14. Juli 2025, 16:01 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Die Nachkommen Gustav Bärs übergaben bei einem Besuch der neuen Synagoge an der Georgstraße, wo sie von Bürgermeisterin Martina Rudowitz und Mitgliedern der heutigen jüdischen Gemeinde empfangen wurden, Thora-Schmuck und Etrog-Dose. Bildrechte: Stadt Gelsenkirchen
Fast 87 Jahre lang wurden liturgische Wertgegenstände aus der alten Synagoge in Buer in den USA aufbewahrt. Nun kehrten sie nach Gelsenkirchen zurück: Nachkommen des früheren jüdischen Lehrers und Predigers Gustav Bär brachten den geschichtsträchtigen Thora-Schmuck und eine Etrog-Dose zurück nach Gelsenkirchen. Verbunden war dies mit einem Besuch des Mahnmals der alten Synagoge in Buer und des ehemaligen Wohnhauses von Gustav Bär.
Gleich zehn Familienmitglieder hatten den langen Weg aus den Vereinigten Staaten angetreten: Joyce Susskind Hancock, die Enkelin von Gustav Bär, war gemeinsam mit Ehemann Jim Hancock und ihren beiden Söhnen Bradley (51) und Rusell (48) angereist. Bradley Hancock hatte seine Freundin Chaunsey Regan und die Kinder Abby Hancock (13) und Ben Hancock (16) mitgebracht, Russell Hancock seine Ehefrau Erika Carlson und die Söhne Sawyer (13) und Grady (10). Gemeinsam wandelte man auf den Spuren des Großvaters, Urgroßvaters und Ur-Ur-Großvaters und besuchte das Mahnmal für die alte Synagoge in Buer, dessen Vorplatz nach Gustav Bär benannt ist, sowie das frühere Wohnhaus in der Lindenstraße.
Gustav Bär war zu Beginn des 20. Jahrhunderts Prediger und Lehrer, zunächst für die Synagogengemeinde Dorsten und die vielen kleineren und größeren jüdischen Gemeinden in der näheren Umgebung. Er gestaltete den Religionsunterricht für die Schulkinder, leitete Ferienlager für jüdische Kinder, hatte aber auch die Aufgaben des Vorbeters und Vorsängers bei den Gottesdiensten oder bei Festen. Auch die koschere Schlachtung wurde von ihm überwacht, anschließend segnete er die Produkte. Zehn Jahre lang war Gustav Bär als Wanderlehrer tätig. 1913 zog er mit seiner Familie nach Buer und lebte dort in der Lindenstaße 56.
Buer war seit 1911 Stadt und die dortige jüdische Untergemeinde war besonders stark angewachsen. Sie löste sich von der Synagogengemeinde Dorsten los. 1922 baute die Gemeinde eine eigene Synagoge in der Maelostraße, in der Thora-Schmuck und Etrog-Dose zum Einsatz kamen. Als Gustav Bär im Oktober 1938 kurz vor der Pogromnacht gemeinsam mit seiner Ehefrau Hilde Johanna und Tochter Dina Gisela in die USA flüchtete, wo Sohn Felix bereits seit einem Jahr lebte, nahm er den wertvollen Thoraschmuck und die Etrog-Dose aus Buer mit und rettete sie so vor der Zerstörung. Auf diese Weise blieben die liturgischen Wertgegenstände unversehrt erhalten und in Familienbesitz. Auf dem Thoraschild kann man das Wort "Schabbat" erkennen. Die Etrogdose, in der zum jüdischen Laubhüttenfest Sukkoth die Zitrusfrucht „Etrog“ aufbewahrt wird, ist mit der Inschrift VELAKACHTEM LACHEM BAYOM HARISHON PRI ETZ HADAR aus dem 3. Buch Moses verziert, was übersetzt „Am ersten Tag sollt Ihr Euch die schönsten Baumfrüchte nehmen" bedeutet.
Den Nachkommen Gustav Bärs war es ein Anliegen, die Erinnerungsstücke an ihre frühere Wirkstätte zurück zu bringen. Bei einem Besuch der neuen Synagoge an der Georgstraße, wo sie von Bürgermeisterin Martina Rudowitz und Mitgliedern der heutigen jüdischen Gemeinde empfangen wurden, überreichten sie Thora-Schmuck und Etrog-Dose. „Ich freue mich persönlich sehr, dass wir heute zu diesem wirklich einzigartigen Anlass zusammenkommen. Wir sind Ihnen, Familie Hancock, sehr dankbar, dass sie diesen Schmuck in die Obhut Gelsenkirchens geben möchten. Es ist ein großer Vertrauensbeweis. Die Stadt Gelsenkirchen wird die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen bestmöglich dabei unterstützen, dass dieser wertvolle liturgische Schmuck an einen geschützten Ort kommt und in allen Ehren aufbewahrt wird“, betonte Bürgermeisterin Martina Rudowitz, die Joyce Susskind Hancock die Geburtsurkunde ihrer Mutter Dina Gisela Bär überreichte, die 1919 in Buer geboren worden war.
Die Familie trug sich in der Synagoge in das Gedenkbuch „Sachor“ ein. Im Anschluss wurde gemeinsam das Gebet zu Beginn des Schabbats gesprochen und in gemütlicher Runde Erinnerungen ausgetauscht. Neben Mitgliedern der jüdischen Gemeinde nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter des Instituts für Stadtgeschichte und Heimatforscher an den Feierlichkeiten teil.