19. Januar 2018, 21:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Rede von Oberbürgermeister Frank Baranowski zum Neujahrsempfang der Stadt Gelsenkirchen 2018
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Liebe Gelsenkirchenerinnen und liebe Gelsenkirchener,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich – zum Neujahrsempfang der Stadt Gelsenkirchen 2018! Ich freue mich, dass Sie mit dabei sind, wenn wir uns zu Beginn des neuen Jahres über unsere Stadt austauschen wollen – und das nicht irgendwo, sondern in unserem Musiktheater im Revier, im schönsten Opernhaus weit und breit; das aber eben nicht nur schön ist, sondern weit mehr vorzuweisen hat – zum Beispiel, dass es 2017 erneut von Kritikern zum besten Opernhaus in NRW gewählt wurde!
Seien Sie herzlich willkommen in diesem Haus– Sie alle, ganz gleich, ob Sie heute Abend schon getwittert haben oder Ihr Smartphone gerade erst wieder anstellen. Und sollten Sie womöglich Ihr digitales Gerät an der Garderobe oder gar Zuhause gelassen haben, auch dann soll selbstverständlich gelten: Schön, dass Sie da sind!
Ja, ich bin froh, dass Sie da sind, so viele Frauen und Männer, die sich an so vielen und unterschiedlichen Stellen für Ihre Stadt einsetzen, für unsere Stadt, für unser Gelsenkirchen – in den politischen Gremien von Stadt, Land, Bund und Europa; in Unternehmen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen; in sozialen Initiativen und Verbänden, Gewerkschaften, Kirchen, Religionsgemeinschaften, in Sport und Kultur!
Besonders begrüßen möchte ich die Vertreterinnen und Vertreter der Sponsoren unseres diesjährigen Neujahrsempfanges. Alle drei Unternehmen sind Treiber der Digitalisierung in Gelsenkirchen: Da sind zunächst Haus 12 und Huawei zu nennen; beide sind wichtige Partner unseres dritten Sponsors, des städtischen IT-Dienstleisters GELSEN-NET. Allen drei Unternehmen ein herzliches Dankeschön für die Unterstützung dieses Abends!
Begrüßen möchte ich zudem den Kreis der besten Absolventinnen und Absolventen unserer Schulen, Hochschulen, Berufsausbildungen im vergangenen Jahr. Sie alle haben Ihre Ausbildung mit der Bestnote abgeschlossen, wozu ich Ihnen nochmals ganz herzlich gratuliere! Und wenn Ihnen, meine Damen und Herren, das einen Applaus wert ist, dann richten sie ihn gerne an unsere Gäste im ersten Rang!
Digitalisierung muss gestaltet werden. Auch kommunal.
Möglicherweise werden nun gerade Sie, unsere jüngsten Gäste, jetzt denken: Ja, so ein Neujahrsempfang, das hat schon was – aber warum zu dem Thema? Gibt es denn ein Leben ohne digitale Geräte, ohne Smartphone und Facebook? Digitale Vernetzung ist doch Realität, ist Alltag, ist nicht wegzudenken. Darüber zu reden, das ist doch wie übers Wetter zu reden!
Mag sein, dass Sie da Recht haben. Aber ich finde: Es kann sich auch lohnen, mal über das Wetter zu sprechen. Zum Beispiel wenn sich das Klima wandelt. Und mit der Digitalisierung vollzieht sich in der Tat ein großer Wandel. Wir sind Zeugen einer Veränderung, die revolutionär ist, die man in ihrer Bedeutung vergleichen kann mit der industriellen Revolution des Kohle- und Stahlzeitalters. In einer solchen Situation einmal innezuhalten und sich darüber zu verständigen, welchen Einfluss das auf unser Leben und auf unsere Stadt haben kann und soll – ich meine: Das kann nicht ganz falsch sein.
Denn es ist ja kein Schicksal, wie das geschieht. In dieser Welt kommt es – das ist meine Überzeugung, nach wie vor – auf unsere Entscheidungen an. Digitalisierung muss und kann gestaltet werden. Und wie wir das am besten tun, wie wir in unserem Gemeinwesen unsere Entscheidungen am besten treffen, trotz Bots, trotz vermeintlich allmächtiger Algorithmen, dazu kann uns sicher gleich unser erster Gast mehr sagen. Armin Grunwald ist Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse in Karlsruhe und leitet auch das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag – seien Sie ganz herzlich willkommen, Herr Professor Grunwald! Und auch unseren zweiten Gast möchte ich ebenfalls begrüßen, den Vorsitzenden des Bundesverbandes Breitbandkommunikation: herzlich willkommen, Herr Dr. Albers!
Ja, meine Damen und Herren: Wir wollen heute schauen, wie sich unsere Stadt in der Digitalisierung aufstellen kann. Was der Stand der Dinge ist, was möglich ist – und das mit aller Bescheidenheit, denn im Besitz einer Glaskugel ist bekanntlich niemand unter uns. Die Zukunft ist offen. Aber das heißt eben auch: Sie wartet darauf, von uns gestaltet zu werden. Und genau das macht es so spannend.
Klar ist zu Beginn des Jahres 2018 allerdings eins: Für unsere Heimatstadt werden sich neue Türen und erhebliche Chancen öffnen, und das schon in diesem Jahr. Aus einem einfachen Grund: Weil wir früh damit begonnen haben, das Thema Digitalisierung als ein strategisches zu betrachten. Weil wir schon länger in der Digitalisierung die Chance wahrnehmen, nicht nur einen weiteren Entwicklungsschritt zu nehmen, sondern gleich mehrere.
Gelsenkirchen, eine strukturstarke Stadt.
Darum haben wir nicht auf einen großen Telekommunikations-Konzern gewartet, der uns schnelles Internet bringt, sondern es selbst in die Hand genommen. GELSEN-NET hat das Glasfaser-Netz in Gelsenkirchen zügig und entschlossen ausgebaut, dass die meisten Gelsenkirchener Zugang zu schnellem Internet haben. Und wie es eben im Film anklang, so ist das auch: Keine zweite Stadt im Ruhrgebiet hat eine solche Infrastruktur. Überhaupt haben bislang nur sehr, sehr wenige Großstädte in Deutschland einen vergleichbaren Glasfaser-Ausbau hingelegt, von den kleineren Städten kaum eine. Und der ländliche Raum hinkt, wie Sie wissen, deutlich hinterher. Erkundigen Sie sich doch mal bei Freunden und Bekannten im Münsterland, wie lange da ein Daten-Transfer dauern kann!
Wir haben in Gelsenkirchen aufs Gaspedal gedrückt, weil wir von Anfang an vorn dabei sein wollen. Weil für mich eines ganz klar ist: Gelsenkirchen mag eine Stadt mit strukturellen Problemen sein, mit strukturwandelbedingten Problemen – aber gerade deshalb darf unsere Stadt keine Stadt mit schwacher Infrastruktur sein! Natürlich haben auch wir noch Ecken, an denen wir an der digitalen Infrastruktur arbeiten müssen. Das wissen wir. Aber das gehen wir auch an!
Wir arbeiten weiter und beharrlich an unserer digitalen Infrastruktur, überhaupt an Strukturen, die langfristig tragfähig, die zukunftsfähig sind. Sie kennen das Muster aus dem Thema Bildung und Kinderbetreuung, das gilt auch hier: Wir starten nicht mit der Ernte, mit dem Verkaufen, dem Marketing. Man braucht zunächst eine Grundlage. Und weil wir das genauso gehalten haben, dürfen wir jetzt sagen: Gelsenkirchen ist, was die Digitalisierung anbelangt, eine strukturstarke Stadt!
Vielleicht wäre es ein bisschen viel gesagt, wenn ich behaupten würde: Das spricht sich herum. Doch hier ansässige Unternehmer wissen sehr genau, was sie an dieser digitalen Infrastruktur haben. Das höre ich immer wieder, von Lars Baumgürtel von Voigt und Schweitzer etwa, oder von Markus Wild, dem Gründer und Inhaber von Wilddesign.
Auch für Unternehmen, die sich verändern wollen oder müssen, ist diese Infrastruktur ein Argument. 2017 haben sich Industrie-Unternehmen wie Bleistahl, Bilstein oder Pilkington zur Ansiedlung in Gelsenkirchen entschlossen, ein Digitalunternehmen wie Tensquare hat seinen Betrieb hierher verlagert, eine Ingenieurgesellschaft wie Müller BBM baut ihren Standort im Nordsternpark aus. Allein die Top Ten der größten Ansiedlungen und Verlagerungen 2017 wird ein Volumen von mindestens eintausend Arbeitsplätzen haben. Addieren Sie diese Zahl mal zu den 4.500 sozialversicherungspflichtigen Stellen, die zwischen 2013 und 2016 dazugekommen sind – dann muss man sagen: Das ist einfach eine sehr erfreuliche Entwicklung, die wir hier erleben!
Diese gute Position wollen wir natürlich bewahren, und das heißt: Wir müssen sie stärken und ausbauen. Deshalb passt es ganz wunderbar, dass vor einer Woche Gelsenkirchen offiziell vom Landeswirtschafts- und Digitalisierungsminister zur „Digitalen Modellstadt“ in Nordrhein-Westfalen erklärt wurde. Bei uns und in vier anderen Kommunen werden in den nächsten drei Jahren Blaupausen entwickelt, die dann auf ganz NRW übertragen werden sollen. 91 Millionen Euro stellt das Land den Modellkommunen zur Verfügung. Gelsenkirchen soll die Stadt werden, in der als erste der neue Mobilfunkstandard der 5. Generation angewendet wird. Dieser superschnelle Mobilfunkstandard wird das Rückgrat der digitalen Vernetzung der Zukunft. Und unsere exzellente Glasfaserinfrastruktur ist die Voraussetzung, ihn möglichst schnell zu realisieren. Mit namhaften Partnern, mit Unternehmen wie Telefonicá und Huawei arbeiten wir 2018 daran.
Konkret heißt das: In Gelsenkirchen können bald auch sehr große Datenvolumen mobil übertragen werden, früher als andernorts. Deshalb können Unternehmen und Forschungseinrichtungen hier bei uns neue Anwendungen des „Internets der Dinge“ entwickeln. Gelsenkirchen wird zu einem Labor der Zukunft. Und wenn dann durch 5G Innovationen auch neue Geschäftsmodelle möglich werden, dann sind wir nicht diejenigen, die strukturwandelbedingt hinterherhecheln – sondern dann sind wir von Anfang an mit im Spiel!
Das wird man in den Fabriken sehen, das wird sich im Gesundheitswesen zeigen, bei der Übermittlung von Untersuchungsergebnissen, Röntgen- oder MRT-Bildern – und auch im öffentlichen Raum, bei der Verkehrssteuerung beispielsweise. Selbst wenn die Situation auf der Kurt-Schumacher-Straße trotz Sperrung der Uferstraße im Moment noch ganz okay ist, so haben wir doch alle die Hoffnung, dass es einmal mehr sein wird als das, als „ganz okay“. Dass der Verkehr zwischen Stadtnorden und Stadtsüden einmal flüssiger läuft, nicht nur nachts und frühmorgens. Mit 5G werden bei der Steuerung des Verkehrs neue Lösungen möglich – und diese Perspektive, das ist doch ein guter Start ins Jahr 2018!
Gelsenkirchen, die vernetzte Stadt
Meine Damen und Herren,
wir sind – dank Glasfaser, dank 5G, dank der Partnerschaft mit starken Unternehmen – in Gelsenkirchen auf dem besten Weg, in den nächsten Jahren das zu werden, was derzeit alle Städte werden wollen: eine Smart City. Aber so schön das ist, so modern das alles klingt – ich muss Ihnen doch sagen: Für uns spielt dieser Begriff keine zentrale Rolle. Wir haben zwar nichts dagegen, smart zu sein. Aber letztlich wollen wir etwas Anderes.
Wir betrachten – und das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt –, wir betrachten die Digitalisierung nicht als Selbstzweck, als das, mit dem sich jetzt alle beschäftigen, wo man deshalb mitmuss, weil es eine Frage des Prestiges ist, ein paar schicke technische Anwendungen zu sammeln.
Nein, wir gehen anders daran. Wir wollen die Digitalisierung und die neuen Möglichkeiten und Methoden gezielt nutzen, um unsere Stadt weiter voranzubringen – um eine kluge, soziale und partizipative Stadtentwicklung voranzutreiben. Wir wollen sie nutzen, um bei dem, was wir ohnehin machen, noch etwas besser, präziser, erfolgreicher zu werden. Vor allem wollen wir sie nutzen, um Menschen zu stärken, um Verbindung zu schaffen oder zu intensivieren zwischen Bürgerinnen und Bürgern, zwischen Unternehmen, Vereinen und Verbänden, zwischen Forschung und Bildung, kulturellen und sozialen Einrichtungen. Die Einrichtungen, die Sie vertreten.
Wir wollen diese Stadt besser vernetzen, nicht nur auf technischer Ebene. Und darum sprechen wir eben nicht von der Smart City Gelsenkirchen, sondern von der Vernetzten Stadt Gelsenkirchen! Und dafür, wie Stadtpolitik und Stadtverwaltung diese Mittel schon jetzt nutzen und wie wir die vernetzte Stadt gestalten, möchte ich Ihnen nun gerne ein paar Beispiele nennen.
Integration und Teilhabe in der vernetzten Stadt
Das erste Beispiel wird Sie vielleicht ein bisschen wundern, jedenfalls dann, wenn Sie nicht kurz am Stand des Quartiers-Netzes stehen geblieben sind. Für alle, die das nicht getan haben: Das Quartiers-Netz ist ein Forschungsprojekt, bei dem es darum geht, technische Hilfen für älter werdende Menschen zu entwickeln. Durchgeführt wird es von unserem Generationennetzwerk, von Forschern der FH Dortmund mit intensiver Beteiligung von Frauen und Männer aus Hüllen, Schaffrath, Buer und Schalke. Dabei entsteht gerade eine einfach zu nutzende Fernbedienung für Haushaltsgeräte, es entstehen Info-Plattformen für die vier Quartiere – und das sind nur erste Beispiele.
Wenn es Sie genauer interessiert, was da alles entwickelt wird, informieren Sie sich gerne am Stand oder im Netz. Für mich ist an dieser Stelle aber ein Punkt entscheidend: Wir nutzen hier die Digitalisierung, um Menschen im Alltag zu helfen, um ihnen ein möglichst eigenständiges und gutes Leben zu gestatten – und zwar Menschen, die den Umgang mit Computern nicht von klein auf gelernt haben, die also keine Digital Natives sind, keine Nerds, keine Early Adopters. Frauen und Männer, für die eine smarte Anwendung kein „Nice to have“ ist, keine Spielerei – sondern etwas, das einen echten Unterschied macht, das Lebensqualität schenkt und gesellschaftliche Teilhabe sichert. Genau deshalb finde ich dieses Projekt so reizvoll: Es macht deutlich, dass es in Gelsenkirchen keine Generationenfrage sein soll und sein wird, wer von der Digitalisierung profitiert! Der Anspruch auf eine integrative Stadt, der soll in der vernetzten Stadt erst recht gelten!
Bildung in der vernetzten Stadt
Im Unterschied zu diesem ersten Beispiel wird Sie, meine Damen und Herren, das zweite vermutlich nicht erstaunen. Es ist ja nicht ganz neu, dass wir in Gelsenkirchen auf Bildung setzen. Und natürlich nutzen wir auch dazu alle Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet. Sie haben vorhin in dem kurzen Film einen Eindruck davon bekommen, wie das aussehen kann. Und ich muss Ihnen sagen: Wenn man es direkt im Klassenzimmer selbst erlebt, packt einen das noch mehr. Es ist einfach großartig zu sehen, wie selbstverständlich, wie leicht und spielerisch die Kinder mit den Whiteboards umgehen! So, denkt man, muss Schule sein!
Und fast kann man da neidisch sein. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch daran, wie das zu Ihrer Schulzeit war, wenn Sie an der Tafel standen, die Klasse im Rücken, die quietschende Kreide im Ohr. Oder Sie erinnern sich an den Overhead-Projektor mit den eingestaubten Folien und den immer ausgetrockneten Stiften. Und Filme konnte man nur einmal im Jahr sehen, kurz vor Weihnachten, dafür musste aber die ganze Klasse den Raum wechseln.
So war das mal, in der Kreidezeit. Nun soll das anders werden, im ganzen Land. Die Landesregierung sagt ja: Die Schulen in NRW ans schnelle Netz zu bringen, was die Voraussetzung für die Whiteboards ist, das sei eine Mammutaufgabe. So kann man das sehen. Aber ein bisschen wundere ich mich da schon. Denn wir in Gelsenkirchen haben das längst: Jede einzelne Gelsenkirchener Schule, jede Grundschule, jede Real- und Gesamtschule und auch jedes Gymnasium ist bei uns ans Glasfasernetz angeschlossen! Alle Schulen, die es wollen, werden mit Whiteboards ausgestattet. Und ich kann Ihnen sagen, warum wir das so vorangetrieben haben: Weil bei uns jedes Kind die bestmöglichen Voraussetzungen zum Lernen vorfinden soll. Weil uns jedes Kind diesen Aufwand wert ist. Und weil ich weiterhin davon ausgehe, dass Bildung – bei allen Schwierigkeiten, bei allen Belastungen in den Schulen – dass Bildung die beste Stadtentwicklungspolitik für Gelsenkirchen ist! Und deswegen ist in Gelsenkirchen das Ende der Kreidezeit eingeläutet – mit Gigabit-Geschwindigkeit!
Free WiFi – öffentliche Räume in der vernetzten Stadt
Vom dritten Beispiel, das ich Ihnen nennen will, haben Sie vermutlich schon alle profitiert – oder nicht? Wir bieten in Gelsenkirchen an über 260 Stellen freies WLAN an, in der ZOOM Erlebniswelt und der Arena auf Schalke schon länger, aber auch in den Innenstädten, in Buer und der City, entlang der gesamten Bahnhofstraße, im Hans-Sachs-Haus – und an mindestens 255 anderen Orten ebenfalls. Wir haben in Gelsenkirchen die größte Hotspot-Meile des Ruhrgebiets. Wir haben ein kostenloses Angebot geschaffen für Menschen im öffentlichen Raum – für jeden, nicht nur für die, die dafür zahlen können. Damit erreichen wir zweierlei: Wir vernetzen Menschen – und stärken zugleich den öffentlichen Raum. Den Raum, in dem sich Menschen begegnen können.
Auch da zeigt sich eine gewisse Kontinuität, denn der Einsatz für Begegnungsräume ist schon lange eine Konstante unserer Arbeit. In jedem Stadterneuerungsprojekt geht es genau darum: Räume zu schaffen, wo sich Menschen treffen können, wo sie plaudern, sich austauschen oder überhaupt erst kennen lernen können. Jeder Stadtteil braucht solche Orte – und Innenstädte erst recht. Und bei diesem Stichwort möchte ich Sie gerne darauf hinweisen, was nicht weit von hier geschehen ist – wie sich der Heinrich-König-Platz in den vergangenen Jahren verändert hat!
Ich kann mich noch erinnern, dass ich hier an dieser Stelle, zu diesem Anlass vor ein paar Jahren angekündigt habe, dass wir den Heinrich-König-Platz neu gestalten wollen. Und ich weiß noch, dass ich schon gleich im Foyer die ersten Reaktionen bekommen habe. Ach, Herr Baranowski, das bringt doch nichts. So richtig schön wird das hier in der City eh nicht. Und auch nicht so richtig lebendig.
Das war die Resonanz. Und nun? Nun müssen wir wohl sagen: Von wegen! Der Heinrich-König-Platz, oder: der „Heinrich“, wie er manchmal genannt wird, ist zu einem echten Treffpunkt geworden, zu einem Ort, wo immer mehr Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener mittwochs beim Feierabendmarkt unter freiem Himmel den Tag ausklingen lassen. Und in Buer an der Domplatte erleben wir am Donnerstagabend das Gleiche. Beide Märkte sind gute Beispiele dafür, wie Innenstädte gestärkt werden können. Und ich wage zu prophezeien: So etwas kann auch an anderen Stellen gelingen. Wer weiß, vielleicht kommt auch noch in wenigen Jahren der Moment, wo Sie nach dem Besuch von einer Veranstaltung in Heilig Kreuz abends auf der Bochumer Straße noch in ein Restaurant gehen?
Natürlich: Dafür braucht es noch ein bisschen Phantasie. Aber gerade jetzt, in diesen Jahren, in Zeiten, in denen so viele unerwartete Dinge möglich werden – Veränderungen, die eben nicht dem linearen Pfad folgen – wäre es da nicht falsch, keine Phantasie zu haben?
Open Data: Schlummernde Produktivkräfte in der vernetzten Stadt
Mit dem vierten und letzten Beispiel, das ich nennen möchte, gelangen wir schließlich zum Kern dessen, was Digitalisierung ausmacht – der Umgang mit Daten. Die Stadtverwaltung verfügt über zahlreiche Daten, von denen ein gewisser Teil personenbezogen ist und zu Recht strengen Datenschutz-Vorschriften unterliegt. Damit gehen wir sehr sorgsam um, da müssen Sie keine Sorge haben.
Aber es gibt auch die anderen, die nicht personenbezogen, die nicht dem gesetzlichen Schutz unterliegen – Daten wie etwa die Zahl der Park-, Schul-, Spiel- oder Pflegeheimplätze. Oder Daten, die nicht sehr gewichtig, aber doch irgendwie interessant sind. Etwa die Angabe, wie viele große Kastanienbäume es in Gelsenkirchen gibt. Haben Sie eine Idee?
Nun, im öffentlichen Raum sind es 1.340. Und das können Sie nachschauen, denn die Stadt hat Datensätze wie das Baumkataster im vergangenen Jahr offengelegt. Unser Open-Data-Angebot ist eine Einladung an alle Interessierte, an Daten-Experten und Programmierer, aus diesem schlummernden Rohstoff etwas zu machen, Anwendungen und Apps zu entwickeln. Erste Ergebnisse wird es schon in diesem Jahr geben. Und auch da gilt: Wer weiß, was alles möglich ist? Vergessen wir nicht, was für einen enormen Tüftler-Geist wir hier im Ruhrgebiet haben!
Klar ist aber auch: Wir läuten damit eine Art Kulturwandel ein. Wir nehmen einen ersten Schritt hin zu einer neuen Kultur der Offenheit und Transparenz. Das allerdings, da wiederhole ich mich gerne, mit nicht-personenbezogenen und anonymisierten Daten, ganz im Unterschied zu dem, womit Facebook, Amazon und Co arbeiten. Und natürlich wollen wir diese Daten auch von der Verwaltungsseite aus gut nutzen. Wir arbeiten schon an mehreren Anwendungen, die wir nach und nach vorstellen werden.
Gutes Zusammenleben in digitalen Zeiten
Meine Damen und Herren,
es ist ganz und gar unstrittig: Die Digitalisierung hat unser Leben erfasst. Und sie durchdringt so ziemlich alle gesellschaftlichen Handlungsfelder: Die Art, wie wir zusammenleben und Solidarität in unserer Stadtgesellschaft sichern; wie wir die Bildungswege unserer Kinder gestalten; wie wir öffentliche Räume nutzen; aber auch wie wir Produktivkräfte entfalten und neue Beschäftigung schaffen.
Die Vernetzte Stadt ist unsere Antwort darauf. In der Vernetzten Stadt nimmt die Stadtverwaltung ihre Rolle als Ermöglicher, Impulsgeber und Dienstleister ein, unter anderem – aber nicht nur – mit den Projekten, die ich gerade skizziert habe. Aber in der Vernetzten Stadt – und genau das soll der Begriff zum Ausdruck bringen –, in der Vernetzten Stadt kommt es nicht nur auf die Stadtpolitik und Stadtverwaltung an. Es kommt auf uns alle an. Die Zukunft unserer Stadt hängt von uns allen ab, von unseren Entscheidungen. Egal in welchem Lebensbereich. Selbst von unseren kleinen, alltäglichen Konsumentscheidungen. Ich kann dem schönen Slogan des Buchhandels sehr viel abgewinnen, der da lautet: „Sie müssen nicht bis zum Amazonas reisen, wenn es Bücher auch um die Ecke gibt!“
In der Tat: Wenn Sie im Fachhandel in ihrer Stadt kaufen, unterstützen Sie Ihre Nachbarn. Das ist kein Statement gegen ein digitales Angebot, sondern eines dafür, sich bewusst zu entscheiden und bewusst abzuwägen. Genauso verhält es sich mit unseren Entscheidungen, sich zu engagieren. Die Vielzahl an schon bestehenden digitalen Angeboten und Ablenkungsmöglichkeiten ist kein Grund, das nicht zu tun, denn der digitale Raum bietet auch genügend Möglichkeiten zu neuen Formen des gesellschaftlichen Engagements. Den Gelsenkirchener Ehrenamtspreis 2017 beispielsweise hat eine Online-Beratung von jungen Menschen für junge Menschen in schwierigen Lebenslagen gewonnen.
Zugleich kommt das Vernetzen herkömmlicher Art nicht aus der Mode. Es verliert nicht seine Kraft, seine Berechtigung. Ich denke da an eine junge Initiative wie „Warm durch die Nacht“, die wohnungslosen Menschen hilft, nur ein Beispiel von vielen, eine Initiative, die genauso vernetzt ist wie zahlreiche andere aktive und ehrenamtlich Tätige in unserer Stadt. Denn vernetzt sein, das heißt eben nicht nur Internet-Zugang zu haben, das heißt nicht nur Netz zu haben. Das heißt viel mehr.
Für mich heißt vernetzt sein zuallererst Teil eines Gemeinwesens zu sein, bewusst Teil eines Gemeinwesens zu sein, sich in einem öffentlichen Raum zu bewegen, sich mit anderen auszutauschen – und dann auch Verantwortung für dieses Gemeinwesen zu übernehmen!
Sie alle tun das in unserer Stadt, viele von Ihnen schon seit Jahren, manche noch recht frisch – aber ich bin für beides dankbar. Und nun freue ich mich, mit Ihnen auch 2018 das Leben in unserer Stadt zu gestalten. Ihnen allen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2018 – und der vernetzten Stadt Gelsenkirchen ein herzliches Glückauf!