02. Dezember 2015, 19:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Rede von Oberbürgermeister
Frank Baranowski
- Es gilt das gesprochene Wort -
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe aktive und engagierte Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener,
herzlich willkommen im Hans-Sachs-Haus, herzlich willkommen in der guten Stube unserer Stadt, herzlich willkommen zu unserem diesjährigen Empfang zum Tag des Ehrenamtes. Ein Empfang und ein Tag, der auch deswegen hier genau richtig aufgehoben ist und genau hierhin gehört, weil wir unser Hans-Sachs-Haus von Anfang an als Haus der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt verstanden haben. Welcher Ort sollte also passender sein, wenn es um die Würdigung bürgerschaftlichen Engagements geht?
Und genau darum geht es uns heute. Wobei ich bekennen muss, dass ich Jahr für Jahr in echter begrifflicher Not stecke. „Bürgerschaftliches Engagement“ – das erinnert mich, verzeihen Sie, aber da kommt wahrscheinlich doch der Deutschlehrer in mir durch, ganz schön an den weißen Schimmel, oder?
Überlegen Sie mal: Was anderes sollen Bürger denn sein als Menschen, die sich aktiv an ihrem Gemeinwesen, an ihrer Stadt beteiligen? Das ist doch der Kern des Begriffs des Bürgers einer Stadt, des Citoyens, der sich seine Bürgerrechte erkämpft hat und um deren Wert weiß, der sie deshalb aktiv ausübt, sich beteiligt, partizipiert. Ein Bürger ist einer, dem es nicht egal ist, was in seiner Nachbarschaft geschieht, der mitgestaltet, der sich einsetzt, der mit anderen in Dialog tritt, überzeugt, mobilisiert, tut, sich kümmert – für sich und für andere. Das ist ein Bürger, das ist eine Bürgerin. Und Sie alle, meine Damen und Herren, sind solche Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Dass Sie dabei engagiert sind, steckt schon in der Natur der Sache.
„Nichts kommt von alleine und wenig ist von Dauer“, hat Willy Brandt einmal gesagt. Das ist eine Grundeinstellung, die Sie alle, die sich engagieren, verinnerlicht haben. Sie wissen: Was man nicht tut – das passiert auch nicht. Einer muss es machen.
Und wenn wir uns in diesen Tagen in unserer Stadt, in unserem Land so umsehen, dann sehen wir: Es ist zum Glück nicht nur einer. Es sind sogar ganz schön viele. Ganz schön viele, die Verantwortung übernehmen und mit anpacken. Viele Einzelne und Gruppen, die sich ganz aktuell zusammengefunden haben, um Menschen, die vor Krieg und Terror, vor Gewalt und Verfolgung in unsere Stadt geflohen sind, zur Seite zu stehen und zu helfen. Menschen, die Flüchtlinge betreuen, Deutschunterricht geben, bei Umzügen helfen, im Alltag orientieren. Kurz: Gelsenkirchener Bürgerinnen und Bürger, für die Engagement selbstverständlich ist.
Das derzeit in dieser Dimension zu sehen, ist für einen Oberbürgermeister eine eindrucksvolle Bestätigung dafür, dass das städtische, das bürgerliche und bürgerschaftliche Selbstverständnis herausragend ausgeprägt ist. Und das tut gut. Es zeigt aber auch, dass Engagement heute ganz andere Formen hat – und vor allem weit weniger Formalismen braucht – als noch vor Jahrzehnten.
Deshalb: Wo wir heute schon bei Begriffen sind, „heideggern“ wir doch gleich auch nochmal das „Ehrenamt“. Die Menschen, die da am Werk sind: Die brauchen kein Amt, die packen an und machen, ohne deswegen gleich zu (Ehren-)Amtsräten werden zu wollen. Deswegen meine eingangs erwähnte begriffliche Not: Wir sehen gerade jetzt, dass unsere alten Begriffe vielleicht doch nicht mehr so recht greifen, haben aber auch noch keine neuen. Vielleicht ja so: Viel wird gesprochen in diesen Tagen von einer Willkommenskultur, die die Menschen in unserem Land ergriffen hat. In Anlehnung daran möchte ich gern sprechen von einer bürgerschaftlichen Kultur, einer Kultur des Engagements. Kultur ist eine Lebensführung, Kultur heißt: Sich kreativ und aktiv mit sich und seiner Umwelt auseinanderzusetzen. Das könnte es eigentlich ganz gut treffen.
Und das passt natürlich auch gut zu unserem Thema in diesem Jahr. Denn das ist die anpackende, solidarische, gestaltende Kultur im weiteren Sinne, die unsere Stadt seit Jahren prägt und die in diesen Tagen so deutlich wird, wie selten zuvor.
Dass sie dabei natürlich auch das Feld der Kultur im engeren Sinnen berührt, ist selbstverständlich. Engagement ist Kultur – Kultur lebt vom Engagement, davon, dass Menschen ihrer und anderer Leute Kreativität Ausdruck verleihen. Dafür sorgen, dass ganz unterschiedliche Menschen in dieser Stadt Kultur leben und erleben können – und auch unser aller Horizont ein ums andere Mal geweitet wird.
Diese Menschen wollen wir heute würdigen, Einzelne unter ihnen sogar auszeichnen mit dem Gelsenkirchener Ehrenamtspreis 2015. Wobei diese Preise, die wir in vier Kategorien vergeben, letztlich alle auf einem subjektiven Urteil beruhen. Wir vergeben diese Preise für Alltagshelden und Lebenswerke stellvertretend – stellvertretend für viele Menschen in Gelsenkirchen, für viele Alltagshelden, die mit ihrem menschlichen Einsatz, mit ihrer Geste zu dieser besonderen Kultur unserer Stadt beitragen. Eine Stadt, die eine Vielfalt und einen Reichtum an Kultur und Kulturen hat, die nur durch die Aktivität ihrer Bürgerinnen und Bürger möglich ist.
Darum möchte ich allen aktiven, allen engagierten Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern an dieser Stelle gerne mein herzliches „Dankeschön!“ sagen. Ohne Sie wäre unsere Stadt nicht nur ärmer – sie wäre keine Stadt!