Halbinsel und Italien ausgestellt. Ihre Arbeit ist geprägt von der Unterdrückung, die sie als Frau und Künstlerin erdulden musste. Ihr Eintreten für die intellektuelle und sexuelle Freiheit der Frau findet in Deutschland ein völlig neues Umfeld und verbindet sich mit Aspekten der kulturellen Migration und den damit verbundenen seelischen Herausforderungen. In ihrer künstlerischen Tätigkeit geriet sie immer stärker in Konflikt mit den iranischen Behörden, immer weitere Teile ihrer (Video)Produktion mussten heimlich produziert und konnten nicht mehr offen gezeigt werden. 2013 entschloss sie sich nach Deutschland zu fliehen.
Inzwischen lebt die Künstlerin in Essen, wirkt weiterhin in die Gelsenkirchener Kulturszene hinein und ist hier mit ihren Werken in Ausstellungen und Galerien vertreten. Am 24. September 2016 eröffnete Bürgermeisterin Martina Rudowitz eine Ausstellung mit Werken von Ahang Nakhaie in der Kutschenwerkstatt an der Bochumer Straße.