14. Dezember 2009, 11:39 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Theater gab's in Gelsenkirchen schon oft und immer wieder. Seit 50 Jahren hat es einen festen Platz in der Stadt. Und was für einen: Das Musiktheater im Revier wird 50 Jahre alt und setzt nach wie vor architektonische, künstlerische und nicht zuletzt auch politische Maßstäbe.
Man könnte als Oberbürgermeister einer Stadt mit einem solchen Theater eigentlich vor Stolz platzen - wenn dies nur nicht so provinziell und kleinkariert wäre. Und damit genau das Gegenteil dessen, was das Musiktheater im Revier repräsentiert: nämlich unbedingten Mut zur Offenheit, auch zur Weltoffenheit, zur Experimentierfreude, zur Kreativität, Mut zur künstlerischen Avantgarde, zur radikalen Infragestellung alles Überkommenen, Mut zur Eigenwilligkeit, zur Unverwechselbarkeit, zur Emanzipation der Kunst und Emanzipation durch Kunst und nicht zuletzt Mut zur Freiheit.
Das ist das Programm, dem sich das Musiktheater im Revier seit 50 Jahren verpflichtet fühlt - und zwar ebenso durch das, was in seinen Mauern geschieht, wie auch durch das Bauwerk selber. Dieses Programm schließt von Grund auf jedwedes Kirchturmdenken, provinziellen Stolz und Überheblichkeit aus. Damit ist uns die Existenz des Musiktheaters auch politisch ein Vermächtnis und ein Auftrag, den wir angenommen haben, dem die Stadt in den letzten 50 Jahren in unterschiedlichem Maße nachgekommen ist und dem sie sich heute mehr denn je verpflichtet fühlt.
Der Bau des Musiktheaters im Revier hat der Stadt Gelsenkirchen den Mief der 50er Jahre ausgetrieben und ihr gehörig den Wind der internationalen Kunstavantgarde um die Nase wehen lassen. Es war gleich in mehrfacher Hinsicht ein ungemein mutiges Signal der damaligen städtischen Verantwortlichen. Zum ersten: überhaupt ein Theater zu bauen. Das war nicht selbstverständlich in einer Industriestadt der 50er Jahre und verriet die Einsicht, dass in Gelsenkirchen nicht nur gegessen, geschlafen und gearbeitet werden soll. Nein, hier sollte auch gelebt werden. Und Leben ist immer auch Kultur.
Theaterbau war Auftakt für Kunstszene der 60er Jahre
Das zweite Signal war dann, genau ein solch architektonisch und künstlerisch spektakuläres Theater zu bauen. Die Offenheit der Verantwortlichen für die radikale Bauhüttenidee des Architekten Werner Ruhnau und die Beteiligung junger, damals noch unbekannter Künstler wie Yves Klein, Jean Tinguely, Norbert Kricke oder Robert Adams, die heute weltberühmt sind, hat zum Glück auch zahlreiche Widerstände überwunden. Die Beharrlichkeit zahlte sich aus. Der Musiktheaterbau rief weltweit begeisterte Reaktionen hervor. Als „Traumpalast" und als „fortschrittlichster Theaterbau der Welt" lobte ihn die britische BBC. Zugleich war die Künstlerkommune der Theaterbauhütte Startpunkt und Katalysator der bemerkenswerten Kunstszene des Gelsenkirchens der 60er Jahre. Mit Namen wie Uecker, den Künstlergruppen „Zero" und später B1, danach mit Beuys und der Freien Internationalen Universität wurde Gelsenkirchen für über ein Jahrzehnt europaweit zu einem wichtigen Ort progressiver Kunst.
Das Theater hat Gelsenkirchen gut getan
Das dritte Signal war, diesem Theater über nun fünf Jahrzehnte hindurch trotz erheblicher finanzieller Schwierigkeiten ordentliche Arbeit zu ermöglichen. Die Stadt Gelsenkirchen steht zu ihrem Theater. Und das Musiktheater im Revier zahlt dies Aufführung für Aufführung zurück. Regelmäßig wird es zu den besten Bühnen des Landes gewählt. Die Britten-Oper „Peter Grimes" wurde im letzten Jahr zur besten Inszenierung in NRW gewählt. Besucher aus ganz Deutschland kommen nach Gelsenkirchen, wenn sie aufregendes, junges Musiktheater sehen wollen. Unser Musiktheater im Revier bleibt damit bis auf den heutigen Tag ein hervorragender Botschafter der Stadt und der Region.
Das Theater hat der Stadt gut getan. Und es tut ihr weiter gut. Vielleicht mehr denn je. Deswegen gratuliere ich uns allen zu 50 Jahren Musiktheater im Revier.
Glück auf!
Ihr
Frank Baranowski