10. Februar 2016, 18:30 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Rede von Oberbürgermeister
Frank Baranowski
- Es gilt das gesprochene Wort –
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ein ganz herzliches Willkommen Ihnen allen in Gelsenkirchen – hier im Hans-Sachs-Haus! Zu einer Veranstaltung, bei der ich mich besonders freue, dass wir sie so durchführen. Aus drei Gründen: Weil erstens unser vor zweieinhalb Jahren fertiggestelltes Hans-Sachs-Haus ein sehr passender Ort dafür ist. Weil wir uns zweitens das richtige Thema vorgenommen haben, und weil drittens die richtigen Personen und Institutionen mit dabei sind: Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft und Wirtschaft, von Region, Land und Bund, von beiden Wirtschaftsministerien. Wir haben heute mehr oder weniger alle versammelt, die es braucht, um der Strukturpolitik in unserer Region einen neuen Impuls, eine neue Schubkraft zu verleihen – und das ist ganz sicher ein guter Ausgangspunkt!
Dass es einen neuen Impuls braucht, daran zweifelt unter uns vermutlich kaum jemand. Jeder, der sich ein bisschen mit dem Ruhrgebiet beschäftigt hat, weiß und sieht, dass die Narben des Strukturwandels noch nicht verheilt sind. Dass es nachwirkt, wenn in einer Stadt wie der unseren einmal mehr als hunderttausend Menschen in der Montanindustrie arbeiteten – und in der Folge die so dominanten Branchen fast ganz verschwinden. Es liegt auf der Hand, dass diese Geschichte die Wirtschaftsgeografie der Region immer noch prägt – während hier zugleich Potenziale schlummern, die nur mit mehr staatlicher Unterstützung zu heben sind!
Das Problem mit der Strukturpolitik im Ruhrgebiet war und ist ja weniger ein entschlossenes „Nein!“, sondern eher das unentschlossene „Ja, aber“: Ja, stimmt, das Ruhrgebiet braucht Impulse, aber andere Fragen schienen stets dringlicher. Der Osten. Die schwarze Null. Mal die schwache, mal die gute Konjunktur. Nach all diesen „Ja, aber“ war ich sehr froh, dass Sigmar Gabriel vor vier Jahren bei der Ruhrkonferenz unserer gemeinsamen Partei in Bochum eine klare Position eingenommen hat: Ja, eine künftige Bundesregierung muss die Frage nach der Zukunft der Regionalpolitik im Ruhrgebiet auf die Agenda setzen – um den Anstrengungen dieser Region wieder mehr Rückenwind zu geben!
Und in der Tat bin ich zuversichtlich, dass sich mit mehr Rückenwind wirklich etwas erreichen lässt. Denn das, was wir im Ruhrgebiet seit dem Strukturwandel, der ja ein echter Strukturbruch war, erreicht haben, in Fragen von Lebensqualität und Wirtschaftskraft, das hat ja der staatlichen Struktur- und Förderpolitik sehr viel zu verdanken. Das waren oft gut eingesetzte Mittel. Ich denke da an die Programme der Stadterneuerung, die zahlreiche Stadtteile wieder zu attraktiven Wohn- und Lebensorten gemacht haben. Ich denke an die Logistik-Branche im Ruhrgebiet, die sehr stark von der Lage, aber auch von der öffentlich bereitgestellten Infrastruktur profitiert. Oder an die Wohnungs- und Gesundheitswirtschaft.
Für eine entschlossene Regionalpolitik spricht auch die besondere Situation der Kommunen in diesen Jahren: Die Städte erbringen enorme Leistungen, gerade jetzt bei der Aufnahme von so zahlreichen Flüchtlingen, und das hier im Ruhrgebiet bei sehr dünner Finanzausstattung. Das Kommunalinvestitions-Förderungs-Gesetz war und ist da hoch willkommen. Allerdings müssen wir auch sehen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nun diese Mittel abrufen und abrechnen sollen, das sind ja genau jene, die auch mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen komplett ausgelastet sind. Das heißt: Die Kommunen müssen schon mit der Grundausstattung in die Lage versetzt werden, von dieser Unterstützung wirklich zu profitieren!
Und da ich die Flüchtlinge erwähnt habe: Ob die Integration derer, die bei uns eine Bleibeperspektive haben, gelingt – das entscheidet sich jetzt und in den nächsten ein, zwei Jahren. Es entscheidet sich daran, wie gut wir die Sprache und andere Kenntnisse vermitteln. Es entscheidet sich aber auch daran, wie aufnahmefähig künftig unsere Arbeitsmärkte sind. Und zwar nicht nur die Arbeitsmärkte in München und Düsseldorf, sondern gerade in den Regionen, die heute um Investitionen kämpfen müssen!
Eine kluge Strukturpolitik muss diese Städte unterstützen, muss in die Infrastruktur und in die Wirtschaftskraft dieser Regionen investieren. Weil es die Menschen verdient haben, die hier schon länger leben – und weil es im Interesse derer liegt, die jetzt dazu kommen – und die jetzt den Zugang zur deutschen Gesellschaft finden müssen! Eine kluge Regionalpolitik wird zudem berücksichtigen, dass es wichtig ist, mit vielen einzelnen Maßnahmen eine vernünftige Infrastruktur zu errichten und zu erhalten – dass es aber auch wichtig, Zeichen und Signale zu setzen, um Mut zu machen.
Ja, meine Damen und Herren: Bei dem vermeintlich technischen Thema „Regionalpolitik im Ruhrgebiet“ steht nicht wenig auf dem Spiel. Und darum bin ich froh, dass Sie hier sind und wir heute daran arbeiten, dieses Thema ein Stück weiter voran zu bringen! Uns allen wünsche ich nun viele gute Erkenntnisse. Und vor allem aber den Mut, diese dann auch zu handfesten Ergebnissen und am Ende zu ganz konkreten Schritten und Impulsen werden zu lassen. Das Ruhrgebiet braucht sie ganz dringend. Und – vor allem: Es hat sie auch verdient!
Glück auf!