Musik erzählt … vom Aufbrechen und Ankommen
Start der Kammerkonzertreihe im Kulturraum „die flora“
23. August 2019, 14:01 Uhr | Kulturraum "die flora"
Ensemble Ruhr und Raed Koshaba. Bildrechte: Christian Huhn
Am 1. September 2019 findet im Kulturraum „die flora“ das Auftaktkonzert der nun bereits fünften Kammerkonzertreihe „Musik erzählt…“ statt. Stadträtin Annette Berg, Vorstand für Kultur, Bildung, Jugend, Sport und Integration, wird ein Grußwort sprechen.
In diesem Jahr durchzieht das Motto „Vom Aufbrechen und Ankommen“ die Programmfolge wie ein roter Faden: „Aufbrechen“, das meint in Bewegung kommen, auf zu neuen Ufern streben – „Ankommen“, das meint, sich mit der Heimat genauso zu befassen wie mit neuen und vielleicht ungewohnten Lebenskreisen. Künstlerischer Leiter ist seit Beginn der Reihe in 2015 der Gelsenkirchener Komponist Michael Em Walter. Wie in den Jahren zuvor wird er zu den Konzerten jeweils eine Einführung geben. Zum ersten Mal gibt es 2019 einen die Konzertreihe begleitenden Vortrag von Michael Walter in der Volkshochschule (VHS) am 1. Oktober. Die weiteren Konzerte folgen am 6. Oktober und am 3. November. Zudem findet am Weltkindertag, dem 20. September, ein Kinderkonzert im Rahmen des Landesprogramms der „Kulturstrolche“ statt. Gefördert wird die Musikreihe 2019 erstmalig vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
Die diesjährige Reihe ist Teil des stadtweiten Projektes zum „Gelingenden Leben“. Über einen weit gespannten Projektzeitraum werden Austausch, Diskurs, Diskussion, Ideen – und Utopien angeregt und formuliert werden über das, was die Menschen in großstädtischen Räumen wie z. B. Gelsenkirchen als „gelingend“ ansehen wollen. Aufbrechen und Ankommen sind dabei wichtige Bezugspunkte für die eigene Verortung.
1. September 2019
Das erste Konzert am 1. September 2019 verkörpert das Thema der Konzertreihe besonders deutlich, wenn das Streichquintett des Ensemble Ruhr Im Musikprojekt „STRINGS OF SOUL“ auf den Oudspieler Raed Khosaba aus dem Irak trifft. Dabei entstehen eine faszinierende Klangwelt und eine musikalische Verbindung von Musikerinnen und Musikern westlichen und orientalischen Stils. Mozarts Streichquartett KV 80, Adagio (mit Bass) (1770) und eine Bearbeitung fürs Streichquintett seines Adagio KV 540 (1788) trifft auf Eigenkompositionen Raed Khoshabas: „Samai Nagriz, Samai Nahawand, Soltan Yagah“ und das „Concert al oud“ sind eigens für Oud und Streichquartett geschrieben worden. Abschluss des Konzerts bildet das „Streichquintett op. 77 (1875) von Antonin Dvořák. In diesem Programm werden alle Grenzen überschritten. Unterschiede finden zusammen und entwickeln eine neue musikalische Sprache, die von Heimat und Zusammengehörigkeit erzählt.
Das Ensemble Ruhr ist ein Orchester aus der Region für die Region – stolz führt es die Ruhr im Namen. Es ist das einzige professionelle, von den Musikerinnen und Musikern gemeinsam geleitete und ohne Dirigentinnen oder Dirigenten auftretende Kammerorchester im Ruhrgebiet. Es versammelt ausgezeichnete Kammermusikerinnen und Kammermusiker aus der Region NRW. Von der Bundesregierung wurde das Ensemble Ruhr 2014 mit dem Titel „Kultur- und Kreativpilot“ ausgezeichnet und ist damit einer der Preisträger des bundesweiten Wettbewerbs. Mit spannenden, oft spartenübergreifenden Konzertprojekten, begeistert das Ensemble Ruhr altes wie neues Publikum für zeitgemäßen Hörgenuss aus sämtlichen musikalischen Epochen. Ausführende des Ensembles sind: Jackie Xiao, Violine; Carmen Molina Espejo, Violine; Max Schmiz, Viola; Franziska Lüdicke, Violoncello; Marta Fossas Mallorquí, Bass. Die Musiker*innen treffen auf den Oudspieler Raed Khoshaba. Der gebürtige Iraker studierte das Instrument Oud am Konservatorium für Musik Bagdad bei Salem Abdul Karem. Schon während seines Studiums spielte er in unterschiedlichen Formationen in und außerhalb des Iraks. 1992 schloss er sein Diplom-Studium mit Bestauszeichnung ab, 1997 absolvierte er sein Bachelor Studium in Musikwissenschaft an der Akademie der schönen Künste in Bagdad. Sein erstes Musikalbum „Strings of Soul“ produzierte er 1999 und erzielte damit das meistverkaufte Musikalbum des Jahres. Seit 2000 setzt er sein musikalisches Schaffen in seiner Wahlheimat Deutschland fort, seit 2014 lebt er in Essen. In Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro der Stadt Essen gründete er 2016 eine Schule für Oud und orientalische Musik. Die Schule bietet die besten Bedingungen für alle, die sich für die orientalische Musik über das Hören hinaus begeistern.
6. Oktober 2019
Das zweite Programm am 6. Oktober 2019 gestalten Nikola Komatina (Akkordeon) und Rainer Maria Klaas (Klavier). Dieses Konzert ist dem Bochumer Komponisten Stefan Heucke zum 60. Geburtstag gewidmet und verbindet Heuckes Werk „Heimat“ mit Leoš Janáčeks „Auf verwachsenem Pfade“ in einer Bearbeitung von Stefan Heucke. Janáčeks Werk ist autobiografische Musik. Der Komponist befand sich zur Zeit der Entstehung des Werkes in einer tiefen Lebenskrise. Der „verwachsene Pfad“ des Titels spielt auf diese Krise an. Dieser Pfad aber – übertragen auf die Reihe – spielt sich ab zwischen „Aufbrechen“ und „Ankommen“. Zudem stehen Ferruccio Busonis „Toccata für Klavier solo, Kind.287“ (1920) und Sofia Gubaidilinas „De profundis für Akkordeon solo“ (1978) auf dem Programm. Stefan Heucke wird zum Konzert anwesend sein und dem Publikum berichten, was er unter dem Stichwort „Heimat“ versteht – und was das mit „Aufbrechen und Ankommen“ zu tun hat.
Rainer Maria Klaas ist mit rund 2000 aufgeführten Werken von etwa 1.100 Komponisten der repertoirereichste europäische Pianist. In Recklinghausen geboren, war er Schüler von Detlef Kraus und Klaus Hellwig (Folkwang-Hochschule Essen) sowie von Yara Bernette (Musikhochschule Hamburg); Konzertexamen 1977. Kurse u.a. bei Guido Agosti, Czeslaw Marek und Jorge Bolet. Konzerte, Meisterkurse und Jurorentätigkeit in Europa, Israel, den USA und Ostasien; zahlreiche CDs und Rundfunkproduktionen. Gründer der integral::musiken Ruhr 1975, Herausgeber und Verleger des Piano-Jahrbuchs (1978-83). Leiter einer Hauptfachklasse Klavier an der MHS Dortmund 1985-2001. Seit 2002 verstärkte Tätigkeit auch als Dirigent. Initiator und Programmdramaturg zahlreicher NRW-weiter Konzertzyklen. Seit 2015 auch der Musik-erzählt-Reihe eng verbunden und in jedem Jahr als Pianist mitwirkend.
Nikola Komatina, der aus Serbien stammt und in Deutschland lebt, studierte bei Prof. Gregorz Stopa an der Konservatorium Wien Privatuniversität, an der Hochschule für Musik Detmold, sowie bei Prof. Mie Miki an der Folkwang Universität der Künste Essen. 2013 erhielt er den Musikpreis der GWK Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit und gewann 2014 den 1. Preis beim Wettbewerb „Musik & Vermittlung“ in Detmold und zusätzlich den Publikumspreis. 2015 wurde ihm das Märkische Stipendium zugesprochen. Zahlreiche Stiftungen (z. B. die GWK-Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit e.V. und die Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung) und Stipendien unterstützten seinen musikalischen Werdegang. Nikola Komatinas Repertoire umfasst Werke vom Barock bis zur Moderne. Der Akkordeonist tritt solistisch und als Kammermusiker international auf. 2017 hat er seine Debut-CD „Inspiration“ für Solo-Akkordeon beim GWK Records veröffentlicht. Nikola Komatina arbeitet intensiv mit Komponisten der Neuen Musik zusammen, z.B. Gerhard Stäbler, Frank Zabel oder Kalevi Aho. Ahos „Black Bird“, eines der aufregendsten, komplexesten und tiefsten Werke der modernen Akkordeonliteratur, stellte er 2018 im Kulturraum „die flora“ vor.
20. September 2019
Zum Weltkindertag spielt Nikola Komatina am 20. September 2019 Auszüge aus dem Programm vom 8. Oktober und führt kindgerecht in sein Instrument, das Akkordeon, ein. Das Konzert richtet sich an Gelsenkirchener Grundschulen im Landesprogramm „Kulturstrolche“.
Der aus Baden-Württemberg stammende Heucke lebt seit 1996 abwechselnd in Bochum und an der italienischen Riviera. Auch musikalisch ist er ein Vermittler, insbesondere zwischen Sprache und Musik. Viele seiner Kompositionen wurden durch historisch-literarische Texte inspiriert. 2007 erhielt er den Hans-Werner-Henze-Preis. 2015 gab er Impulse für die Entwicklung der Musik-erzählt-Reihe und ist ihr immer wieder in Person und Werk verbunden.
3. November 2019
Mit dem Abschlusskonzert am 3. November 2019 rückt eine musikgeschichtliche Epoche ins Blickfeld, in der sich die Musik aufmachte, das zu begründen, was heute als europäische Musikgeschichte bezeichnet wird. Die aus Tschechien stammende und nun im Ruhrgebiet lebende Sopranistin Dora Rubart-Pavlíková ist mit Michaela Koudelková an der Flöte und Marek Kubát an der Theorbe zu Gast. Zunächst steht zwar die „alte Musik“ im Zentrum mit Werken von Jacob van Eyck, Thomas Campion, Giulio Caccini, Michel de la Barre, Jean-Philippe Rameau, Jiri Antonín Benda, Georg Philipp Telemann, Johann Christoph Pepusch und Antonio Vivaldi „Ankommen“ wird das Konzert aber im „Hier und Jetzt“ mit der Uraufführung eines Werks des Essener Komponisten Nicolás Kretz, das er speziell für das Trio geschrieben hat, sowie „The Foul Girl Relaxes“ von Barry Doupé und James Whitman.
Dora Rubart-Pavlíková studierte zunächst Gesang am Prager Jan Deyls Konservatorium und schloss ihr Studium 2004 am Konservatorium Pardubice (Klasse Prof. Simunkova) ab. Seit 2007 widmet sich die Sopranistin verstärkt der Interpretation barocker Werke u.a. mit Ensemble Inegal (CZ), Aura Musicale (Ungarn), Neue Hofkapelle München (DE) oder Musica Florea (CZ). Zudem ist sie Mitglied des Prager Collegium Vocale 1704, mit dem sie bei zahlreichen Festivals (u.a. Festival de La Chaise-Dieu, Händel-Festspiele Halle) sowohl als Ensemble- als auch Solosängerin zu Gast ist. Zu den aufgeführten Werken gehören neben Wiederentdeckungen des Tschechen J. D. Zelenka auch Werke von Bach, Händel und Mozart. Seit 2016 ist sie als Solistin in mehreren Barockopern zu sehen. Mit der Produktion „La Semele“ von J. A. Hasse gastierte sie im Frühjahr 2017 in Korea. Für die Rolle der „Astrea“ in L. Vincis „La contesa dei numi“ wurde Rubart-Pavlíková 2018 für den tschechischen Theaterpreis „Thalia“ nominiert.
Michaela Koudelková studierte Blockflöte an der Akademii Muzycznej w Krakowie in den Klassen von Peter Holtslag und Erik Bosgraaf. Zur Zeit absolviert sie ein Doktorstudium an der „Janáček-Akademie der Künste“ in Brno unter der Leitung von Barbara Maria Willi. Sie arbeitet regelmäßig mit renommierten Ensembles Alter Musik zusammen wie Musica Aeterna, The Czech Ensemble Baroque, Capella Cracoviensis. Sie ist Gründungsmitglied des Ensemble Musica Armonia sowie des tschechisch-polnischen Barock-Ensembles „Il Giorno Felice“, mit dem sie 2015 das Finale des York Early Music International Young Artists Wettbewerbs in Großbritannien erreichte. Im Juli 2018 erreichte sie mit fünf weiteren Musikern die Finalrunde des Kaleidoscope Vocal and Instrumental Wettbewerbs in Santa Monica (USA). Koudelková widmet sich vor allem der Interpretation Alter Musik und spielt auf Nachbauten alter Instrumente.
Marek Kubát entdeckte als Zehnjähriger seine Begeisterung für die Gitarre. Neben dem Studium der Jazzgitarre widmete er sich vertieft auch der Alten Musik (Diplom an der Akademie der Alten Musik Brno bei Miloslav Študent). Kubát tritt regelmäßig in verschiedenen tschechischen und polnischen Barock-Ensembles auf, unter anderem mit dem Ensemble Damiani, Silva Rerum arte (PL), The Czech Ensemble Baroque. Neben der Barockmusik interpretiert Kubát auch Werke zeitgenössischer Musik (u.a. von Tomáš Hanzlík und Dada Klementová). Als Lautenist tritt er regelmäßig mit der Baltischen Philharmonie (Danzig) auf.
1. Oktober 2019
„Was erzählt Musik“ hat Michael Em Walter seinen begleitenden Vortrag in der VHS benannt. Er spricht u. a. über die Funktion von Musik in unterschiedlichen Epochen und wie heute Komponistinnen und Komponisten Musik als Sprache begreifen. Zudem erläutert er das diesjährige Programm mit seinem Motto „Aufbrechen und Ankommen“. Der Vortrag findet am 1. Oktober 2019 in der VHS Gelsenkirchen, Raum 205, statt. Der Eintritt beträgt 5 €, Inhaberinnen und Inhaber einer „Musik-erzählt-Karte“ haben freien Eintritt.
Seit 2015 leitet der Gelsenkirchener Michael Em Walter im Auftrag des Kulturraums „die flora“ die Musik-erzählt-Reihe. Er ist als freier Komponist tätig und führt Aufträge für Orchester (u. a.: Bottroper Kammerorchester, Sinfonia NRW, Universitätsorchester Dortmund, Sinfonietta Krefeld) und Ensembles (z. B. Duo Jost Costa, Omega Trio) aus. Seine Projekte, darunter auch Musik für Schauspiel und Kindertheater, wurden von der Stadt Gelsenkirchen, dem Kultursekretariat Wuppertal und dem Land NRW unterstützt. 2019 ist er mit Werken z. B. in Dijon, Kapstadt, Braga und Yokohama vertreten.
Karten und Reservierung
Die Konzerte beginnen jeweils um 17 Uhr, Einlass ist ab 16:30 Uhr. Der Eintritt beträgt 14 €, ermäßigt 10 € (Ermäßigung für Schüler/innen, Studierende, Auszubildende, GE-Passinhaber/-innen, Ehrenamtskarteninhaber/-innen; Begleitpersonen von Schwerbehinderten haben freien Eintritt). Vorverkauf: Stadt- und Tourist-Info im Hans-Sachs-Haus; Kartenreservierung und Info: +49 (209) 169-9105.