31. August 2017, 17:58 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Rede von Oberbürgermeister Frank Baranowski zur Einbringung des Haushaltes 2018
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Meine sehr geehrten Damen und Herren im Publikum,
meine sehr geehrten Damen und Herren Stadtverordnete,
diese erste Ratssitzung nach der Sommerpause hat, wie stets, eine sehr kurze Tagesordnung. Den Grund kennen Sie: Von heute an sind es nur noch vier Monate bis zum nächsten Jahr – und somit ist es an der Zeit, den nächsten Haushalt in den Blick zu nehmen. Es ist an der Zeit, Zukunft zu entwerfen, Planungssicherheit zu schaffen für die Verwaltung und ihre Partner im Jahr 2018.
Noch vier Monate – das mag einem lang oder nicht mehr lang vorkommen, ist aber doch ein Zeitraum mit Unwägbarkeiten. Ob wir umfangreiche Gewerbesteuer-Nachzahlungen erhalten oder womöglich Rückerstattungen leisten müssen, ob und wie viele Flüchtlinge zugewiesen werden, wie sich Zinsen und Sozialkosten entwickeln, welche Kosten das Land übernimmt oder den Kommunen überträgt – das lässt sich kaum Monate im Voraus kalkulieren.
Genauso klar ist jedoch die andere Seite: Wir haben sehr wohl Handlungsmöglichkeiten. Wir haben Spielräume, die wir ausnutzen wollen – und die wir ausnutzen werden. Mit dem Haushalt, den wir Ihnen heute vorlegen, setzen wir uns erneut ehrgeizige Ziele. So, wie wir in der Vergangenheit Akzente in unserer Stadt gesetzt haben, werden wir das auch 2018 tun.
Wir werden auch 2018 unser großes Gelsenkirchener Erneuerungsprogramm fortschreiben; wir werden in Menschen und Strukturen investieren, wir werden eine dynamische wie solidarische Stadtgesellschaft unterstützen. Kurz: Wir werden die Potenziale unserer Stadt weiter vergrößern und stärker zur Geltung bringen!
Ein Haushalt ohne neue Schulden
Das ist die große Linie, das ist das übergeordnete Ziel dieses Haushaltsentwurfes. Ehe ich aber etwas zu den nächsten Schritten unseres Erneuerungsprogramms sage, ehe wir der großen Linie in die einzelnen Handlungsfelder folgen, will ich zuvor noch den Blick auf das Zahlenwerk dieses Haushalts lenken. Denn es ist ja so, dass wir für 2018 einen besonderen Haushalt planen. Wir planen, wenn Sie so wollen, einen historischen Haushalt.
Oder kann sich hier im Saal jemand erinnern, wann wir in Gelsenkirchen zuletzt einen Etat ganz ohne neue Schulden auf den Weg gebracht haben?
Über Jahrzehnte hinweg hatten wir Defizite – Jahr für Jahr für Jahr. Allerdings haben wir diese in den letzten Jahren verringert, von 163 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 133 Millionen in 2011; von 70 Millionen in 2015 auf jene 26 Millionen, die wir für das noch laufende Jahr eingestellt haben. Und nun, vier Monate vor dem Jahr 2018, stehen wir vor dem spannenden Schritt, auf den wir so lange hingewirkt und hingearbeitet haben, für den wir auch so viele Opfer erbracht haben. Ja, tatsächlich: Wir planen den ersten ausgeglichenen Haushalt in Gelsenkirchen seit 24 Jahren.
Und wenn wir über die Boom-Jahre unmittelbar nach der Deutschen Einheit hinwegsehen, dann kann dies sogar der erste Haushalt ohne neue Schulden seit 1982 sein!
Wenn das so kommt – was trotz aller Unwägbarkeiten sehr wahrscheinlich ist –, dann ist das eine enorme Leistung. Es ist umso mehr eine enorme Leistung, weil wir sie widrigen Verhältnissen abgetrotzt haben. Wir haben einen Preis dafür gezahlt und zahlen ihn auch in Zukunft, nicht zuletzt in Gestalt einer teilweise arg dünn gewordenen Personaldecke in der Verwaltung. Und dennoch: Allein diese Perspektive geschaffen zu haben, ist ein Erfolg! Es ist ein starkes Symbol dafür, wie viel uns in Gelsenkirchen unsere finanzielle Handlungsstärke wert ist!
An dieser Stelle möchte ich deshalb gerne meinen ganz herzlichen Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konzern Stadt aussprechen, die das ermöglicht haben! Und danken möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kämmerei für die Aufstellung dieses Haushaltes, was wie stets ein großes Stück Arbeit war!
Die entscheidende Rolle des Stärkungspaktes
Meine Damen und Herren,
bei der Reduzierung des Defizits gab es einen entscheidenden Partner. Wir alle wissen: Möglich war das nur durch die massive Unterstützung des Landes. Ich habe stets gesagt: Unser Haushaltsproblem muss zunächst von der Einnahmenseite aus angegangen werden. Die frühere Landesregierung hat das mit dem Stärkungspakt getan.
Für das laufende Haushaltsjahr haben wir rund 30 Millionen vom Land erhalten und ebenso viel werden wir auch im nächsten Jahr verbuchen können. Dieses Commitment für handlungsfähige Städte ist alles andere selbstverständlich. Diesem Engagement verdanken wir, dass Stadtpolitik in NRW derzeit dem wieder näher kommt, was mit „kommunaler Selbstverwaltung“ gemeint ist!
Ich hoffe nun sehr, dass wir in diesem Geist weitermachen können. Nachdem wir uns über viele Jahre für dieses Ziel ins Zeug gelegt haben, nachdem wir uns gestreckt und nochmals langgemacht haben – nach all diesem Aufwand wäre es mehr als bitter, wenn uns auf der Zielgeraden noch Knüppel zwischen die Beine geworfen würden!
Und darum erwarte ich von denen, die dieser neuen Landesregierung nahestehen, dass Sie sich ihrer neuen Verantwortung für ihre Stadt bewusst sind. Ich erwarte von ihnen, dass sie sich nun für eine vernünftige Finanzierung der wichtigen stadtpolitischen Aufgaben in ihrer Heimat einsetzen!
Und an die Landesregierung gerichtet möchte ich sagen: Nehmen auch Sie Ihre Verantwortung für die Städte wahr! Schauen Sie sich genau an, wo die gesellschaftlichen Herausforderungen liegen, wo die großen Aufgaben zu erfüllen sind, auf die es in unserem Land ankommt – und schauen Sie, dass Sie diejenigen unterstützen, die diese Aufgaben schultern. Ich bin sehr gespannt, ob mir dann jemand ernsthaft erklären will, dass das eher in Dülmen oder Werl geleistet wird als in Bochum, Gelsenkirchen oder Duisburg!
Das Mindeste aber, das ich erwarte, ist, dass die Gelder, die der Bund für die Kommunen gedacht hat, auch hier ankommen, dass die pauschale Kostenerstattung für die Flüchtlingsaufnahme bei uns eintrifft! Erinnern Sie, die einen Bezug zu den Mehrheitsfraktionen im Landtag haben, Ihre Parteikollegen daran, so wie ich Frau Kraft und Herrn Jäger daran erinnert habe!
Förderprogramme helfen nicht überall!
Aber auch der Bund ist gefragt, natürlich. Der scheint ja derzeit, wenn man sich das so anschaut, im Geld zu schwimmen – weil er eine Rekordeinnahme nach der anderen erzielt, dann jedoch mit diesem Geld scheinbar nichts anzufangen weiß. Als Beobachter fragt man sich da schon, ob das eine Folge von mangelnder Einsicht ist – oder doch eher mangelndes Geschick?
Dass in diesen Zeiten über die Erhöhung von Verteidigungsausgaben räsoniert wird, das spricht ja eher dafür, dass es am Gespür für die Realitäten in diesem Land fehlt. Zumindest für die Realitäten außerhalb der Boom-Regionen. Denn die regionalen Disparitäten nehmen ja besorgniserregend zu – was übrigens nicht nur eine Ruhrgebiet-Sichtweise ist, sondern in einer Bertelsmann-Studie zu Sommerbeginn eindrücklich für das ganze Land belegt wurde.
Für mangelndes Geschick spricht hingegen die Form von Förderprogrammen wie den Kommunalinvestitionsförderungsgesetzen 1 und 2. Diese Programme adressieren ja die richtigen Themen – und sind dann doch so konzipiert, dass sie viel Potenzial verschenken. Dass es diesen Bedarf gibt, dass Straßen, öffentliche Gebäude, Schulen und Schultoiletten zu erneuern sind – darüber müssen wir nicht reden.
Das habe ich oft genug eingefordert. Dafür hätten wir in all den Jahren zuvor auch schon gerne Unterstützung in Anspruch genommen. Und da wäre es auch konjunkturpolitisch richtig gewesen.
Jetzt aber stellen wir fest: Es gibt leider klare Limits, wie weit man solche Aufgaben per Förderprogramm abdecken kann. Die Bauverwaltung kommt – nicht nur in Gelsenkirchen – an Kapazitätsgrenzen. Wie soll es auch sonst sein?
Erst sind die Kommunen auf staatlichen Druck hin immer schlanker und schlanker geworden, geleitet – oder besser gesagt fehlgeleitet von der Devise: privat vor Staat. Dann werden ihnen Förderlinien präsentiert, die vor allem eins sind: extrem personalintensiv. Das passt nicht zusammen!
Und deshalb frage ich mich, ob man das wirklich allen Ernstes in Berlin und Düsseldorf ausblenden kann, dass jemand die zu fördernden Projekte konzipieren muss, die Kosten sauber kalkulieren, die Mittel beantragen und abrufen, die einzelnen Leistungen der verschiedenen Gewerke sorgsam ausschreiben, überwachen und gründlich abrechnen, bei strengen Fristen und starrer Mittelbindung, nicht zuletzt auch mit enormen Dokumentationspflichten?
Und als ob das nicht schon komplex genug wäre, kommt noch hinzu, dass wir uns in einer Phase der Hochkonjunktur am Bau befinden, was die Preise in die Höhe treibt und auch die Unternehmen an ihre Grenzen bringt. Ja, meine Damen und Herren: Es ist eine fast schon groteske Situation – nachdem die Städte über Jahre zu wenig Geld hatten, haben sie nun zu wenig Personal.
Zu wenig Personal, um plötzlich zur Verfügung stehendes Geld effektiv zu verwenden.
Diese Schieflage zeigt leider sehr deutlich, dass der Bund das fundamentale Problem der kommunalen Finanzen immer noch nicht verstanden hat. Oder, schlimmer noch:
Dass er sich einfach nicht traut, das grundlegende Problem in unserem staatlichen Gefüge, die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen, endlich einmal anzupacken – und stattdessen halbherzig Geld auf kurze Sicht bereitstellt! Wann aber will er das tun, wenn nicht jetzt?
Investitionen in eine wachsende Stadt
Meine Damen und Herren,
die finanzielle Handlungsfähigkeit der Städte – und insbesondere unserer Stadt – ist ein enorm wichtiges Thema.
Ein Selbstzweck ist sie allerdings nicht. Sie ist ein Mittel dafür, dass wir in unserer Stadt tätig sein können. Dafür, dass wir so investieren und Gelsenkirchen so gestalten können, wie wir es wünschen – und wie es nötig ist.
Und dabei verrate ich kein Geheimnis, wenn ich sage: Dieser Bedarf, der nimmt in Gelsenkirchen gerade zu. Auch weil wieder mehr Menschen in Gelsenkirchen leben. Wir haben in den letzten Jahren ja knapp 10.000 Einwohner gewonnen. Und auch wenn damit neue Aufgaben und auch in Teilen neue Herausforderungen einhergehen, so will ich gerne einmal klarstellen: Für unsere Stadt ist das in der Summe eine sehr willkommene Nachricht!
Es ist diese Perspektive, die den vor Ihnen liegenden Haushaltsentwurf kennzeichnet: Wir wollen und werden in Zukunft investieren!
Deshalb gilt für 2018 dreierlei. Erstens: Wir packen Probleme und Herausforderungen an und machen Chancen sichtbar in unserer Stadt. Zweitens: Wo wir Stärken haben, lassen wir nicht nach. Und drittens kümmern wir uns intensiv um das Kernthema Arbeit!
Schauen wir also die konkreten Investitionen einmal an – und beginnen wir gerne bei einem Lieblingsthema der öffentlichen Debatte. Dass in der gewachsenen Stadt Regeln durchgesetzt werden und gelten müssen, steht völlig außer Frage. Dass dafür manchmal neue Wege nötig sind, auch. Und die gehen wir. Konsequent.
Wir stocken den Kommunalen Ordnungsdienst auf, und zwar nicht zum ersten Mal, sondern schon zum mittlerweile vierten Mal.
Was wir vor inzwischen zehn Jahren mit einer relativ kleinen Gruppe von zunächst sieben Frauen und Männern begonnen haben, das ist inzwischen zu einem Team von 27 Dienstkräften in Uniform angewachsen. Und jetzt starten wir wieder neue Ausbildungsgänge, um bald 35 Frauen und Männern für den KOD auf der Straße zu haben.
Ebenso arbeiten wir daran, den Verkehrsüberwachungsdienst zu verstärken. Wir werden auch hier dafür sorgen, dass die Gewöhnung und Bindung an Normen zunimmt, und zwar mit allem, was unser Instrumentenkasten hergibt. Ich möchte, um nur ein prägnantes Beispiel zu nennen, dass wir dem Parken in der zweiten Reihe den Kampf ansagen!
Zudem haben wir eine wachsame Wohnungsaufsicht, ein gut koordiniertes Interventionsteam und ein klares Beschwerdemanagement. Und das merken die Menschen. Die Bürger merken, dass die Stadt da ist und sich kümmert. Sie merken, dass sich die Stadt für die faktische Sicherheit engagiert, dass sie die gefühlte Sicherheit erhöht hat.
Dieses Feedback bekomme meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich , in vielen Stadtteilen, insbesondere nach den sogenannten Objektprüfungen.
Dieses Feedback bekomme wir bei den Bürgern vor Ort, und genau diese Gespräche möchte ich wirklich allen empfehlen, die so gerne über das Thema Sicherheit lamentieren, ohne sich ernsthaft mit den Gegebenheiten auseinanderzusetzen, ohne Wert zu schätzen, was alles passiert.
Und auch das sei noch einmal gesagt: Für die Sicherheit und die Strafverfolgung ist in letzter Konsequenz die Polizei zuständig. Da haben wir von der Bundes- und Landesregierung große Ankündigungen gehört – und da werden wir sehr genau beobachten, wann sie diesen Worten auch Taten folgen lässt!
Wir packen Probleme und Herausforderungen an
Meine Damen und Herren,
die Menschen in Gelsenkirchen können sich darauf verlassen, dass die Stadt ein gutes Stück über ihre Pflichtaufgaben hinausgeht, um für Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. Dabei verstehen wir unsere Rolle aber nicht nur als Ausputzer, sondern als vorausschauender Akteur. Zur präventiven Politik, wie wir sie verstehen, gehört, dass wir die Eingangstore für entstehende Probleme identifizieren und schließen.
Wir packen das Thema Problemimmobilien systematisch an, wir haben ein Register der entsprechenden Gebäude erstellt und begonnen, sie vom Markt zu nehmen. Und damit machen wir Schritt für Schritt weiter.
Schon jetzt sehen wir, was man mit solch koordiniertem Engagement bewirken kann. Wir sehen, wie sehr wir die Stimmungen in einzelnen Quartieren drehen können, beispielsweise an der Bochumer Straße. Bald wird das noch sehr viel deutlicher. Wir haben rund um die Bochumer Straße gut 30 Gebäude erworben, wir haben zahlreiche Fassaden erneuert und ein erhebliches Maß an Stabilität geschaffen. Inzwischen haben sich dort mehrere Studenten-WGs gegründet, die die Atmosphäre im Viertel bereits jetzt ein gutes Stück verändern.
Und wenn dann noch Heilig Kreuz wieder zu dem offenen Veranstaltungsort mit Ausstrahlungskraft wird, den wir geplant haben und auf den wir uns alle freuen... Ja, da wächst etwas Neues und sehr Spannendes heran, zwischen Heilig Kreuz und Wissenschaftspark, zwischen Justizzentrum, NRW-Talentzentrum und Galeriemeile!
Nicht nachlassen, wo wir Stärken haben
Aber es ist ja nicht nur so, dass wir Herausforderungen anpacken wollen – wir wollen auch unsere Stärken besser zur Geltung bringen. Etwa unsere Stärke, zwei Zentren zu haben, kurze Wege von überall in eine Innenstadt. Hier in der Gelsenkirchener City ist die Veränderungen mit den Händen zu greifen:
Wir haben hier nicht nur das neue Hans-Sachs-Haus, sondern auch den umgestalteten Heinrich-König-Platz, den wir entsprechend bespielen, der zum Schauplatz des Feierabendmarktes im Süden wird – und nach und nach zu einem vitalen Zentrum. Wer hätte denn noch vor wenigen Jahren gedacht, dass sich in der City einmal regelmäßig mehrere hundert Menschen treffen, um gemeinsam und genussvoll den Arbeitstag ausklingen zu lassen?
Auch in Buer lassen wir nicht nach. Nach dem alten Leitplan, nach Domplatte und Kulturmeile, denken wir weiter. Wir geben uns mit dem Erreichten nicht zufrieden, wir arbeiten an weiteren Veränderungen, mit möglichst vielen Ideen der Anwohner, der Gewerbetreibenden und Gastronomen, die alle in das 2018 zu erstellende Integrierte Entwicklungskonzept einfließen sollen.
Und eine Neuheit steht schon jetzt fest: Wir werden auch hier ein City-Management schaffen. Ja, Sie haben richtig gehört: Wir wollen Geld aus dem städtischen Haushalt in die Hand nehmen, um die Entwicklung in der Bueraner Innenstadt auch personell zu unterstützen, wie wir das im Stadtsüden tun. Wir erwarten allerdings auch, dass sich unsere Partner, die Gewerbetriebenden, Händler, Immobilieneigentümer ebenfalls beteiligen.
Dass 2018 der neue Zentrale Omnibusbahnhof fertig sein wird, das wissen Sie ja schon. Dafür öffnen sich an anderer Stelle neue Baustellen: Im Stadterneuerungsgebiet Rotthausen werden 2018 erste Projekte in Angriff genommen – und auch in der Neustadt. Dort können Sie zudem erkennen, dass wir Stadterneuerung auch anders praktizieren wollen als bisher.
Wir agieren an einem Ort, wo wir akuten Bedarf sehen, wo wir präziser und schneller sein wollen als bei einem klassischen Stadterneuerungsgebiet. Und wir leiten alles in die Wege, um eine Neunutzung zu sichern für das Volkshaus Rotthausen. Im Klartext: Nach dem Hans-Sachs-Haus und nach Heilig Kreuz planen wir ein weiteres, ein drittes historisch und baukulturell exponiertes Gebäude zurück ins städtische Leben holen!
Nicht zuletzt muss und will ich noch Hassel nennen: Zu Recht freuen sich die Menschen im Norden Gelsenkirchens auf die künftige Parkanlage auf der Fläche der ehemaligen Kokerei. Der Arbeitstitel für diese Anlage lautet zwar noch „Stadtteilpark“, aber es wird doch mehr, es wird eine echte Parklandschaft und – wie etwa Consol Park und Nordsternpark - ein weiteres Musterbeispiel für Strukturwandel in Gelsenkirchen!
Integration hat Gelingens-Bedingungen
Meine Damen und Herren,
wenn wir über die Perspektiven einer wachsenden Stadt sprechen, dann müssen wir selbstverständlich auch über Zuwanderung, Flucht und Integration sprechen. Ja, wir haben die Flüchtlingsaufnahme sehr gut hinbekommen.
Wir haben unseren Anspruch eingelöst, Menschen auch durchweg menschenwürdig unterzubringen – was leider, mit Blick auf andere Kommunen, nicht selbstverständlich war und ist.
In Gelsenkirchen hingegen leben heute bereits 90 Prozent der Flüchtlinge in ganz normalen Mietwohnungen. Sollte es wieder zu Zuweisungen kommen, können wir mit zwei Groß-Aufnahmeeinrichtungen schnell reagieren. Hier sind wir gut aufgestellt.
Und nun wollen wir alles dafür tun, dass uns das bei den nächsten Schritten ähnlich gut gelingt. Da stehen große Aufgaben bevor, wenn ich an die Integration in Schulen und Kitas denke, wenn ich an den Ausbau der Sprachförderung denke. All das wird viel Einsatz verlangen und viel Energie binden.
Und das wird, davon müssen wir jetzt ausgehen, nicht ganz glatt verlaufen.
Es wird eine ähnliche Herausforderung wie die Erstaufnahme – ich vermute sogar, sie wird noch größer – und da hätten wir auch keine Garantie geben können, dass alles gelingt.
Zugleich dürfen wir an dieser Stelle auch sagen: Es ist gut, dass wir ein paar Schritte schon vorher getan haben. Es ist gut, dass wir den Ausbau der frühen Bildung und der Sprachförderung im vergangenen Jahrzehnt so entschlossen vorangetrieben haben.
Nur deshalb sind wir jetzt so gut für die nächsten Schritte gewappnet – so anspruchsvoll sie auch sein mögen!
Meine Damen und Herren,
es bleibt meine Überzeugung: Bildung ist der Schlüssel – der Schlüssel, um jungen Menschen Zugänge zu dieser Gesellschaft zu verschaffen; um ihnen einen Zugang zu Arbeit zu ermöglichen; um sie in die Lage zu versetzen, ihr Leben selbstbestimmt zu führen. Wir stehen weiter in der Pflicht, junge Menschen so zu fördern, dass sie diese Chance haben und auch wahrnehmen. Und, was unmittelbar damit zusammenhängt: Dass sie mit einem möglichst hohen Qualifikationsniveau zu unserer lokalen Wirtschaft beitragen können.
Dafür fördern wir junge Menschen, von Anfang an, durch viele Stationen der Bildungsbiographie hindurch und auch am Übergang in den Beruf.
Wir sind mit vielen Partnern und Programmen dafür tätig, Schülerinnen und Schüler auf die Zeit nach der Schule bestmöglich vorzubereiten: Wir setzen „Kein Abschluss ohne Anschluss“ um, es gibt Projekte mit der IHK und der Handwerkskammer, unsere Schulen arbeiten mit den Talent-Scouts der FH zusammen – und dieses umfangreiche Engagement ergänzen wir nun um ein weiteres Kooperationsprojekt mit dem Arbeitgeberverband: „Kluge Köpfe für Gelsenkirchen“. Um jungen Menschen eine zentrale Anlaufstelle in allen Fragen der beruflichen Orientierung und Entwicklung oder bei bestehender Arbeitslosigkeit bieten zu können, schaffen wir mit dem Haushalt 2018 neben den gerade von mir genannten Initiativen zudem die Bedingungen für eine Jugendberufsagentur.
Prävention ist das Grundprinzip schlechthin unserer Arbeit: Wir wollen alle Talente und alle Potenziale zur Entfaltung bringen! Diesem Ziel dienen auch unsere Anstrengungen beim Thema Beschäftigungssicherung und Ansiedlungen, bei dem wir immer wieder neue Erfolge erzielen. Ich denke da etwa an die 110 neuen Arbeitsplätze, die mit dem neuen Gesundheitszentrum für Wachkoma und Intensivpflege ans Bergmannsheil kommen; an die 50 hierhin zu verlagernden Arbeitsplätze bei der Ingenieursgesellschaft Müller-BBM auf Nordstern, eine Ansiedlung mit Potenzial für 35 weitere hochqualifizierte Stellen. Der Umzug von Amevida an der Kurt-Schumacher-Straße macht den Ausbau von 130 neuen Arbeitsplätzen möglich, das soeben eingeweihte Logistikzentrum von ProReServ erlaubt 35 neue Stellen. Um nur einige Beispiele zu nennen. Und ich kann Ihnen versprechen: Das waren nicht die letzten – beschäftigungsfördernden – Ansiedlungserfolge in diesem Jahr!
Ein Sozialer Arbeitsmarkt ist unverzichtbar
Keine Frage: Wir haben erhebliche Ansiedlungserfolge und verzeichnen seit Jahren einen stetigen Stellenzuwachs. Allerdings muss man auch einräumen, und das ist keine schöne Erkenntnis: Dass sich mit diesem Beschäftigungszuwachs zugleich auch die Arbeitslosenquote senkt – diesen Automatismus gibt es nicht mehr. An diesem statistischen Zusammenhang – beziehungsweise: Nicht-Zusammenhang – kommt man nicht vorbei. Jedenfalls nicht, wenn man ehrlich ist – und so ehrlich sollten wir alle sein. Wir schaffen auch Arbeitsplätze für die Menschen aus den Nachbarstädten. Davon leben wir in dieser Städteregion. Und wir werden deshalb auch nicht bei unserem Engagement für unsere Wirtschaft nachlassen.
Aber uns muss bewusst sein, dass wir mit Wirtschaftspolitik allein nicht jeden Langzeit-Erwerbslosen erreichen. Eben darum ist der Soziale Arbeitsmarkt ja so wichtig.
Wir alle, die den Gelsenkirchener Appell unterstützt haben, haben für den Sozialen Arbeitsmarkt gekämpft und wir werden weiter für ihn kämpfen. Und eigentlich waren wir inzwischen schon so weit, dass wir noch in diesem Jahr 200 Frauen und Männer, die seit langem auf eine neue Perspektive warten, endlich eine hätten bieten können. Wir haben von Gelsenkirchen aus mit viel Anstrengung und Beharrlichkeit ein Landesprojekt zum Sozialen Arbeitsmarkt angestoßen; wir haben ein richtig gutes Konzept auf die Beine gestellt, in Zusammenarbeit mit vielen Partnern in dieser Stadt. Wir haben neue Ideen gesammelt und aufgebracht und den Menschen Hoffnung gemacht – und dann das.
Und dann dieses ärgerliche Hin und Her der neuen Landesregierung: Erst das Signal, dass die bewilligten Gelder tatsächlich zur Verfügung stehen. Dann plötzlich der Entschluss, die Spielregeln mal eben zu ändern: Nö, ein sozialer Arbeitsmarkt ist doch nicht erwünscht…
Lassen Sie es mich deutlich sagen: Das ist einfach ärgerlich! Das ist erstens ein schlechter Umgang mit den kommunalen Partnern, das ist zweitens inhaltlich komplett ignorant, weil es die Gegebenheiten hier vor Ort überhaupt nicht berücksichtigt – vor allem aber ist es für die betroffenen Menschen mehr als bitter! Ich finde: So geht man nicht mit Menschen um!
Nicht der Verantwortung ausweichen
Ehrlich gesagt frage ich mich in dieser Situation, warum nur wir dagegen protestieren – und wie das sein kann, dass andere einfach die Achseln zucken. Dass Verbandsvertreter erst unser Konzept mittragen – und anschließend kurzerhand vorschlagen, im Neuaufschlag den Mindestlohn zu unterlaufen. Wenn man will, kann man sich so aus der Verantwortung stehlen. Ja, das geht. Aber eine Haltung sieht schon anders aus!
Vielleicht dürfen wir uns an dieser Stelle aber auch selbst befragen, ob wir es denn wirklich besser machen. Ob die Zeichen aus der Stadtpolitik zu jeder Zeit klarer und besser sind, ob sie von mehr Haltung und Verantwortung geprägt sind. Ob bei uns das Fordern, Wünschen und Verlangen einigermaßen übereinstimmt mit dem, was wir nach ernsthafter Prüfung für richtig und realistisch halten und auch halten können.
Diese Frage stellt sich mir häufiger. Sie stellt sich etwa, wenn Ratsmitglieder verkünden:
Also ich finde, unsere Stadt braucht soundso viele Schwimmbäder – und das, ohne die Frage in ihrer Komplexität bearbeitet zu haben, offenbar ohne sich nur im Geringsten Gedanken über die Finanzierbarkeit gemacht zu haben. Weder beim Bau, noch beim Betrieb, denn der kostet ja auch Geld. Ein Freibad kostet auch dann Geld, wenn der Sommer verregnet ist.
Einfach zu sagen: Wir wollen alles, egal was es kostet, und egal wo das Geld herkommt! – das ist keine Haltung. Das ist keine Haltung in einer Stadt, in der wir stets jede Ausgabe gründlich bedenken und nochmal überdenken müssen, Jahr für Jahr, weil unsere Haushalte stets auf Kante genäht sind, selbst wenn sie inzwischen wieder etwas freundlicher aussehen.
Dabei gibt es ja einen Grund, warum sie wieder freundlicher aussehen: Weil wir unsere Ausgaben so gründlich überdacht haben!
Ja, meine Damen und Herren: Wir alle in diesem Gremium tragen Verantwortung. Genau dafür sind wir gewählt. Und in der kommunalen Selbstverwaltung kann man nicht trennen: Dies ist die Verantwortung der Verwaltungsspitze, jenes die Aufgabe der Stadtverordneten. Nein, es ist unsere gemeinsame Verantwortung. Wir können nur einen Gelsenkirchener Haushalt für das Jahr 2018 auf den Weg bringen. Und dafür müssen wir zusammenarbeiten, dafür müssen wir unsere Ideen zusammentragen.
Dafür müssen wir debattieren, ganz richtig. Wir dürfen auch streiten, wir dürfen auch ringen – um bessere Konzepte, bessere Ideen, bessere Argumente.
Das ist nicht nur richtig – es ist nötig. Aber das ist etwas anderes, als um des Streites willen zu streiten – wie es hier sehr oft geschieht.
Politik braucht Debatten, und Debatten brauchen Überschriften. Keine Frage. Dennoch bin ich der Auffassung: Man darf nicht nur in Überschriften denken. In einer Stadt wie der unseren, mit ihrer besonderen Struktur, ihren anspruchsvollen Problemlagen, ihren bemerkenswerten Potenzialen – da muss man mehr leisten, als nur zu fordern. Da braucht man ernsthafte, seriöse Analysen, auf die man seine Argumente stützt – um die Debatte wirklich voranzubringen.
Genau dazu möchte ich Sie einladen.
Unsere Stadt braucht konstruktive Beiträge, braucht die gemeinsame Suche nach möglichst guten, aber eben auch möglichst realistischen Ideen und Projekten, sie braucht seriöse Zusammenarbeit – gerade jetzt, in diesen Jahren, an dieser Stelle.
Zu einem Zeitpunkt, da wir schon sehr viele Herausforderungen und Problemlagen bewältigt haben, da wir schon erhebliche Fortschritte bei unserem auf Jahrzehnte angelegten Erneuerungsprogramm erzielt haben; da wir an vielen Punkten wieder ein gutes Stück aus der Defensive herausgekommen sind, demografisch, fiskalisch, konzeptionell – da es aber immer noch genügend Unwägbarkeiten gibt, immer noch mehr als genügend Entscheidungen zu treffen sind, die einen echten und erheblichen Einfluss auf die Zukunft dieser Stadt wie auch ihrer Bürgerinnen und Bürger haben, die einen echten Unterschied machen können.
Gerade jetzt kommt es auf Sie und auf uns an. Da kommt es darauf an, dass wir auch mit dem nächsten Haushalt wieder die richtigen Weichen stellen, in gemeinsamer Verantwortung.
Ich lade Sie alle ein, diese gemeinsame Verantwortung wahrzunehmen – im Sinne unserer Stadt, die unser aller Engagement mehr als verdient hat!
Glück auf!