22. März 2018, 08:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
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Ein bisschen versteckt hinter denkmalgeschützten Backsteinmauern liegt an der Hauptstraße in Gelsenkirchen der Straßenbahnbetrieb mit Betriebswerkstatt der BOGESTRA. Hier und an der Engelsburg in Bochum starten und beenden die Bahnen nicht nur ihre Fahrten, sondern werden auch fit für den täglichen Dienst gehalten. Die große Wagenhalle an der Hauptstraße bietet Platz für 34 Variobahnen - jede rund 30 Meter lang- sowie die Oldtimer-Bahnen der Verkehrshistorischen Arbeitsgemeinschaft BOGESTRA e.V..
Zum regelmäßigen Pflegeprogramm der Variobahnen gehören die tägliche Reinigung des Innenraums und alle zwei Tage die Außenreinigung in der Waschstraße. Diese sieht aus wie eine Waschstraße für Autos, nur eben in XXL: Große Bürsten, Wasser und Reinigungsmittel bringen die Bahnen in wenigen Minuten wieder zum Glänzen. Und das geschieht ökologisch durchdacht: Überwiegend wird Regenwasser verwendet und anschließend das gebrauchte Wasser durch eine spezielle Anlange aufbereitet so dass es wieder verwendet werden kann.
Das Schönmachen ist aber nur ein Teil des Aufenthalts im Gelsenkirchener Straßenbahnbetrieb – viel wichtiger ist natürlich die technische Wartung und Überprüfung. So werden die Bahnen zum Beispiel zweimal pro Woche besandet. Das heißt, die Sandtanks, die alle Bahnen haben, werden aufgefüllt. Der feine Quarzsand sorgt dafür, dass die Reibung zwischen Schiene und Rad erhöht wird und die Bahnen besser bremsen können. Ebenfalls aufgefüllt werden die Tanks für die sogenannte Schienenkopfbenetzung - eine eigene Entwicklung der BOGESTRA, die dafür sorgt, dass die Bahnen geräuschärmer durch enge Kurven gleiten. Dazu wird ein bestimmtes Wassergemisch vor den Rädern auf die Schiene gesprüht. Beide Systeme - Benetzung und Besandung - werden bei der Fahrt automatisch ausgelöst. Sensoren sorgen dafür, dass jeweils die richtigen Mengen an den richtigen Stellen aufgebracht werden.
Sensoren sind es auch, die neben den Fahrerinnen und Fahrern, Defekte registrieren und melden. Die Leitstelle, die über den Fahrbetrieb wacht, weiß dann genau, welche Bahn nach ihrer Rückkehr in den Straßenbahnbetrieb in die Werkstatt muss oder dort einfach auf ihren nächsten Einsatz warten kann. 14 Mitarbeiter in drei Schichten nehmen die Bahnen dann in der Gelsenkirchener Werkstatt in Empfang und sorgen dafür, dass jeder Schaden zeitnah behoben wird. Dafür müssen sie nicht nur in den Bahnen arbeiten, sondern diesen auch von unten oder oben zu Leibe rücken.
So geht es zum Beispiel in die sogenannte Werkstattgrube, wenn es um Räder und Bremsen geht. Von dort unten ist der Blick frei auf den Antrieb: Acht Elektromotoren, die die Bahnen auf eine Höchstgeschwindigkeit von rund 70 Stundenkilometern bringen. Oder die Bremsen, von denen es gleich mehrere gibt: Die generatorische Bremse, bei der die erzeugte elektrische Energie beim Bremsen in die Fahrleitung zurück gespeist wird, Scheibenbremsen, die die Räder an den Haltestellen festhalten und die Magnetschienenbremse. Das sind schwere Elektromagneten, die sich an die Schiene heften können.
Jede Menge Technik gibt es aber auch auf dem Bahndach. Der Stromabnehmer, der den Strom aus der Oberleitung überträgt, einen Stromrichter, der den Strom aus dem Netz so umwandelt, dass er für Klimaanlage, Antrieb und Bordtechnik die richtige Spannung hat. Oder ein sogenannter Bremswiderstand, der die Bremsenergie aufnimmt, wenn diese nicht in das Netz zurück gespeist werden kann.
Auf diese und viele weitere Bauteile werfen die BOGESTRA-Techniker aber nicht nur bei akuten Defekten einen Blick, sondern auch bei den kontinuierlich stattfindenden größeren und kleineren Inspektionen. So wird zum Beispiel regelmäßig danach geschaut, ob die Regenabläufe auf dem Dach frei sind, die Filter der Klimaanlagen in Ordnung sind und die Türen einwandfrei funktionieren. Auch die Funktion der Klappsitze oder der Druck, mit dem der Stromabnehmer gegen die Oberleitung drückt, werden im Rahmen einer Inspektion geprüft.
Die meisten Schäden können von den BOGESTRA-Technikern in Gelsenkirchen selbst behoben werden. Nur wenn es um umfangreichere Reparaturen geht, muss schon mal eine Bahn in die größere Werkstatt nach Bochum überführt werden. Dank vieler verschiedener Experten in den beiden Werkstätten können die meisten Ausbesserungen selbst erledigt werden – von der Polsterung der Sitze bis zur Lackierung der Karosserie. Die BOGESTRA kann sogar die Hauptuntersuchungen -sozusagen den „Bahn-TÜV“- selbst durchführen. Alle 500.000 Kilometer, aber spätestens alle acht Jahre müssen die Bahnen sich dieser Prozedur unterziehen.
Bei (so) guter Pflege, steht einem langen Straßenbahnleben nichts im Weg: Rund 30 Jahre leisten die Bahnen in der Regel ihren Dienst bevor sie ausgemustert und durch neue Fahrzeuge ersetzt werden müssen.
Wer auch mal einen Blick hinter die Kulissen des Straßenbahnbetriebs an der Hauptstraße und des Busbetriebshofes in Ückendorf wagen möchte, kann sich gerne jeder Zeit per E-Mail an besucher@bogestra.de wenden. Die Führungen werden immer in Kombination angeboten: Erst geht es zur Hauptstraße, dann mit einem Shuttle nach Ückendorf und wieder zurück.