13. August 2013, 08:56 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
- Es gilt das gesprochene Wort -
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Mikrophone und Lautsprecher funktionieren, Sie alle können mich hören, haben einen Platz gefunden – und überhaupt: Das meiste im Saal scheint genauso zu sein, wie wir uns das vorstellen. Oder um ehrlich zu sein: Noch ein gutes Stück besser. Schöner. Heller. Und das freut mich, natürlich: Als Gastgeber des heutigen Tages – wie auch mit Blick auf die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Mit Blick auf eine Zukunft, in der wir – die Bürgerinnen und Bürger Gelsenkirchens – hier, in diesem schönen Saal, in diesem wunderbaren neuen Haus, gemeinsam Entscheidungen für unsere Stadt diskutieren und treffen werden!
Ja, es ist ein neues Gebäude, das wir heute in Empfang nehmen. Einerseits. Andererseits war das Hans-Sachs-Haus ja nie weg. Auch in den vergangenen fast elf Jahren gehörte die uns allen vertraute Backstein-Fassade – trotz Zeiten mit Baugerüst und Planen – fest zum Bild der Gelsenkirchener City. In den sieben Jahrzehnten zuvor sowieso. Als wir zu diesem Wochenende eingeladen hatten, da mussten wir keinem Gelsenkirchener erklären, wo das Hans-Sachs-Haus steht.
Und so erleben wir heute beides: Die ersehnte Rückkehr unseres Hans-Sachs-Hauses – und zugleich können die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener ein neues, attraktives Haus in Besitz nehmen. Wenn Sie so wollen, haben wir gleich zwei Anlässe zum Feiern.
Das ist ein erfreuliches, ein gutes Ende einer langen Geschichte. Einer Geschichte, die ja bekanntlich schon sehr früh eine dramatische Wendung nahm, als die zu erwartenden Kosten der geplanten Sanierung in die Höhe schossen – und zwar in Dimensionen, die niemand für möglich gehalten hatte.
Plötzlich befand sich die Stadt Gelsenkirchen in einer sehr vertrackten Situation. Wir mussten genau prüfen, welchen Handlungsspielraum wir angesichts der eingegangenen Verträge hatten – und wie wir uns da Schritt für Schritt herausbewegen, hin zu einer guten, zu einer vernünftigen Lösung. In der Politik braucht man ja immer Geduld und einen langen Atem – aber so sehr wie in dieser Lage habe ich es selten erlebt.
Umso wertvoller war es, dass sich viele Menschen für den teilweisen Erhalt des Hans-Sachs-Hauses eingesetzt haben. In meiner Anfangszeit als Oberbürgermeister habe ich unheimlich viele Gespräche zum Hans-Sachs-Haus geführt. Eines ist mir besonders in Erinnerung geblieben – und zwar das mit Ihnen, lieber Ernst Otto Glasmeier. Vielleicht erinnern auch Sie sich daran, wie Sie nicht nur für den Erhalt der Fassade argumentierten, sondern mir auch gleich einen Lösungsvorschlag skizzierten. Ich habe ihn aufbewahrt und mir jetzt wieder angeschaut – und ich kann versichern: Die Zeichnung ist mehrere Jahre alt – auch wenn sie der nun realisierten Lösung ganz schön nahe kommt!
Aber Ernst Otto Glasmeier war bei weitem nicht der einzige Fürsprecher des Hans-Sachs-Hauses. Zahlreiche Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener haben sich für dieses Gebäude eingesetzt. Sie haben das getan, weil es für sie feststand: Hier hat unser Gemeinwesen seine Mitte. Hier ist das lebendige Zentrum unserer Stadtgesellschaft – auch und gerade während der Jahrzehnte, in denen unsere Stadt wie die ganze Region einen fast beispiellosen wirtschaftlichen und sozialen Wandel erlebt hat. In diesem Haus fanden zahlreiche öffentliche Veranstaltungen statt, Ausstellungen und Konzerte. Darum hängen viele Erinnerungen an schöne und denkwürdige Momente an diesem Ort. Auch meine. Ich weiß noch, wie ich als junger Stadtverordneter an meiner ersten Ratssitzung teilgenommen habe. Und fast noch besser erinnere ich mich daran, wie wir als Schüler staunend vor dem Paternoster standen – und ich zuerst meine Tasche auf Reisen geschickt habe, ehe ich ihr dann in der nächsten Runde selbst gefolgt bin…
Einen Paternoster hat das neue Hans-Sachs-Haus nun nicht mehr. Aber trotzdem: Das, was das alte Hans-Sachs-Haus für die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener war, das soll das neue ebenfalls sein – ein Haus für alle Bürgerinnen und Bürger. Kein Rathaus, wo sich die Stadtverwaltung hinter dicken Mauern verbirgt, wo sich die Bürger klein und ehrfürchtig fühlen müssen, wenn sie eintreten. Ganz im Gegenteil. Es soll und wird ein Haus sein, dessen Türen offen stehen. Dafür werden Einrichtungen wie das Bürgerforum, wie die Stadt- und Touristinfo und ein Bistro sorgen. Und dafür sorgt auch die einladende Architektur des neuen Hans-Sachs-Hauses mit ihrer Klarheit und Helligkeit. Ich bin mir sicher, dass auch künftig die Menschen gerne in das Atrium und das Bürgerforum kommen werden – und staunen.
Der Neubau, diese Kombination von klassischer Moderne und zeitgenössischer Architektur – das bereitet uns allen Freude. Und es ist in der Tat großartig, wie sensibel die Architekten von gmp mit der Fassade umgegangen sind und ein harmonisches Ganzes entstanden ist. Und dennoch: Wir sollten in diesem schönen Moment nicht ganz ausblenden, wie schwierig die Bedingungen für ein solches Projekt sind. Das neue Hans-Sachs-Haus – das schließlich weit weniger gekostet hat, als letztendlich die ursprünglich geplante Sanierung gekostet hätte – das war, angesichts der Situation der kommunalen Finanzen nicht nur im Ruhrgebiet, schon ein ziemlicher Kraftakt für unsere Stadt. Und vielleicht darf man sich auch mal fragen, ob das richtig so ist, ob es so sein muss, dass sich in einem der reichsten Länder der Welt Kommunen bis an die Decke strecken müssen, um ein würdiges Haus für ihre Stadtgesellschaft zu errichten…
Wir haben uns in Gelsenkirchen dennoch dafür entschieden. Wir haben das getan, weil dieses Haus in meinen Augen etwas ganz Wichtiges in Szene setzt. Das neue Hans-Sachs-Haus wird wie sein Vorgänger das Zentrum der kommunalen Selbstverwaltung, der lokalen Demokratie. Hier, mitten in der Stadtöffentlichkeit, in der Gelsenkirchener City, wird Demokratie gelebt und erlebbar gemacht. Und auch wenn es in Zeiten von Globalisierung, von Schuldenkrise und Sachzwang-Politik möglicherweise dem Einen oder Anderen nicht mehr so furchtbar zeitgemäß erscheint: Das ist zwingend nötig. Jedenfalls dann, wenn wir unsere Demokratie erhalten wollen.
Unsere Demokratie beginnt in den Städten. Das ist historisch so, wenn wir an die griechische Polis und die Selbstbestimmung der mittelalterlichen Städte denken. Das gilt aber auch, was den Erfahrungsraum der Menschen betrifft. Ja das miteinander Diskutieren und Entscheiden mag anstrengend und zeitaufwändig sein – aber nur diese politische Ordnung sorgt dafür, dass wir alle in Würde leben können. Dass wir gemeinsam selbstbestimmt leben. Die Städte sind das Fundament unserer Demokratie – und ich bin sehr froh, dass die lokale Demokratie in Gelsenkirchen nun wieder einen würdigen Ort hat! Vor diesem Hintergrund sage ich Ihnen, den Damen und Herren Stadtverordneten: herzlich Willkommen zu Hause!
Meine Damen und Herren,
dieser Ort, dieses Haus beeindruckt. Es macht uns stolz, es lädt uns ein, es gibt uns als Stadtgesellschaft eine Bühne. Aber es stellt auch Anforderungen. Die Anforderung, dass wir die Transparenz, die Offenheit, die Würde, die diese Architektur verspricht, auch einlösen durch das, was in ihr geschieht. Dass uns dieses Haus nun Tag für Tag genau daran erinnert, ist nicht der schlechteste Ansporn.
Allen, die dazu beigetragen haben, dass es nun da ist, sage ich aufrichtigen Dank. Vor allem denen, die hier gebaut haben – und dem Land, ohne dessen finanzielle Förderung das alles so nicht möglich gewesen wäre!
Uns allen und dem neuen Hans-Sachs-Haus ein herzliches Glück auf!