01. Juni 2012, 08:56 Uhr | Stadtbibliothek Gelsenkirchen
2012
Es scheint so, als sei das Unglück ein bisschen verliebt in den Ex-Boxer Kelly Courter. Nicht nur, dass er sein Leben schon einmal gegen die Wand gefahren hätte, nein, er findet ausgerechnet in der Ciudad Juárez Halt, der Stadt, in der schon 600 Frauen verschwunden sind. Hier verdient er sich seinen Lebensunterhalt mit getürkten Kämpfen, in denen er verliert und findet ein wenig Liebe bei Paloma, der hübschen Schwester seines Drogenhändlers. Und schnell ahnt der Leser, dass es sich mit Kellys Leben genau so verhält, wie mit seinen Boxkämpfen. Er muss weitaus mehr einstecken, als er gedacht hat und die Schläge hören nicht auf. Sam Hawken hat mit „Die toten Frauen von Juárez" kein nettes Buch geschrieben. Es ist nicht optimistisch, tatkräftig und heldenhaft. Ganz sicher ist es auch nicht locker oder eloquent. Es ist vielmehr ein ehrlicher, bitterer Roman, der trotzdem von bemerkenswerten Menschen erzählt. Die Charaktere in Hawkens Geschichte hätten allen Grund einfach aufzugeben. Stattdessen kratzen sie so manches Mal ihren allerletzten Mut zusammen um weiter zu machen, weiter zu leben. Darum kommen sie viel glaubwürdiger rüber, als in so manch ausgeklügeltem Thriller. Juárez ist eine real existierende Stadt in der wirklich Frauen ermordet werden. Hunderte Frauen sind seit 1993 schon verschwunden und diese Vorfälle greift Hawken für seinen Roman auf. Ich war sehr erleichtert, dass er kein reißerisches Buch geschrieben hat. Nichtsdestoweniger ist es ein schonungsloses Buch, das nichts für schwache Nerven ist. Viel zu hoffnungslos ist das Leben in dieser Stadt manchmal. Wer unbedingt ein rosarotes Happy End braucht, könnte hier also nicht falscher liegen. Trotzdem kann ich das Buch guten Gewissens empfehlen. Ich konnte es kaum zur Seite legen, weil es einfach gut geschrieben ist und weil man mit den Romanfiguren fühlt.
Iris Jockschat
THRILLER HAW
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