Geschichte ist derzeit im Gelsenkirchener Nordsternturm gleich doppelt zu erleben: Im denkmalgeschützten Ambiente des alten Förderturms zeigt das Nordstern Videokunstzentrum die Ausstellung A Sense of History.
Rund dreißig Videoarbeiten international bekannter Künstler aus der Sammlung des Kooperationspartners Neuer Berliner Kunstverein n.b.k. befragen gesellschaftliche Ereignisse und historische Phänomene mit den künstlerischen Mitteln des Bewegtbildes, beleuchten dokumentarisches Material aus verschiedenen kulturellen oder politischen Perspektiven und lassen spannende alternative Narrative zur gängigen Geschichtsschreibung entstehen.
Die gezeigten Werke umspannen einen Zeitraum von fünf Jahrzehnten kritischer Geschichtsrezeption in der Videokunst, von deren Anfängen in den 1960er Jahren bis heute. Die Bandbreite der Themen und eingesetzten künstlerisch-technischen Mittel ist entsprechend groß, so dass die Ausstellung zugleich auch einen guten Überblick über die großen Entwicklungslinien und die neuesten Tendenzen in der Videokunst gibt – rund die Hälfte der Arbeiten ist nach 2000 entstanden.
Mit monatlich wechselnden Themenführungen zu einzelnen Werken möchte das Nordstern Videokunstzentrum auch Kunstinteressierte ansprechen, die bisher noch wenig Berührung mit der Videokunst gehabt haben. Im September stehen zwei sehr persönliche, autobiografisch gefärbte Künstlervideos im Fokus, die in privaten Erinnerungsräumen die eigene Geschichte als subjektives Erleben erfahrbar machen und ihre persönlichen Erinnerungen in Beziehung setzen zum kollektiven Gedächtnis.
Der in Berlin lebende Künstler Jimmie Durham, indianischer Abstammung und früher in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung aktiv, erinnert in Songs of my Childhood (2014) seine traumatischen Kindheitserfahrungen im rassistisch geprägten Arkansas der 1940er Jahre. Durham singt in seiner Zwei-Kanal-Installation patriotische und religiöse Folksongs – „Lieder, die er loswerden möchte“ (songs to get rid of) – und kontrastiert sie mit lyrischen zärtlichen Liedern, „die er bewahren möchte“ (songs to keep). Auf diese Weise reflektiert er anhand des Liederkanons seiner Kindheit die Herausbildung individueller und kollektiver Identitäten und Erinnerungen.
Der libanesische Künstler Rabih Mroué, der zu den profiliertesten Künstlern des Nahen Ostens gehört, arbeitet an den Schnittstellen von Theater, Performance und bildender Kunst und versteht seine künstlerische Arbeit als politische Praxis. Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen im bürgerkriegsgeschüttelten Beirut, rekonstruiert Mroué in seiner Videoarbeit Face A/Face B (2002) in einer Art autobiografischer Reise die Stationen seines Lebens von der Kindheit in Beirut bis heute. Dazu mischt er alte Audiokassetten mit den Stimmen der verschiedenen Familienmitglieder und seiner eigenen Kinderstimme mit privaten Fotos, Liedern und historischem Bild- und Tonmaterial zu einer essayistischen Geschichte, die die Verflechtung des eigenen familiären Erlebens mit dem kollektiven Schicksal des Libanon deutlich werden lässt und politische Kritik und philosophische Reflexion zugleich ist.
Teilnahmegebühr: 6,- Euro.
Dauer ca. 1 Stunde.
Tel. 0209.35979240