26. November 2009, 18:44 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Was unternehmen Sie eigentlich, wenn auswärtige Gäste bei Ihnen zu Besuch sind? Das ist immer wieder eine spannende Frage, weil man auf diese Weise auch selbst die eigene Stadt oft noch ein Stückchen besser kennen lernt.
Weil man sich, wenn Besuch im Haus ist, natürlich eher mal aufrafft, um Ecken zu sehen, an die man sonst im Alltag meist nicht kommt. Das kann dann mal eine Stippvisite bei einem unserer drei Herrenhäuser sein - eine Radtour zu Haus Lüttinghof etwa oder ein Spaziergang durch die Parkanlagen von Schloss Berge oder eine Führung durch Schloss Horst, diesem bedeutenden Zeugnis der Weserrenaissance.
Zugegeben: Schlösser sind nicht gerade die Kernkompetenz von Gelsenkirchen, und unser Besuch würde zu Recht darauf pochen, mal was „Typisches" zu sehen. Kann er haben: Das, was uns, was das Ruhrgebiet, was Gelsenkirchen wirklich unverwechselbar macht, ist die Bewahrung und Weiterführung unseres montanindustriellen Erbes. Also darf natürlich ein Besuch im Nordsternpark mit der umgenutzten Zeche, die derzeit ihre künstlerische Weiterentwicklung erfährt, nicht fehlen. Oder ein Besuch auf der ehemaligen Zeche Consol: eine Aufführung im Consol Theater etwa, ein Besuch in der Sammlung Thiel im Maschinenhaus und anschließend ein Absacker in der Kellerbar des Theaters. Oder man schaut sich die Zeche Holland mit den Malakofftürmen an, die jetzt spektakuläre Wohnungen beherbergt.
Die Liste ist tendenziell natürlich unendlich und wäre sicher auch nicht vollständig ohne die klassischen touristischen Magneten: die Arena, die ZOOM Erlebniswelt, die zu den besten Zoos Europas zählt, oder unser einzigartiges Musiktheater, eine der besten Bühnen des Landes. Meine Erfahrung aber ist: Den meisten Eindruck machen immer die etwas ungewöhnlicheren Ecken, die ganz persönlichen Lieblingsorte. Bei mir gehört da auf jeden Fall die vom Künstler Hermann Prigann gestaltete Himmelstreppe auf der Halde Rheinelbe zu. Das ist schon so etwas wie ein mystischer Ort, ein Ort der Erhabenheit, der einen Distanz gewinnen und aus der Ferne Zusammenhänge überblicken lässt.
Wirklichkeit ist das beste Mittel gegen Vorurteile
Denn das muss heutzutage auf jeden Fall sein: Wer das Ruhrgebiet besucht, muss auf einen der vielen Hochpunkte steigen. Musste man früher unter die Erde einfahren, um das Ruhrgebiet zu verstehen, so muss man heute hoch hinaus, man muss von oben auf das Revier schauen. Nur so sieht man den Zusammenhang dieser einzigartigen Stadtlandschaft, ihre Fülle, ihre Übergänge, aber auch die vielen grünen Schneisen, die Urbanität und Freiraum miteinander in Einklang bringen.
Sie alle wissen es: Unser Besuch verlässt uns meist sehr überrascht und meistens auch sehr angetan. Der leibhaftige Kontakt mit Land und Leuten hat noch jedes hartnäckige Klischee verwandelt. Deshalb sollten wir auch nicht müde werden, anderen zu zeigen, wo wir zu Hause sind, woran unser Herz hängt. Auf diese Weise machen wir uns zu Botschaftern unserer Stadt.
Ich selbst habe erst in der letzten Woche wieder eine Journalistengruppe aus ganz Deutschland durch Gelsenkirchen geführt. Der Kontakt mit der Wirklichkeit ist auch in diesem Bereich immer noch das beste Mittel gegen Vorurteile.
Ihr
Frank Baranowski