29. September 2016, 16:29 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Rede von Oberbürgermeister Frank Baranowski
- Es gilt das gesprochene Wort -
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Stadtdirektor,
lieber Herr Dr. Beck,
zunächst einmal: ein ganz herzliches Dankeschön denjenigen, die diesen Abend eröffnet haben, den Hugo-Spatzen, den Kindern aus der Kita in der Hugostraße! Vielen Dank für Euren Einstieg und für Eure Begrüßung! Und da möchte ich mich gerne anschließen: Seien Sie alle herzlich willkommen im Kleinen Haus unseres Musiktheaters – bei einer Veranstaltung, die so jung und frisch beginnt, dass man gar nicht glauben mag, dass es sich nicht um einen Auftakt, sondern um eine Verabschiedung handelt…
Aber es stimmt ja: Selbst bei dieser Eröffnung klang das Abschiednehmen mit heraus. Und es ist in der Tat so: Wir kommen zusammen zu einer Verabschiedung, denn heute geht ein doch nicht ganz kurzer Zeitraum zu Ende. Ein Zeitraum von insgesamt 16 Jahren. Ein Zeitraum, in dem viele von uns sich so sehr an das beruflich-persönliche Miteinander mit Manni Beck gewöhnt haben, dass man sich gar nicht so richtig vorstellen konnte und mochte, dass das einmal anders sein wird. Auch wenn dieses Datum natürlich schon lange feststand. Für mich persönlich kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Heute geht der letzte Beigeordnete der Stadt Gelsenkirchen, der schon im Amt war, als ich Oberbürgermeister wurde. Auch das kann einen für einen Moment etwas nachdenklich stimmen…
Umso reizvoller ist es dann doch, noch einmal zurückzuschauen, auf die vergangenen 16 Jahre, auf jene 12 Jahre, in denen wir beide, lieber Herr Dr. Beck, gemeinsam für unsere Stadt im Verwaltungsvorstand tätig waren. Zumal es ja nicht nur viele Jahre waren, sondern auch sehr intensive, spannende und vor allem prägende Jahre.
Denn diese zwölf gemeinsamen Jahre, das war ja in der Tat eine besondere Zeit. Diese zwölf Jahre umfassen ziemlich genau den Zeitraum, in denen etwas ganz Grundlegendes mit der kommunalen Bildungspolitik passiert ist. In denen sich etwas getan hat, dessen Folgen noch eine ganze Weile zu spüren sein werden: Die kommunale Bildungspolitik ist von einem auch wichtigen Thema zu etwas ganz anderem geworden – zu einem, wenn nicht zu dem Schlüssel- und Zukunftsthema für Kommunen. Gerade hier bei uns in Gelsenkirchen.
Ohne Frage war dieser Bedeutungszuwachs im Rückblick in ganz Deutschland zu beobachten. Aber richtig ist auch, dass Gelsenkirchen einer der ersten Orte war, der diesen bildungspolitischen Aufbruch mitinitiiert hat. Wir in Gelsenkirchen waren Vorreiter dieser Entwicklung, sowohl bei der Erkenntnis wie auch in der Umsetzung. Wir haben vieles früher und konsequenter angepackt als die meisten Städte und Gemeinden in unserem Land – und zu ersten Ergebnissen gebracht.
Wir haben das getan, mit dem klaren Entschluss, unseren Kindern – und zwar allen, nicht nur einigen wenigen – die bestmögliche Bildung und Betreuung mit auf den Weg zu geben. Aus drei Gründen:
- Weil erstens Bildung einfach ein Bürgerrecht ist, wie Ralf Dahrendorf einmal gesagt hat – weil es unerlässlich ist, dass jeder Mensch eine gute Bildung und damit eine vernünftige Ausstattung für sein Leben erhält.
- Weil es zweitens gerade hier im Ruhrgebiet, wo noch so viele Aufgaben vor uns liegen, in Zukunft ganz besonders auf eine gute Bildung und Ausbildung der nächsten Generation ankommt
- Und weil es drittens in einer vielfältigen Gesellschaft, die funktionieren soll, erforderlich ist, von der ersten Bildungsstufe an für Chancengleichheit zu arbeiten, um zu verhindern, dass einzelne Kinder bei den nächsten Schritten in der Bildungslaufbahn zurückbleiben!
In den vergangenen 12 bis 16 Jahren, über die wir heute sprechen, haben sich ja nicht nur die Akzente in der Bildungspolitik verschoben, sondern genauso in der Integrationspolitik. Gegen die Erkenntnis, dass unser Land de facto längst ein Einwanderungsland ist, wehren sich nur noch äußerst starrsinnige Realitätsverweigerer – die leider dafür umso hartnäckiger. Aber ganz klar hat dieses kommunale Handlungsfeld eine erhebliche Dynamik erfasst, lange schon vor dem Sommer 2015, und das hängt auch mit Bildung und Spracherwerb zusammen, denn wir verstehen das Themenfeld „Integration“ weniger als nachsorgende Sozialpolitik, sondern zusehends mehr als vorsorgende Unterstützung, als Aufbau von Ermöglichungs-Strukturen. Und auch diese Aufgabe, diese wichtige Aufgabe, wurde mit dem Kommunalen Integrationszentrum ebenso wie mit den vielen Förderangeboten der frühkindlichen Bildung im Vorstandbereich von Herrn Dr. Beck verantwortet.
Wenn wir nun also eine kleine Zwischenbilanz dieser grundlegenden Veränderung ziehen wollen, dann können festhalten: Wir haben in Gelsenkirchen mit dem Ausbau der öffentlichen Bildungs-, Betreuungs- und Integrationsangebote zum einen früher angefangen als andere – und wir haben zum anderen dabei auch vieles besser durchdacht und zusammengedacht. Wir haben mehr Konzepte, mehr Ideen und auch mehr Engagement in die Waagschale geworfen. Nicht umsonst hat man in Fachkreisen immer wieder vom „Gelsenkirchener Modell“ der frühen Bildung, der intensiven Betreuung gesprochen.
Herr Dr. Beck und ich haben bei diesem Thema sehr eng zusammengearbeitet, und wir haben auch immer wieder diskutiert, über viele Details, aber auch ganz grundsätzlich – etwa darüber, über welchen Bildungsbegriff wir sprechen müssen und was das für die Praxis heißt. Der habilitierte Psychologe, mit dem ich mich da austauschen durfte, der hatte ganz klar einen sehr weiten, einen umfassenden Bildungsbegriff. Kurz gesagt: Bildung findet nicht nur im Klassenzimmer statt, der Mensch bildet sich überall!
Und diese Haltung machte sich dann auch in der Umsetzung bemerkbar: Wir haben die Trennung von Jugendamt und Schulverwaltung aufgehoben und das neue Referat „Erziehung und Bildung“ geschaffen. Ein Referat, das sich nicht mehr zuerst an Institutionen orientierte, sondern am Zusammenspiel von Erziehung und Bildung, ganz grundsätzlich, egal auf welcher Etappen der Bildungsbiografie. Was ich nach wie vor für richtig halte, schließlich geht es ja auch schon in der vorschulischen Unterstützung um Bildung – und Schulen sind nun mal nicht allein Orte des Wissenstransfers, sondern auch Lebensorte. Das merken wir nicht zuletzt an der enormen Ausweitung des offenen Ganztags. Vor 16 Jahren war das noch eine völlige Randerscheinung; heute ist der offene Ganztag ein Angebot, das mehr als 2.000 junge Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener nutzen – um nur mal eine Zahl zu unserer Bildungsexpansion zu nennen.
Wenn man sich diese lange Perspektive anschaut, dann fällt einem auch auf, dass Herr Dr. Beck sich stets für die Gesamtschule stark gemacht hat, schon zu einem Zeitpunkt, als das Thema noch richtig umstritten war – was sich heute als goldrichtig erweist. Genauso könnte ich noch das Engagement für die außerschulische Bildung nennen, das ja ebenfalls in einem Referat zusammengefasst wurde. Oder das Denken entlang der Bildungsbiografie, was sich an der Gründung des Kommunalen Bildungsbüros zeigte.
Angesichts der Bedeutung des Bildungsthemas könnte man ja fast übersehen, was alles noch zu diesem großen Ressort dazu gehörte und gehört. Wir verabschieden uns ja heute auch von unserem charmanten Gastgeber des jährlichen Kulturempfangs in der Flora, der einerseits für unsere städtischen Kultureinrichtungen die Verantwortung getragen hat, für das MiR, für unser Kunstmuseum, der sich aber auch gleichermaßen für die freie Szene und das Consol-Theater eingesetzt hat. Wir verabschieden uns also auch von unserem Kulturdezernenten sowie von unserem Sportvorstand.
Wobei: Niemand, der Manni Beck kennt, wird den Sportvorstand vergessen. Jeder, der mit ihm zusammengearbeitet hat, weiß, wie stark auch das Herz eines gebürtigen Badensers für den FC Schalke schlagen kann. Der blau-weiße Virus ist bei ihm ziemlich schnell und sehr gründlich übergesprungen. Das zeigte sich dann bei den Heimspielen in der Nordkurve, aber auch beim Engagement für die Schalker Meile. Und es zeigte sich auch bei der Zusammenarbeit mit Schalke bei der Gesamtschule Berger Feld, die heute Eliteschule des deutschen Fußballs ist. Das ist, natürlich, Sportpolitik. Es ist aber genauso progressive Bildungspolitik, die unserer Stadt zugutekommt. Und nicht unerwähnt lassen möchte ich auch, dass Herr Dr. Beck innerhalb des Beigeordnetenkollegiums auch als Kirchendezernent galt.
Unter sportlichen Gesichtspunkten gesehen, das muss ich leider sagen, verlassen Sie, lieber Herr Dr. Beck, uns etwas vorzeitig – denn ich fürchte, auch in dieser Saison wird es mit der langersehnten Meisterschaft nichts…
Aber was die anderen Themen angeht, da sieht es doch etwas anders aus. Beim Thema Bildung etwa haben wir schon viele Punkte auf unserem Konto, da stehen wir richtig gut da. Und vor allem gehe ich fest davon aus, dass Sie diesem Thema weiter erhalten bleiben, dass Sie das Thema außerschulische Bildung in Form der „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ in Gelsenkirchen weiter verfolgen und vorantreiben werden, auch im so genannten Ruhestand. Und darum möchte ich jetzt nur eine Zwischenbilanz ziehen und mich nun ganz herzlich bedanken – für 16 Jahre Dienst an der Stadt Gelsenkirchen, für zwölf gute und erfolgreiche gemeinsame Jahre! Haben Sie vielen herzlichen Dank!
Und damit Sie das Thema „Ruhe-Stand“ nicht zu wörtlich nehmen – und auch nicht künftig Ihre ganze Zeit auf dem Rennrad verbringen –, haben wir noch ein kleines Präsent für Sie, dass ich Ihnen gerne überreichen möchte…
Lieber Manfred Beck, ein herzliches Glück auf!