01. Mai 2017, 12:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Mai-Kundgebung; Neumarkt, 1. Mai 2017
Rede von Oberbürgermeister Frank Baranowski
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Lieber Josef Hülsdünker,
meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
das tut gut! Es tut gut, hier oben zu stehen und diesen Ausblick zu haben. In diesen Tagen, in denen wir so viele unschöne politische Entwicklungen und Aufgeregtheiten erleben – da tut es einfach gut, dass heute so viele Menschen bei uns in Gelsenkirchen zusammenkommen, um ein positives Bekenntnis abzugeben! Dass Ihr hier seid, um für etwas einzustehen. Für mehr statt weniger Rechte. Für Solidarität statt Konfrontation. Für ein besseres Miteinander statt mehr Konkurrenz.
Selbstverständlich ist das ja derzeit nicht. Aktuell passiert es ja immer wieder, an verschiedenen Orten der Welt, dass demokratische Mittel und Ausdrucksformen dafür missbraucht werden, um gegen demokratische Werte Stimmung zu machen. Umso besser, dass das heute – hier in Gelsenkirchen, aber auch in vielen anderen Städten – ganz anders ist! Dass wir hier heute vor allem eines nicht mitmachen: Dass wir nicht denen auf den Leim gehen, die uns einreden wollen, dass die Rechte von Arbeitnehmern am besten durchgesetzt werden durch die Verweigerung von Rechten für andere Bevölkerungsgruppen. Die im Namen der Arbeitnehmer Fremdenfeindlichkeit, Hass, soziale Spaltung und nationalistische Konzepte durchsetzen wollen. Dass das mit uns nicht zu machen ist, dieses starke Signal geht heute von Euch allen hier in Gelsenkirchen aus!
Aber der Trend ist da. Weltweit haben einfache Lösungen, populistische Konzepte und autoritäre Bedürfnisse Hochkonjunktur. Und das muss uns Sorgen machen. Dass Nationalismus und das Aufkündigen einer gesellschaftlichen Solidarität aber nichts mit Arbeitnehmerinteressen zu tun hat, das wissen wir in Gelsenkirchen sehr gut. Genau an dieser Stelle hier fand gestern Abend eine Veranstaltung statt unter dem Motto „Laut gegen Rechts“. Und das ist bereits seit einigen Jahren so, immer am Vorabend des 1. Mais. Und ich finde, diese beiden Veranstaltungen gehören zusammen, weil sie eines zeigen: Wir hier wissen, dass es uns noch nie etwas gebracht hat, wenn wir die Armen gegen die Ärmeren und diese wieder gegen die Allerärmsten ausspielen! Nein, wir müssen alle zusammen dafür sorgen, dass es überhaupt keine Armen gibt: Keine Armen, keine Ärmeren und keine Ärmsten. Das ist der Anspruch, der von diesem Platz hier ausgeht – gestern wie heute! Und für den Ihr hier alle steht. „Wir sind viele. Wir sind eins.“ Und dieser Anspruch ist genau das Gegenteil des dumpfen Populismus, der Arbeitnehmer gegen Arbeitslose und Einheimische gegen Hinzugekommene ausspielen will.
So ein Populismus wird in Gelsenkirchen nicht verfangen! Das zeigt Ihr mir hier alle sehr eindrucksvoll. Und deshalb freut es mich auch sehr, dass der DGB seine zentrale 1. Mai-Kundgebung wieder in Gelsenkirchen veranstaltet. Deswegen möchte ich den Vorsitzenden des DGB, Reiner Hoffmann, auch ganz herzlich willkommen heißen.
Der 1. Mai ist der Tag, an dem wir gemeinsam an den Wert von Arbeit erinnern. An dem wir darauf aufmerksam machen, dass Arbeit, dass gute Arbeit zu wichtig ist, um die Vergütung und die Rahmenbedingungen allein der Verhandlungsmacht jedes Einzelnen zu überlassen. Nein, die Regelung von Arbeitsbedingungen ist eine gesellschaftliche, eine politische Frage! Und darum - finde ich - passt es auch sehr gut, dass die Bundesministerin für Arbeit an diesem Tag unter uns ist: Ein ganz herzliches Willkommen, liebe Andrea Nahles, in Gelsenkirchen! Ich freue mich, dass Du in unserer Stadt ein häufiger Gast bist.
Arbeit ist ein gesellschaftliches Thema - ein Thema, bei der die Politik ganz wesentliche Entscheidungen treffen kann. Über Jahre wurde das ja in Zweifel gezogen und immer wieder auf den Markt und seine vermeintlichen Gesetze verwiesen. Viel zu lange, bis dann beim Mindestlohn deutlich wurde, dass das sehr wohl möglich ist. Und jetzt macht es für viele Menschen einen enormen Unterschied, dass sie endlich Löhne oberhalb des Existenzminimums erhalten für ihre Arbeit!
Und so, wie gegen Niedriglöhne etwas getan werden konnte - und auch das ist nur ein Baustein -, können und sollten wir auch etwas gegen andere Probleme tun. Gegen Jugendarbeitslosigkeit zum Beispiel. Dafür, dass Arbeitnehmerrechte auch in digitalen Zeiten Bestand haben. Oder gegen Langzeitarbeitslosigkeit, gerade hier in Gelsenkirchen. Auch deshalb finde ich gut, dass wir durch die zentrale Mai-Kundgebung in Gelsenkirchen den Fokus einmal auf dieses Problem richten können. Die Wirtschaft boomt, der Fachkräftemangel ist Realität - also müsste ja nun für jeden auch Arbeit da sein. Dass das nicht der Fall ist, wissen wir in Gelsenkirchen nur allzu gut. Auch hier entstehen Jahr für Jahr rund 1000 neue Stellen. Trotzdem sinkt die Arbeitslosigkeit nicht entsprechend. Und das gilt fürs ganze Ruhrgebiet. Der Markt regelt eben von alleine nicht alles! Der Aufschwung geht an vielen Menschen komplett vorbei, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt alleine nicht mehr finden würden. Deshalb brauchen wir dringend mehr Möglichkeiten, um Menschen, die seit Jahren ohne Arbeit sind, endlich wieder eine Perspektive zu geben - die Chance, an dieser Gesellschaft teil zu haben, die Chance, endlich wieder etwas Sinnstiftendes zu tun, für sich und seine Familie sorgen zu können. In manchen Regionen mag das kein Thema sein, auf der Schwäbischen Alb oder in Oberbayern. Aber im Ruhrgebiet ist das anders.
Ich bin froh, dass es jetzt mit Unterstützung von Andrea Nahles und von Rainer Schmeltzer, dem Arbeitsminister in NRW, endlich Perspektiven für diese Menschen gibt. Sicher, dieser Anfang ist noch überschaubar. Jedenfalls am Maßstab des Gelsenkirchener Appells - aber dieser Schritt wird gegangen und das ist gut so.
Darum sagen wir hier: Ein Arbeitsmarkt kann auch politisch gestaltet werden. Er muss politisch gestaltet werden, um am Ende denen das Wasser abzugraben, die mit vorgeblich sozialen Argumenten populistische Hetze und zutiefst unsoziale Programme verfolgen wollen.
Darum ist es gut und wichtig, dass Ihr alle hier seid, um an diesem Maifeiertag ein klares Bekenntnis abzugeben.
Dafür meinen herzlichen Dank – und Euch allen ein herzliches Glück auf!