10. November 2016, 09:18 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Kolumne von Oberbürgermeister Frank Baranowski
Liebe Gelsenkirchenerinnen, liebe Gelsenkirchener!
Dass Sie an dieser Stelle einmal etwas über die US-Präsidentschaftswahlen lesen würden – davon sind Sie vermutlich nicht ausgegangen. Warum auch? In dieser Kolumne geht es um Gelsenkirchener Themen, und so soll das auch bleiben. Doch die Frage, die da in den USA mit neuer Dringlichkeit aufgeworfen wurde, die ist indirekt auch für uns relevant: Was hält eigentlich eine Gesellschaft zusammen?
Egal, aus welcher Perspektive man die US-Wahl betrachtet, über eins scheint Einigkeit zu bestehen: Es war ein Statement des Protests. Offenbar ging es weniger darum, für etwas zu stimmen, sondern gegen etwas. Es ging weniger um neue Ideen und Lösungen, sondern mehr darum, eine Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Die Unzufriedenheit darüber, dass eine Gesellschaft in der Wahrnehmung vieler auseinanderdriftet.
Natürlich lässt sich das nicht mal eben so auf Europa übertragen. Aber eine Mahnung steht da schon im Raum, nicht zuletzt für uns Politikerinnen und Politiker. Aber es ist ganz sicher nicht allein eine Mahnung für die Politik. Denn dafür, dass eine Gesellschaft gerade nicht auseinanderdriftet, sondern zusammenhält, dass Menschen miteinander reden können, egal welchen Hintergrund sie haben, dass Sie miteinander reden und nicht übereinander schimpfen – dafür stehen wir alle in der Verantwortung. Da kommt es auf jeden von uns an.
Es ist ganz einfach so: Wir alle müssen mit dafür sorgen, Tag für Tag, dass wir anständig miteinander umgehen. Dass bestimmte Regeln gelten, dass wir uns austauschen und uns gegenseitig in die Augen schauen können. Es kann nicht nur in den Händen einiger weniger liegen, dass es in einer Gesellschaft fair zugeht. Wir alle müssen Respekt voreinander haben – und dürfen ihn auch einfordern.
In diesem Moment mag ich auf niemanden mit dem Finger zeigen. Aber mir fallen da schon Situationen ein, in denen gegen menschliche Grundregeln verstoßen wird. Wenn etwa ein Unternehmen wie Wellpappe Gelsenkirchen mal einfach von einem Tag auf den anderen geschlossen wird, wenn 96 Beschäftigte so kurz vor Weihnachten ihrer Existenz beraubt werden, ohne dass der Unternehmer auch nur einmal mit den Betroffenen spricht und eine Erklärung anbietet – dann ist das ein Vorgehen, das nicht zum Zusammenhalt einer Gesellschaft beiträgt.
Wie gesagt: Es soll nicht darum gehen, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Zugleich gilt: Was falsch ist, müssen wir benennen. Und was die Frage angeht, wie eine (Stadt-) Gesellschaft zusammenhält, da dürfen wir auch weiter darüber nachdenken, was wir schon gut machen – und was wir noch besser machen könnten. Auch Sie, auch ich.
Ihr
Frank Baranowski