Nach der Volkszählung von 1933 lebten 1.616 Juden in Gelsenkirchen. Unter ihnen fanden sich Angehörige ganz unterschiedlicher Berufe, dabei aber besonders viele Kaufleute, weil Juden im Rahmen Jahrhunderte langer Diskriminierung im christlichen Europa auf solche Berufe festgelegt worden waren. Auch an der Bochumer Straße als der zentralen Einkaufsstraße des Stadtteils Ückendorf befand sich eine Reihe von Geschäften jüdischer Inhaber. Die Lebens- und Leidenswege dreier Familien dieser Geschäftsleute zeigen exemplarisch die Verfolgung und Ermordung der Gelsenkirchener Juden.
Hier lebten Fritz Katz (*1906) und sein Bruder Erich (*1910) mit ihrer verwitweten Mutter Jettchen Katz (*1877). Der Gründer des Geschäfts, Jakob Katz (*1880), war 1932 verunglückt. Nachdem das Geschäft durch antijüdische Maßnahmen ruiniert war, floh Fritz Katz 1936 in die Niederlande und konnte von dort 1939 in die USA ausreisen. Erich Katz floh 1938 gleichfalls in die Niederlande. Er wurde 1939 von dort nach Deutschland abgeschoben und im KZ Buchenwald ermordet. Jettchen Katz wurde am 27. Juli 1942 aus Gelsenkirchen in das Lager Theresienstadt deportiert und gilt als verschollen.
Aus Hamburg kommend hatten Leopold Plaut (*1887) und seine Frau Helene (*1887) dieses Geschäft und das Haus übernommen. In Gelsenkirchen wurden 1915 der Sohn Hans und 1921 die Tochter Grete geboren. In der Weltwirtschaftskrise musste die Familie das Haus verkaufen. Im „Dritten Reich“ beteiligte sich Hans Plaut am Widerstand gegen den Nationalsozialismus und wurde nach seiner Verhaftung zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. 1939 gelang der Familie die Flucht nach Lateinamerika, zunächst nach Bolivien, dann nach Caracas in Venezuela, wo Hans Plaut eine erfolgreiche Karriere in der Wirtschaft machte und als Vertreter jüdischer Organisationen wirkte.
Bis zu den Deportationen wurde das Haus der Familie Buchthal als „Judenhaus“ genutzt, um dort jüdische Bürgerinnen und Bürger Gelsenkirchens zu isolieren und zu sammeln. Julius Buchthal (*1874) hatte in seinem Haus ein Geschäft für Stoffe, Wäsche und Bücher betrieben. Mit seiner Frau Frieda (*1881) wurde er am 31. März 1942 aus Gelsenkirchen in das Ghetto Warschau deportiert. Während Julius Buchthal als in Auschwitz verschollen gilt, ist für seine Frau kein letztes Lebenszeichen mehr bekannt. Der Sohn des Ehepaares, Rudolf (*1914), wurde noch vor seinen Eltern am 27. Januar 1942 in das Ghetto Riga deportiert und kam im KZ Stutthof um.
Erstellt in Partnerschaft mit der Gesamtschule Ückendorf, 2007