Lesung, 21. März 2018, 18:00 Uhr, Wissenschaftspark
Kokerei Hansa Dortmund. Bildrechte: Ingrid Krau
Wie lässt sich die Stagnation der Großregion Ruhrgebiet, einst wirtschaftlich dynamischster Teil Deutschlands, verstehen und erklären? Was führt heraus?
Programm
Begrüßung: Tim Rieniets (StadtBauKultur NRW)
Einführung: Michael von der Mühlen, Staatssekretär a. D.: Erfahrungen aus Strukturwandel und Stadtgestaltung
Vortrag mit auszugsweiser Lesung aus dem Buch: Ingrid Krau, Autorin, Diskussion mit den Kooperationspartnern und dem Publikum, Moderation: Stefan Goch, Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen (ISG)
Die Autorin, die im Ruhrgebiet aufwuchs und dort lange arbeitete aus Interesse an dieser exzeptionellen Industrieregion und ihrer Stadt- und Regionalentwicklung, ging in die kommunale Entwicklungsplanung Duisburgs und von da in die Stahlindustrie selbst, erarbeitete danach Konzepte der Nachnutzung der Übertageanlagen des Bergbaus für die IBA Emscher Park und führte ein eigenes Planungsbüro.
Sie blieb auch während der Städtebauprofessur an der TU München aufmerksame Beobachterin der Langzeitentwicklung des Reviers in differenzierter Sicht auf die Stagnation nach dem Niedergang der Montanindustrie. Sie zeigt ein vielschichtiges Bild der Region verbunden mit dem Ziel, Wege in eine mögliche und wieder prosperierende Zukunft zu finden.
Der Einstieg gilt der großtechnologischen Verbundwirtschaft. Der Blick gilt zunächst der fest gefügten Unternehmensstrategie der Montanindustrie, mit ihrer Maßstabssteigerung der Anlagen zugunsten der Effizienzgewinne durch Massenproduktion bei Kohle und Stahl. Warum gilt Großtechnologie in der Stahlherstellung und in der Energiewirtschaft des Ruhrgebiets noch immer als verlässlicher unternehmerischer Pfad, obwohl gerade dieser die Unternehmen in die Krise führte? Die Autorin formuliert hier eine aktuelle Kritik dieser Großtechnologie aus heutigem Verständnis von Technologieentwicklung und Ressourceneffizienz.
Sie diagnostiziert eine fest gefügte Pfadabhängigkeit des Handelns, die die Großunternehmen und die Landes- und Kommunalpolitik der Region zusammenband. Erklärter Maßen, um Arbeitsplätze zu erhalten, auch wenn die Rationalisierung diese stets radikal dezimierte, ohne Alternativen zu schaffen. Durch Mechanisierung, Automation und radikale Betriebsschließungen entschwand nicht nur die abhängige Arbeit in unvorstellbaren Größenordnungen, sondern auch die unternehmerische Verantwortung für die Vielen, begleitet vom Verlust der Balance zwischen Großindustrie und vielfach durchdrungenem Lebensraum. Diesen charakterisiert sie aus der Perspektive der raumgreifenden, keine Grenzen kennenden Verbundwirtschaft. Entstanden ist so das Anthropozän mit seinen „Ewigkeitskosten“.
Politik und Wirtschaft vertrauten seither auf „den“ Strukturwandel als einer Unabänderlichkeit, für die sie zwar Gestaltungsanspruch beanspruchten, aber nicht immer mit den angemessenen Mitteln wahrnahmen. Die Re-Industrialisierung führte zu häufig zu wiederkehrenden Verlusten der mit Steuermitteln neu angesiedelten industriellen Hoffnungsträger. Auch das gehört offensichtlich zum verlöschenden Industriezeitalter. Hier verlöschte es ein zweites Mal, weil sich die alten Muster des Handelns und des Sekundierens der Politik reproduzierten.
Die Buchvorstellung und eine sich anschließende Diskussion wird unterstützt von Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen (ISG) und StadtBauKultur NRW.
Dieser Termin ist kostenfrei.