26. Mai 2009, 15:46 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Journalisten haben es auch nicht leicht. Müssen immer wieder einen neuen Dreh für eine Geschichte finden, eine markante Pointe, starke Bilder. Nicht erst im Zuge der Wirtschaftskrise treten viele von ihnen den Weg nach Gelsenkirchen an, weil sie sich all dies von unserer Stadt erhoffen.
Immer wieder erreichen uns Anfragen von überregionalen Medien, wenn es um Themen wie Arbeitslosigkeit, Investitionsstau, Aufbau Ost und „Abbau West" geht. Gern aber auch bei deren bunten Geschwistern, den Personality-Geschichten aus schwierigem sozialen Milieu, bei denen noch ein bisschen „Atmo", wie Medienleute das nennen, also Atmosphäre, gebraucht wird.
Oft „steht" die Geschichte längst, bevor die Teams in die Stadt kommen. Hier geht es dann noch um Bestätigung und ein kurzes Abhaken. Manchmal kommt es mir dabei ein bisschen so vor, als würde Gelsenkirchen neben Oberhausen, Bochum und vielen anderen Ruhrgebietsstädten in einem großen Branchenbuch für Journalisten stehen unter „A" wie „Armut" oder „E" wie „Elend". An uns wendet man sich, wenn man schon weiß, was man haben möchte und nur noch kurz den Liefertermin absprechen will.
Reporter sind enttäuscht, dass es hier Bäume gibt
Leider können wir aber offenbar nicht immer liefern, was von uns erwartet wird. Erst vor wenigen Tagen habe ich wieder ein Fernsehteam durch die Stadt geführt - und dabei auch unsere Baustellen und Probleme nicht verschwiegen. Bochumer Straße, Tossehof, Schalker Verein und vieles mehr haben wir uns angeschaut. Und immer wieder waren unsere Gäste enttäuscht. „Die Bilder taugen nichts. Es ist viel zu grün hier." „Hier ist zu wenig Elend." Oder: „Nee, der blaue Himmel passt gar nicht", waren die Reaktionen der Fernsehmacher, die sich Bilder aus dem Ruhrgebiet wünschten, wie sie es sich vorstellen.
Da frag ich mich ja manchmal: Was haben die denn für Vorstellungen? Dass wir uns etwa nur in alten Kohlenloren fortbewegen? Dass der Wind einzelne Büsche durch menschenleere Straßen weht?
Die Konfrontation mit der Wirklichkeit ist oft heilsam
Es ist immer ganz heilsam für uns alle, wenn die Wirklichkeit mal wieder in die konstruierte Medienrealität einbricht und sie erdet. Vieles relativiert sich, vieles ist viel weniger spektakulär. Unsere Probleme verschwinden dadurch ja nicht. Aber sie werden auch in der öffentlichen Meinung wieder zu dem, was sie sind. Probleme, mit denen mehr oder weniger jede Großstadt zu kämpfen hat. Herausforderungen, die man langfristig und beharrlich angehen muss. Und nicht jedes Problem eignet sich dazu, zum Symptom einer einzigen großen Universalkrise „hochgejazzt" und mit dem Ruhrgebiet verbunden zu werden.
Fernsehleute haben es dadurch natürlich noch schwerer. Aber sie wissen sich zu helfen: Die „Atmo"-Bilder des neuen Duisburger Schimanski-Krimis etwa werden mittlerweile längst in Köln gedreht...
Es grüßt Sie herzlich aus dem Rathaus
Ihr
Frank Baranowski