11. August 2022, 16:01 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Liebe Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,
„und täglich grüßt das Murmeltier“ – ein weiteres Jahr ist vergangen, die Sommerpause ist vorbei, es ist wieder Haushaltszeit. Das Murmeltier grüßt aber leider auch, da ebenso der diesjährige Haushaltsplanentwurf wieder von Inhalten geprägt ist, die wir uns nicht haben vorstellen können. In den letzten Jahren hatten wir Corona; in diesem Jahr haben wir immer noch Corona und zusätzlich den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Das alles betrifft uns nicht nur zutiefst; es trifft uns auch mit all seinen Auswirkungen – in erster Linie menschlich, aber eben auch fiskalisch.
Wir bringen daher heute einen Haushalt ein, der am Ende – und das werden die schnellen Haushälter unter Ihnen später auf Seite 9 in Zeile 28 des Ergebnisplanes direkt finden – ein Defizit für das Planjahr 2023 in Höhe von rund 11,1 Mio. € ausweist. Und auch wenn sich diese Unterdeckung im Verlauf der mittelfristigen Planung reduziert, ein geplantes Defizit finden Sie überwiegend ebenso in den Folgejahren: in 2024 beläuft sich dieses auf knapp 9 Mio. €, in 2025 auf gut 6 Mio. € und erst im Jahr 2026 planen wir wieder eine „schwarze Null“.
Diese Zahlen sind nicht geschönt, sie sind unsere heutige Prognose der zukünftigen Realität. Und auch diese Planwerte erreichen wir nur, indem wir erstmalig von der Option des sogenannten globalen Minderaufwands Gebrauch machen. Dieses haushaltsrechtliche, noch sehr neue Instrument erlaubt es, eine Summe von bis zu 1% der ordentlichen Gesamtaufwendungen aufwandsmindernd auszuweisen, ohne dass Aufwandsermächtigungen konkret gekürzt werden müssen. So viel zur Anwendung; tatsächliche Einsparungen in der entsprechenden Höhe müssen wir dann in der Haushaltsbewirtschaftung 2023 dennoch realisieren. Das bedeutet, dass wir zunächst einmal nur in der Planung entlastet sind. Ich will deutlich sagen, dass hierdurch auch Risiken für die Haushaltsbewirtschaftung entstehen können. Daher haben wir das mögliche Potential nicht vollends ausgeschöpft. So berücksichtigen wir lediglich 0,5% der ordentlichen Aufwendungen als globalen Minderaufwand; im letzten Jahr der Mittelfristplanung verzichten wir gänzlich darauf.
Darüber hinaus finden Sie im Vergleich zu den letztjährigen Haushalten im Entwurf 2023 dieses Mal keinen „außerordentlichen Ertrag“. Gemeint ist damit die Isolierung von Corona-Schäden. Hierfür gibt es nach jetzigem Stand keine gesetzliche Grundlage mehr. Da uns Corona im Alltag aber weiterhin beschäftigen wird und diverse Experten eine erneute Dynamik erwarten, können wir neuerliche pandemiebedingte Haushaltsbelastungen für die Jahre ab 2023 gleichzeitig nicht gänzlich ausschließen.
Was wir als Auswirkungen des Ukraine-Krieges im Haushalt insbesondere aber auch finden, sind Energie- und Baupreissteigerungen in erheblichem Maße. Alleine im Bereich der Gas- und Stromversorgung der städtischen Immobilien und Verkehrsinfrastruktur haben wir bereits Mehraufwendungen in Höhe von rund 7 Mio. € veranschlagt. Ich fürchte jedoch, dass es dabei nicht bleiben wird…
Meine Damen und Herren,
liebe Leute,
Sie sehen: einen echten Haushaltsausgleich können wir planerisch derzeit aus eigener Kraft nicht erreichen.
Da wir in den vergangenen Jahren aber gut „gehaushaltet“ haben und „Geld zurückgelegen“ konnten, können wir dieses Geld aus unserer Ausgleichsrücklage entnehmen und den Fehlbetrag decken. Rechtlich gilt der Haushalt damit als fiktiv ausgeglichen.
Lassen Sie mich nun zu den Zahlen, Daten, Fakten und wesentlichen Positionen kommen, die diesen Haushalt prägen:
An erster Stellen stehen dort wieder rund 1,2 Milliarden €, die unser Gesamthaushaltsvolumen ausmachen. Zum Vergleich: das sind rund 375 Mio. € mehr als vor 10 Jahren/im Haushalt 2013.
Auf der Ertragsseite bleibt es bei den zwei größten Posten
Die Schlüsselzuweisungen sind dabei unsere wichtigste Ertragsposition; ihr Anteil beträgt mehr als 1/3 des Gesamtvolumens. In absoluter Zahl planen wir mit rund 403 Mio. €. Das sind nochmal rund 14 Mio. € mehr im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings können sich hierbei bis zum Beschluss über den Haushalt 2023 noch Änderungen ergeben, da das Land unter anderem die Veröffentlichung der Arbeitskreisrechnung zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2023 erst für die zweite Augusthälfte angekündigt hat. Unsere Ansätze basieren daher zunächst auf einer indikatorengestützen Fortschreibung der Festsetzung aus 2022.
Und auch wenn 400 Mio. € gut klingen: Ich hatte bei der Einbringung zum Haushalt 2022 bereits gesagt, dass das Gemeindefinanzierungsgesetz, als Grundlage des Kommunalen Finanzausgleichs, systematischen Änderungen unterzogen wird. Durch die Unterscheidung zwischen kreisangehörigen und kreisfreien Gemeinden entsteht eine ungerechtfertigte Umverteilung der zur Verfügung stehenden Finanzausgleichmasse zu Lasten kreisfreier Städte wie Gelsenkirchen. Die für dieses Jahr vorgesehene zweite Stufe dieser Änderungen wird zwar erfreulicherweise nicht mehr umgesetzt – so sieht es zumindest der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung vor –, es verbleibt aber dennoch bei einer sachgrundlosen Schlechterstellung!
In Bezug auf die Gewerbesteuer können wir leicht optimistischer herangehen als noch im Vorjahr. Aktuell planen wir mit rund 115 Mio. € für das Haushaltsjahr 2023.
Meine Damen und Herren,
wir haben in diesem Haushalt aber auch zum ersten Mal Entlastungen mit eingeplant, auf die wir schon seit Jahren warten: eine Altschuldenlösung.
Zumindest gibt es erfreulicherweise konkrete politische Absichtserklärungen sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene, eine substantielle Lösung hierfür herbeizuführen. Deshalb haben wir, beginnend mit dem Haushaltsjahr 2024, eine jährliche ertragswirksame Entlastung in Form einer Schuldendiensthilfe in Höhe von 8,9 Mio. € etatisiert, die wir auch unbedingt brauchen.
Sie sehen, dass unsere Ertragsseite insgesamt also weiterhin von planerischen Unwägbarkeiten umgeben ist.
Wenn wir uns nun hingegen auf die Aufwandsseite konzentrieren, müssen wir festhalten, dass die Transferaufwendungen weiterhin fast die Hälfte des Gesamthaushaltetats ausmachen: 550 Mio. €.
Rund 67 Mio. € davon fließen an GeKita; 24 Mio. € stecken wir in die ÖPNV-Finanzierung.
Mit 110 Mio. € werden wir schwerpunktmäßig an den Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen durch den LWL beteiligt – das sind nach der Erhöhung im vergangenen Jahr weitere 7 Mio. € an Mehrbelastung. Im mittelfristigen Planungszeitraum bis 2026 wird die Umlage voraussichtlich auf über 122 Mio. € ansteigen. Das entspräche nach derzeitigem Planungsstand rund 10% der ordentlichen Gesamtaufwendungen.
Die klassischen Sozialtransfers bleiben auf konstant hohem Niveau:
- 124 Mio. € für die Kosten der Unterkunft – also Leistungen nach dem SGB II
- 42 Mio. € für die Grundsicherung im Alter;
- 29 Mio. € für die Hilfe bei Pflegebedürftigkeit;
- 13 Mio. € für Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Der Blick auf die Transferaufwendungen im Kinder und Jugendbereich zeigt, dass wir hier insgesamt 63 Mio. € ausgeben werden:
- 44 Mio. € im Bereich der Hilfen zur Erziehung, um Kindern und Jugendlichen zu helfen, sie zu schützen und zu unterstützen;
- 12 Mio. € an Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und
- 7 Mio. € für das Bildungs- und Teilhabepaket.
Die eingangs bereits angesprochenen deutlich ansteigenden Energieaufwendungen sind im zweiten großen Aufwandsbereich – den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen – berücksichtigt.
Meine Damen und Herren,
im Bereich der Investitionen werden wir uns auch im Jahr 2023 prioritär mit der Abwicklung von Alt-Maßnahmen befassen. Das hat zum einen etwas mit den Liefer- und Anbieterengpässen im Bausektor zu tun. Zum anderen beschränken wir den Anteil von neuen Investitionsmaßnahmen weiterhin auf das Maß, wie wir es tatsächlich auch leisten können.
54 Mio. € haben wir daher für Baumaßnahmen eingeplant.
Der überwiegende Anteil der Investitionsauszahlungen entfällt auf Schulneubauten und Schulsanierungen sowie auf Maßnahmen aus den verschiedenen Förderprogrammen.
Frau Oberbürgermeisterin,
meine Damen und Herren,
wir leisten uns zwar viel, wir leisten aber auch viel.
Wir geben Geld aus, weil wir es aus pflichtigen Aufgaben müssen; wir geben aber auch Geld aus, weil es uns die Bürgerinnen und Bürger wert sind. Über einen Teil davon können sie sogar selbst entscheiden. Hier erlaube ich mir einen kurzen Werbeblock:
Auch dieses Jahr wieder bei unseren Bezirksforen – und das sogar mit aufgestockten Mitteln.
Und noch etwas wird neu sein: all diejenigen, die an den Veranstaltungen selbst nicht teilnehmen können, haben nun die Möglichkeit, ihre Wünsche, Anregungen und Ideen vorab einzubringen – und das bereits seit gestern. Im jeweiligen Bezirksforum werden diese Vorschläge dann genau so behandelt, wie die „vor-Ort-eingebrachten“.
Tragen Sie diese Fortentwicklung gerne in Ihre Quartiere, Stadtteile und Bezirke weiter. Mit den Präsenzveranstaltungen starten wir nach den Herbstferien und ich freue mich bereits jetzt auf viele gute Vorschläge aus den Reihen der Bürgerschaft.
Das Aufstellen des diesjährigen Haushaltes war ein echter Kraftakt – galt es doch das unbedingt Notwendige vom Wünschenswerten zu trennen. Dabei haben ganz viele Mitarbeitende eben solche Kraft und Energie sowie großen Einsatz an den Tag gelegt und in diesen Haushalt gesteckt. Dafür spreche ich meinen herzlichen Dank aus!
Meine Damen und Herren,
nun ist es an Ihnen: auf konstruktive und erfolgreiche Haushaltsberatungen für uns alle!
Vielen Dank!