An der Ecke Schonnebecker Straße/Karl-Meyer-Straße (Adresse Karl-Meyer-Straße 2) lebte die jüdische Kaufmannsfamilie Löwenthal. Die Familie des 1873 in Gronau geborenen Emil Löwenthal kam mit der Zuwanderung aus den ländlichen Gebieten in die boomenden Ruhrgebietsgemeinden um 1906 nach Rotthausen. Seine Ehefrau Flora, geb. Heymann, stammte aus Gnesen, wo sie 1876 das Licht der Welt erblickt hatte. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Erna, Bruno, Kurt und Erwin, geboren 1900, 1902, 1907, 1911.
Die Familie lebte vom Betrieb zweier Geschäfte. Emil Löwenthal hatte ein Geschäft für Kurz- und Haushaltswaren. Kurt Löwenthal betrieb eine Süßwarengroßhandlung. Hier gab es also viele Gegenstände des täglichen Lebens, so dass viele Rotthauser die Geschäfte besuchten. Nach der Übergabe der Macht an die Nationalsozialisten erlebte die Familie die Drangsalierungen und die Entrechtung der jüdischen Bevölkerung, immer mehr wurde sie in den wirtschaftlichen Ruin getrieben, konnte sich aber lange nicht zur Flucht entschließen.
Bruno Löwenthal floh als erstes Familienmitglied nach Frankreich. Aber auch dann gaben die Verfolger keine Ruhe: 1941 wurde ihm als Juden der akademische Grad eines Diplom-Kaufmanns aberkannt. Nach der Besetzung Frankreichs griffen seine Verfolger ihn in Paris auf. Über das Durchgangslager Drancy wurde er am 7. März 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde.
Mit seinem Bruder floh Kurt Löwenthal 1938 nach Frankreich. Dort lernte er die aus Polen stammende Jüdin Sura Lewi kennen, die er 1941 heiratete. Sura Lewi hatte in Belgien Zahnmedizin studiert, als Ärztin praktiziert und war nach dem deutschen Überfall auf Belgien nach Frankreich geflohen, wo sie zunächst in einem Lager in Argèles interniert worden war. Unter falschem Namen schlossen sie sich der französischen Résistance an und überlebten die nationalsozialistische Herrschaft. In dieser Zeit wurde ihnen ein Sohn geboren. Nachdem sie vorübergehend nach Gelsenkirchen zurückgekehrt waren, wanderten sie in die USA aus.
Die Tochter Erna Löwenthal war schon 1922 aus Gelsenkirchen nach Essen verzogen. Dort heiratete sie und betrieb ein Geschäft für Kurz-, Weiß- und Wollwaren. Als Erna Rosenthal wurde sie mit ihren drei Kindern am 22. April 1942 in das Ghetto Izbica deportiert, wo sie verschollen ist. Nur eines ihrer Kinder überlebte.
Erwin Löwenthal überlebte die Verfolgung im Nationalsozialismus und kehrte aus Buchenwald nach Gelsenkirchen zurück. Hier starb er 1947 an den Folgen eines Autounfalls.
Emil und Flora Löwenthal wurden am 27. Januar 1942 aus Gelsenkirchen in das Ghetto Riga deportiert. Dort wurden Emil und Flora Löwenthal am 26. März 1942 ermordet. Ordnungsgemäß verbuchte die Finanzverwaltung im Februar 1942 noch 0,36 Reichsmark Bargeld, das den Löwenthals abgenommen worden war.
Nicht nur die erwachsenen Menschen der Umgebung bemerkten, dass die Familie Löwenthal "nicht mehr da" war, gerade auch viele Kinder erinnerten sich an die Spielwaren, die man bei den Löwenthals bekommen hatte und fragten wohl auch ihre Eltern, die wohl nicht immer "nichts gewusst" haben, vielfach etwas vermuteten.
Das Haus Karl-Meyer-Straße 2 wurde im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens von der Stadt Gelsenkirchen erworben und im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Erstellt in Partnerschaft mit der Gelsenkirchenerin Ingrid Stange, 2009