27. Juni 2025, 15:54 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
GE. Zur Erinnerung an das Geschäft „Betten Neuwald“ weihte Gelsenkirchens Erste Bürgermeisterin Martina Rudowitz eine Erinnerungsorte-Tafel des Instituts für Stadtgeschichte am Haus Arminstraße 15 ein, dem früheren Wohn- und Geschäftshaus der jüdischen Kaufmannsfamilie Neuwald. Die Einweihung fand im engsten Familienkreis statt. Gekommen waren die beiden Töchter von Kurt Neuwald, Margitta Neuwald-Golling und Judith Neuwald-Tasbach, und weitere Familienangehörige.
Dass die Familie alteingesessen war, stellte Martina Rudowitz eindrücklich fest. Denn Isaak und Julia Neuwald kamen fast gleichzeitig mit der Gründung der Stadt vor 150 Jahren nach Gelsenkirchen. Ihr einziger Sohn Leopold wurde 1877 in der heutigen Arminstraße geboren, die damals noch Hermannstraße hieß. Vater und Sohn betrieben später einen Althandel im Haus in der Arminstraße 15. Daraus entstand später das erfolgreiche Geschäft „Betten Neuwald“.
Die Familie wohnte im oberen Stockwerk. Leopold hatte 1896 seine Frau Martha geheiratet, die aus Bismarck kam. Das Paar hatte vier Söhne: Rudolf, Walter, Kurt und Ernst, die ebenfalls den Kaufmannsberuf erlernten. Neuwalds gehörten der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen an. Als Kaufleute waren sie angesehen und geschätzt.
Das Warenangebot von Betten Neuwald vergrößerte sich. Kurt Neuwald übernahm das Ladengeschäft in der Arminstraße. Weitere Filialen wurden eröffnet. „Was könnte uns das Haus heute für Geschichten erzählen,“ so die Bürgermeisterin. „Von glücklichen, erfolgreichen Zeiten, aber auch von den schweren und lebensbedrohlichen Jahren in der Zeit des Nationalsozialismus, und von der Zerstörung dieser alteingesessenen Gelsenkirchener Familie“.
Antisemitische Boykottaufrufe brachten das Bettengeschäft in Bedrängnis. Am 9. November 1938 verwüsteten SA-Männer das Ladenlokal. Rudolf Neuwald wurde schwer misshandelt, Kurt und Leopold mussten untertauchen. Die Familie war zur Aufgabe des Geschäfts gezwungen. Das Haus wurde 1939 zum „Judenhaus“ erklärt.
Am 27. Januar 1942 wurden Martha und Leopold Neuwald, mit Ernst und Kurt sowie dessen Frau Rosa in das Ghetto Riga deportiert. Insgesamt 24 Familienmitglieder wurden im Holocaust ermordet. Als einzige überlebten Kurt und Ernst Neuwald.
Die beiden Brüder kehrten nach Gelsenkirchen zurück und bauten ein neues Leben auf. „Betten Neuwald“ wurde wiedereröffnet. Kurt Neuwald heiratete Cornelia Basch, ebenfalls eine Konzentrationslager-Überlebende. Sie bekamen zwei Töchter.
Kurt Neuwald war Mitbegründer des Zentralrats der Juden in Deutschland und maßgeblich am Neuaufbau der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen beteiligt. Er fungierte viele Jahrzehnte als deren Vorsitzender. Für seine Verdienste ernannte ihn seine Heimatstadt Gelsenkirchen zum Ehrenbürger.
„Ich freue mich, dass an diesem Gebäude, an dem heute so gar nichts mehr an seine einstigen Eigentümer erinnert, ein Stück Stadtgeschichte sichtbar gemacht wird. Und was für eine Geschichte hier geschrieben wird“, so Bürgermeisterin Rudowitz in ihrer Rede. „Nun werden wir immer wieder an die alteingesessene Familie Neuwald erinnert, deren Geschichte an vielen Stellen eng verwoben ist mit der Gelsenkirchener Geschichte.“