© Musiktheater im Revier.
Eine Reise ist Bewegung von einem Ort zu einem anderen – aber sie erzählt auch etwas über den Reisenden und die Gesellschaft, in der er lebt. 1969 schickt der russische Autor und Lebenskünstler Wenedikt Jerofejew seinen namensgleichen Helden „Wenja“ auf eine Reise mit dem Zug, die vom Kursker Bahnhof in Moskau nach Petuschki führen soll.
„Warum nur bin ich ein Idiot, Dämon und Schwätzer in einem?“ Wenedikt (Wenja) säuft sich durch Moskau, will endlich den Kreml sehen und gelangt aber immer wieder zum Kursker Bahnhof zurück. Und endlich sitzt er im Zug nach Petuschki, mit Schnaps und Geschenken für die Geliebte und den Sohn. Bald fährt er im hochprozentigen „Dunstkreis“ von Mitreisenden, die sich traurige, tragisch-komische und wirre Geschichten erzählen - voller politischer Anspielungen. Historische Gestalten wie Gogol, Lenin, Marx, Tschechow und sogar die griechische Sphinx leisten ihm Gesellschaft - sie alle nisten in Wenedikts Gedanken, die immer mehr verschwimmen bis in revolutionäre Fantastereien. Und ganz nebenbei wird der sowjetische Alltag und seine verschlissene Ideologie in grotesker Weise entlarvt.
Im Getümmel des Ein- und Aussteigens an einem der Bahnhöfe gelangt er unbemerkt in den falschen Zug und fährt so nach Moskau zurück.
„Die Reise nach Petuschki“ wurde schon bald nach ihrer Veröffentlichung 1973 in Israel eines der populärsten Manuskripte im russischen Untergrund und durfte erst 1988 offiziell in Russland erscheinen. Es zeichnet das groteske Bild einer sozial und seelisch verwahrlosten Gesellschaft zu Sowjetzeiten. Ein aberwitziger Monolog eines Mannes, der den Namen seines Autors trägt und ihm auch sonst nicht unähnlich zu sein scheint. Dem Roman wurde am Platz des Kampfes in Moskau sogar ein Denkmal gesetzt.
Der beliebte Theater-, Film- und Fernsehschauspieler Rufus Beck leiht „Wenja“ seine aus vielen Hörspiel-Produktionen (u.a. „Harry Potter“) bekannte Stimme und macht sich gemeinsam mit dem virtuosen, vierhändig spielenden polnischen Klavierduo Anna und Ines Walachowski auf eine musikalische Reise voller witziger und skurriler Gespräche, beißender Seitenhiebe gegen das System, obszöner Anspielungen und ganz viel Sympathie für seinen Helden der Großstadt.