01. Oktober 2012, 11:11 Uhr | Stadtbibliothek Gelsenkirchen
2012
Es ist schon lange her, dass ich einen Roman zur Seite legen musste, weil er mir zu sehr an die Nieren ging, aber bei 'Entführt' war es soweit.
Schon bei den ersten Zeilen fühlt man sich unwohl und so nüchtern das Geschehen geschildert wird, so detailliert ist es auch. Ylva wird entführt und es ist sofort klar, dass sie gebrochen werden soll.
Natürlich fühlt man mit ihr mit, aber Angst vor ihrem Tod muss man nicht haben, da ihr weiterer Leidensweg bis ins Kleinste geplant ist und zwar auf Dauer. Angst also nicht, aber umso mehr Entsetzen empfindet man bei dem, was ihr passiert. Die Entführer werfen ihr große Schuld vor und so gibt es für Ylva keine Chance, sich zu rechtfertigen. Als zusätzliche Grausamkeit wird ihr erlaubt, zu sehen, wie ihre Familie sie sucht, um sie trauert und Tag um Tag ohne sie weiterlebt.
Hans Koppel bereitet den Leser früh darauf vor, was seine Protagonisten erleben werden. Dabei, wie auch bei der späteren Beschreibung der Dinge, die Ylva angetan werden, bleibt er sachlich, fast klinisch und genau das ist so ungeheuerlich. Es lässt die Ereignisse unabwendbar erscheinen und verstärkt so die Aussichtslosigkeit all ihrer Hoffnungen.
Dazu schildert Koppel auch, wie die Angehörigen und Freunde mit dem spurlosen Verschwinden der jungen Frau zurecht kommen und man kann viel Verständnis aufbringen für diese Menschen, denen teilweise der Boden unter den Füßen weggerissen wird.
Hans Koppel hat ein ruhiges Erzähltempo, lässt sich aber nicht so viel Zeit wie manche seiner skandinavischen Kollegen. So ist 'Entführt' dann auf knappen, leicht lesbaren 350 Seiten erzählt.
Eine angenehme Länge, die dann auch nicht viel Leerlauf zulässt.
Ich bin froh, dass ich mich entschieden habe das Buch zu lesen, sofern man das über ein Buch sagen kann, das einen nicht schlafen lässt.
Iris Jockschat
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