10. September 2009, 17:42 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
„Wer is schon so blöde, spazieren zu gehen, wenn bei Ebbe anner Emscher die Winde wehn", sangen die „Missfits" einst. Und wer sich jemals den Wind an der Emscher um die Nase hat wehen lassen, weiß, was das Oberhausener Kabarettduo meinte. Auch ich als Horster könnte da ein Lied von singen.
Als begeisterter Läufer führen mich meine Runden regelmäßig durch den Nordsternpark und an Kanal und Emscher entlang. Eigentlich eine richtige Idylle und eine schön gestaltete Parklandschaft. Nur die Düfte entlang der Emscher erinnern gelegentlich daran, welche industriegeschichtliche Erbsünde uns immer noch belastet.
Was haben wir der Emscher, der „Schwatten", wie sie genannt wird, nicht alles angetan. Wir haben sie in den Gründerjahren der Montanindustrie in ein tiefes Betonkorsett gezwungen und zum offenen Abwasserkanal gemacht. Bis heute. Ihre Düfte und „Winde" sind eigentlich noch eine recht milde Form der Rache dafür, dass wir den Fluss zu einer „Köttelbecke" degradiert haben.
Die heute kaum mehr vorstellbare immense Wachstumsdynamik der aus dem nichts entstehenden „Boomtown" Ruhrgebiet mit ihren gigantischen Industrieanlagen und den plötzlich zu versorgenden Menschenmassen machte solche, nun ja, hemdsärmlige Lösungen nötig. Dass das aber kein Dauerzustand sein konnte, ist in den Städten des Reviers bereits seit den 80er Jahren klar. Der Strukturwandel, der Rückzug des Steinkohlebergbaus und das Abklingen der damit verbundenen Bergsenkungen eröffneten dem Städtebau und der Lebensqualität im Ruhrgebiet ganz neue Chancen. Viele von ihnen wurden bereits erfolgreich genutzt. Unsere Städte sind grüner, menschenfreundlicher, lebenswerter geworden.
Renaturierung ist eine Jahrhundertchance
Eine der ganz großen Chancen, eine Jahrhundertchance, wie viele meinen, ist dabei die Renaturierung der Emscher und ihrer Zuflüsse. Seit Anfang der 90er Jahre treibt die Emschergenossenschaft dieses gewaltige 4,4 Milliarden Euro teure Generationenprojekt voran durch die Errichtung von vier biologisch arbeitenden Großklärwerken und den Bau von Kanälen, die künftig die Abwasser aufnehmen. Von 400 Kanalkilometern, die insgesamt nötig sind, sind über die Hälfte bereits errichtet. Kernstück dabei ist der 51 Kilometer lange Emscherkanal, der die Emscher von der Kläranlage Dortmund-Deusen bis zur Kläranlage Dinslaken flankieren wird.
Hier in Gelsenkirchen werde ich in diesen Tagen gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen den ersten Spatenstich zu diesem Kanal und einem dazugehörigen Pumpwerk tun. Durch diesen Kanal werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch die 8,3 Kilometer, die die Emscher durch Gelsenkirchener Stadtgebiet fließt, in nicht mehr allzu ferner Zukunft renaturiert werden können. Bis zum Jahr 2020 wird das gesamte Projekt abgeschlossen sein. Dann ist die Emscher wieder ein Fluss.
Dadurch ergeben sich große Chancen für die Stadt. Klar - der Duft hat sich endlich verflüchtigt. Aber vor allem erhalten wir an der Emscher und ihren sechs Gelsenkirchener Zuflüssen eine naturnahe Flusslandschaft mit Auen, Parklandschaften, neuen Wohnquartieren, Spazier- und Radwegen, die Freiraum, Erholung und Lebensqualität bedeuten. Eingebunden in die Regionalen Grünzüge rückt der Fluss näher in die Stadt. Und durch den Emscher Park schaffen wir im gesamten Ruhrgebiet eine einzigartige grüne Schneise.
Wir werden uns erst noch dran gewöhnen müssen - aber die „Schwatte" wird wieder blau.
Es grüßt Sie herzlich aus dem Rathaus
Ihr
Frank Baranowski