12. Juni 2025, 16:06 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
„Dr. Rudolf Bertram hat in seinem Beruf als Mediziner bestimmt viele Menschenleben gerettet. Aber nicht allein als Mediziner hat er das getan. Gemeinsam mit den Pflegekräften des St.-Josef-Hospitals hat er auch 17 jungen Frauen das Leben gerettet.“ Mit diesen Worten weihte Oberbürgermeisterin Karin Welge eine Erinnerungsorte-Tafel an der Grabstätte von Dr. Rudolf Bertram ein.
Der aus Olpe stammende Chirurg Dr. Rudolf Bertram kam 1937 als Chefarzt zum Horster St. Josef-Hospital. Rudolf Bertram und seine Frau Dr. Margot Bertram hatten sechs Kinder und waren gläubige Katholiken. Dem nationalsozialistischen Regime standen sie äußerst distanziert gegenüber.
Als am 11. September 1944 bei einem alliierten Bombenangriff auf das Hydrierwerk der Gelsenberg Benzin AG zahlreiche Menschen verletzt und getötet wurden, war Dr. Bertram schnell vor Ort. Wenige Monate zuvor war ein Transport mit 2.000 jungen ungarischen Jüdinnen vom Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz dorthin gebracht worden, um Zwangsarbeit zu leisten. 138 Zwangsarbeiterinnen starben durch die Bomben. Dr. Bertram veranlasste die Versorgung der verletzten jungen Frauen im St. Josef-Hospital und in benachbarten Krankenhäusern. Viele erlagen dort noch ihren schweren Wunden. Zwangsarbeiterinnen, die als geheilt galten, mussten der Gestapo übergeben werden. Gemeinsam mit seinem Pflegepersonal gelang es Dr. Bertram in den folgenden Wochen, 17 Zwangsarbeiterinnen im Krankenhaus zu verstecken.
Offizielle Ehrungen oder Dankbarkeit für die mutige Tat wies er später bescheiden zurück. Er habe nur seine christliche Pflicht erfüllt und werde dadurch selbst reich belohnt. Dr. Rudolf Bertram war bis zu seiner Pensionierung 1965 am St. Joseph-Hospital tätig. Er starb 1975 in Gelsenkirchen und wurde auf dem katholischen Altstadtfriedhof bestattet. 1979 erhielt er posthum die Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“. Diese verlieh ihm die israelische Gedenkstätte Yad Vashem für seine Menschlichkeit und seinen Mut bei der Rettung der 17 jungen ungarischen Jüdinnen. Die Stadt Gelsenkirchen ehrte ihn 1996 mit einer Bronzetafel vor dem St. Josef-Hospital und benannte den Platz vor dem Krankenhaus nach ihm. Im vergangenen Jahr wurde Dr. Bertram ebenfalls mit einer Gedenktafel beim Gelsenkirchener Walk of Fame geehrt.
Zur Einweihung auf dem Altstadtfriedhof waren auch Familienangehörige von Dr. Bertram sowie des Pflegers Franz Schimion gekommen, der zu den Vertrauten des mutigen Chefarztes gehörte. Ortrud Kathol-Bertram, Tochter des Geehrten erinnerte in ihrer Ansprache mit sehr persönlichen Worten an ihren Vater. Er war nicht nur ein engagierter Arzt, sondern auch ein zugewandter und humorvoller Familienvater. Frau Kathol-Bertram betonte zudem, dass Dr. Bertram immer auch in vollster Übereinstimmung mit seiner Ehefrau Margot gehandelt habe, „ihre Unterstützung und ihre Beteiligung sollte nicht vergessen werden“, so die Tochter.
Als Tochter einer der geretteten Frauen betonte Judith Neuwald-Tasbach, die Ehrenvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, in ihren Dankesworten die tiefe Verbundenheit, die die Familien der Geretteten bis heute mit Dr. Bertram empfinden.