15. April 2020, 10:54 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Katharina: Hallo zusammen, ich möchte Euch zum Podcast der Stadt Gelsenkirchen begrüßen. In der jetzigen Zeit des Corona-Virus möchten wir die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt über diesen Kanal informieren und Tipps und Anregungen geben. Mein Name ist Katharina und ich übernehme in dieser Folge die Rolle der Podcasterin.
Zum Thema „Familienleben zu Zeiten der Corona-Krise“ haben wir für Euch einen Podcast aufgenommen.
Ich habe heute eine Kollegin der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern virtuell zu Gast. Frau Teichert wird einige Tipps und Anregungen geben, wie Eltern in der Zeit der Corona-Krise die Kinder und die gesamte Familie am Laufen halten. Im besten Falle alle sogar zufrieden und fröhlich stimmen.
Katharina (K): Frau Teichert. Mögen Sie sich einmal kurz vorstellen und erklären, mit welchen Anliegen die Familien zu Ihnen kommen?
Dana Teichert (D.T.): Mein Name ist Dana Teichert, Diplom-Sozialarbeiter und Familienmediatorin bei der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern der Stadt Gelsenkirchen. Eltern kommen mit verschiedenen Anliegen zu uns. Beispielsweise geht es rund um die Entwicklung sowie das Ess- und Schlafverhalten. Eltern haben auch Fragen zu Geschwisterbeziehungen oder der Pubertät. Oder Differenzen zwischen den Eltern sind Thema.
Die Gespräche sind vertraulich und wir sind zurzeit während der Corona-Krise auch per Telefon erreichbar.
K.: Es ist auf jeden Fall schön, dass Sie und Ihre Kollegen auch jetzt für die Eltern in Gelsenkirchen da sind. Am Ende des Podcasts werden wir die Kontaktdaten durchgeben.
Dann steigen wir direkt in das Thema ein. Zurzeit sollen soziale Kontakte so gut wie möglich vermieden werden. Man soll zuhause bleiben, die Schulen und Kitas sind zu und viele von uns machen Home-Office. Das heißt ganz konkret, viele Eltern sitzen jetzt über Wochen mit ihren Kindern fast nur noch zuhause. Welche Konflikte können hier entstehen?
D.T.: Da fallen mir direkt viele Momente ein, in denen Familien miteinander in Stress geraten können. Ich nenne zwei Beispiele. Die Kinder möchten sich nicht an übliche Schlafenszeiten halten – da sie nicht ausgelastet sind und merken, dass etwas anders ist. Oder Kinder schieben das Hausaufgaben machen vor sich her. Eltern bestehen aber selbstverständlich darauf und das kann Stress aufbauen.
K.: Das Familienleben ist ja bei uns allen zurzeit wirklich komplizierter geworden. Welche konkreten Tipps können Sie geben, um den Lagerkoller zuhause entgegenzuwirken?
D.T.: Essenziell sind Regeln und eine Tagesstruktur, die die Eltern vorgeben oder auch mit den Kindern gemeinsam festlegen können. Wann werden Hausaufgaben gemacht, wann wird gespielt, wann wird gegessen? Wann hat wer Einzelzeit oder Home-Office? Man kann sich an groben Zeitangaben orientieren.
Es gibt viele Möglichkeiten der Beschäftigung: kurzes Kartenspielen, malen, basteln, etwas pflanzen oder reparieren.
Lern- und Spielzeiten sollen sich abwechseln.
Ein Mal am Tag sollten Eltern mit ihren Kindern an die frische Luft gehen – am besten in die Natur. Das hilft gegen den Lagerkoller besonders gut.
K.: Wenn man 24 Stunden am Tag auf engstem Raum zusammenlebt, kann es auch schon mal zu Konflikten kommen, vor allem, wenn man keinen Platz hat, um sich aus dem Weg zu gehen. Wenn die Kinder dann noch ständig miteinander streiten, oder der Partner nervt, ist Stress vorprogrammiert. Haben Sie einen Tipp, wie man solche Situation entschärfen kann?
D.T.: In diesem Moment braucht man eine Pause. Man muss die Situation unterbrechen – aus dem Raum, einen Tee machen. Den Partner bitten, zu übernehmen. Mit den Kindern nicht in Machtkämpfe gehen, sondern mit Kindern reden und konsequent sein.
Auszeiten auf jeden Fall in die Routinen einplanen. Vielleicht einen Spaziergang oder Joggen.
Bei Sorgenschleifen sollen Eltern ihren Blick auf etwas Konkretes richten – „hier gibt zwar Probleme, aber das läuft gut“. Bewusst diese Schleifen zu unterbrechen. Eltern müssen nicht perfekt sein. Man kann auch mit jemandem reden oder auch gerne uns anrufen. Da unterstützen wir gerne.
K.: Streit gibt es ja auch ganz oft zwischen Geschwistern. Wie sieht es da aus? Haben Sie hier Ideen?
D.T.: Für Geschwister ist es leichter, wenn sie viel Einzelzeit haben, etwas alleine machen können. Eltern sollten sich auch für jedes Kind alleine Zeit nehmen. Leichter ist es insgesamt, wenn es genaue Regeln gibt. Umso eindeutiger die Regeln, umso weniger kann diskutiert werden. Man könnte sie auch Corona-Regeln nennen. Signale machen auch vieles leichter: ein Wecker, der das Ende der Medienzeit anzeigt. Eltern sollten mit kurzen Worten sagen, wann sie für die Kinder ansprechbar sind.
K: Besonders für Eltern mit kleinen Kindern ist das Home-Office eine riesige Herausforderung. Wie kann denn man kleine Kinder dazu bringen, dass sie mehr alleine spielen?
D.T.: Bei Kindern, die das noch nicht gewöhnt sind, und / oder bis 3,5 Jahre alt sind, ist das spielen alleine schwierig. Auch eher weniger zu erwarten. Es kommt auch auf die Stimmung an. Manchmal funktioniert es auch nicht. Wichtig ist, dass der aufpassende Elternteil sich dem Kind erst individuell zuwendet.
Dem Kind sollte angekündigt werden, wann die „Alleine-Spielzeit“ beginnt. Dann kann beispielsweise eine Uhr auf 15 Minuten gestellt werden. Nach Ablauf der Zeit wäre es schön, wenn der Elternteil sich bei dem Kind dafür bedanken würde, dass es der Bitte alleine zu spielen nachgekommen ist. Grundsätzlich sollte man beim Einüben des „Alleine-Spielens“ mit kurzen Zeitabständen beginnen.
K.: Was ist denn mit den Eltern, die trotzdem zur Arbeit gehen müssen – weil sie in systemrelavanten Bereichen arbeiten oder ihr Job zuhause einfach nicht gemacht werden kann – welche Probleme sehen Sie hier für das Familienleben?
D.T.: Diese Eltern tragen viel Verantwortung auf ihren Schultern. Und machen sich sicherlich Sorgen. Vielleicht kommt auch ein schlechtes Gewissen dazu. Beide Elternteile brauchen da einen starken Zusammenhalt. Und das geht am besten, wenn man viel miteinander spricht.
Der Elternteil, der zuhause ist, sollte auch mit anderen Bezugspersonen Kontakt haben.
Gemeinsam müssen die Eltern den Tagesablauf planen. Welche Aufgaben kann auch der berufstätige Partner übernehmen? Wer nimmt sich wann eine Auszeit? Außerdem sollte man auch darauf achten, gemeinsame Familienzeit oder Einzelzeit gestalten. Ein gemeinsames Essen oder das Kuscheln am Abend auf der Couch. Allein joggen oder spazieren gehen.
Mit den Kindern Ideen sammeln, was man gemeinsam machen kann, wenn es in Zukunft wieder dazu die Möglichkeit gibt.
K.: Hier möchte ich noch etwas ins Detail gehen und meine Frage hier zweiteilen. Auf welche Besonderheiten müssen sich Eltern von kleinen Kindern, die weiterhin von Dritten betreut werden, vorbereiten? Und zum zweiten wie können Eltern mit den größeren Kindern, die nun über einen längeren Zeitraum am Tag allein sind, Kompromisse finden. Oder Vereinbarungen mit ihnen treffen?
D.T.: Zur ersten Frage: Eltern können die Betreuer fragen, wie sie das Kind erlebt haben. Interessiert das Kind fragen, wie der Tag war etc. um sich dem Kind zuzuwenden, Interesse zu zeigen. Später gemeinsam Zeit verbringen.
Zur zweiten Frage: Vielleicht schon beim Frühstück zu besprechen, wie der Tag ablaufen soll. Eltern sollen bei der Tagesplanung unterstützen und helfen. Ideen sammeln, was die Kinder am Tag machen können oder was erledigt werden muss. Alternative Ansprechpartner benennen und feste Zeiten abmachen, wann man miteinander über Tag spricht. Weitere Bezugspersonen bitten, beim Kind anzurufen, um zu fragen, ob es dem Kind gut geht.
K.: Haben Sie denn auch eine Idee, wie ich insbesondere KiTa-Kindern und Grundschulkindern erkläre, warum sie Oma und Opa nicht besuchen gehen dürfen?
D.T.: Es ist gut, wenn Eltern konkret mit den Kindern besprechen, warum man nicht Oma und Opa besuchen gehen kann. Eltern signalisieren so ganz deutlich, dass das gegenseitige Besuchen nicht geht, aber man andere Wege finden kann, um miteinander in Kontakt zu kommen. Man kann gemeinsam Alternativen finden. Skypen, Telefonieren, einen Brief schreiben oder einen Gruß auf der Terrasse hinterlassen. Und man kann Ideen und Gedanken sammeln, was später alles mit den Großeltern gemacht oder unternommen werden kann.
K.: Jetzt haben wir wirklich viel über die Kinder gesprochen. Zu Familien gehören bekannterweise auch die Eltern. Haben Sie Tipps, wie sich Eltern auch Zeit für sich selbst oder für ihren Partner nehmen können?
D.T.: Ja, das sind die Eltern auch wiederum gefragt, gemeinsame Zeitfenster zu suchen. Eltern sollten auch den Kindern sagen, wann Mama und Papa eine kleine Pause nehmen. Das können 10 Minuten sein. Und man sollte auch kommunizieren, wann die Eltern wieder ansprechbar sind. Leichter ist es abends, wenn die Kinder schon schlafen. Umso älter die Kinder werden, umso leichter wird es für die Eltern gemeinsam Zeit zu finden.
K.: Frau Teichert, erst mal vielen Dank für Ihre Denkanstöße und Tipps, wie man in der Familie auf die Corona-Krise reagieren kann. Wenn Ihr, liebe Väter und Mütter, Stress in der Familie habt oder Fragen zu Erziehungsthemen, könnt Ihr Euch an die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in Gelsenkirchen wenden. Die Kolleginnen und Kollegen sind weiterhin für Euch da!
Wie und wann können Familien die Beratungsstelle zurzeit denn genau erreichen Frau Teichert?
D.T.: Sie erreichen uns unter den Telefonnummern 0209 / 169-5390 und 169-5400. Montags bis donnerstags von 8:30 bis 15:30 Uhr und am Freitag von 8:30 bis 12:30 Uhr. Ihr Anruf ist streng vertraulich. Wir freuen uns, wenn sich Familien melden.
K.: Dann ich möchte ich mich bei Ihnen, Frau Teichert, herzlich für das Gespräch bedanken. Ich hoffe, dass jeder etwas für sich und seine Familie etwas diesem Podcast mitnehmen kann. Und Euch allen in Gelsenkirchen wünsche ich starke Nerven. Bleibt zuhause! Bleibt gesund! – Das war ein Podcast der Stadt Gelsenkirchen zum Thema „Familienleben in Zeiten der Corona-Krise“.
Die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in Gelsenkirchen ist auch unter der E-Mail Adresse: Beratungsstelle-fuer-kinder@gelsenkirchen.de erreichbar.