10. März 2010, 15:58 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Erinnern Sie sich noch an die „Heinze-Frauen"? Jene 29 mutigen Gelsenkirchener Arbeiterinnen, die vor rund 30 Jahren in einem bundesweit Aufsehen erregenden Musterprozess vor dem Bundesarbeitsgericht erstmals gleichen Lohn für gleiche Arbeit erstritten?
Man kann in der Rückschau nur darüber staunen, welche Dynamik dieser Fall erlangt hatte. 1980 sind die Arbeiterinnen von Foto Heinze rund um die Betriebsrätin Grete Prill von einer großen deutschen Frauenzeitschrift zu den „Frauen des Jahres" gekürt worden. Die Ruhrfestspiele in Recklinghausen widmeten ihnen ein eigenes Stück, 45.000 Solidaritätsunterschriften unterstützten die Klägerinnen bei ihrem Marsch durch die Instanzen. Schon beim erstinstanzlichen Gang zum Arbeitsgericht Gelsenkirchen im Jahr 1979 wurden die Frauen in einem Demonstrationszug von mehreren hundert Unterstützerinnen und Unterstützern begleitet.
Ich kann mich an die Stimmung in jener Zeit noch gut erinnern. Am Ende fieberte ganz Gelsenkirchen mit, ob die verfassungsmäßige Gleichstellung von Mann und Frau sich endlich auch in der Wirklichkeit widerspiegelt. Durch ihre erfolgreiche Musterklage machten die Gelsenkirchener „Heinze-Frauen" den Weg frei für eine Vielzahl ähnlicher Prozesse in ganz Deutschland.
Mir ist damals als Jugendlicher recht klar geworden, dass Rechte nicht abstrakt von irgendjemandem gegeben werden, sondern dass man sie sich nehmen muss, dass man sie einklagen muss, dass Emanzipationsbewegungen nie überflüssig werden. Die der Arbeitnehmer nicht, die der Frauen nicht. Dass nichts von allein kommt - und wenig von Dauer ist, wenn man nicht ständig aufpasst. Daran sollten wir uns in diesen Tagen mehr denn je erinnern, wenn wir auch in unserer Stadt den Internationalen Tag der Frauen begehen.
Erinnerung an mutige Streiterinnen für Frauenrechte
Es war in den vergangenen Jahren viel die Rede vom so genannten Postfeminismus, der nicht mehr hysterisch über Diskriminierung wachen müsse. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass das gewissermaßen eine Luxus-Position ist, die frau und man sich nur erlauben kann, weil es etwa in früheren Zeiten einmal die „Heinze-Frauen" gegeben hat. Wie gesagt: Nichts kommt von alleine...
Dieser Erinnerung an mutige Frauen an der Ruhr widmet sich ein Internet-Geschichtsprojekt im Rahmen der Kulturhauptstadt, an dem auch zahlreiche Gelsenkirchenerinnen beteiligt sind. Die „FRAUEN.RUHR.GESCHICHTE" hält viele spannende Geschichten wie etwa die der Heinze-Frauen bereit.
Manche Rosen haben tückische Dornen
Ebenso wie man sich anlässlich des Weltfrauentages vergegenwärtigen kann, dass Rechte nicht einfach vom Himmel fallen, kann man sich durch den Blick auf die Geschichte aber auch davon überzeugen, wie erschütternd wenig sich in einigen Bereichen getan hat. „Wir wollen Brot und Rosen" war schon 1912 Schlagwort der Frauenbewegung und wurde später zu ihrem Leitmotiv. Brot - für gerechte Entlohnung, Rosen - für ordentliche Arbeitsbedingungen und gesellschaftliche Anerkennung. Heute müssen wir feststellen, dass viele Rosen tückische Dornen haben. Und das, was als Anerkennung daherkommt, gelegentlich fiese Fixierungen in hergebrachte Rollenklischees birgt. Vom Brot mal ganz zu schweigen. Immer noch verdienen Frauen in denselben Jobs deutlich weniger als Männer, die Gehaltsschere geht sogar wieder weiter auseinander.
Wir haben also auch heute noch allen Grund, uns an das Beispiel der „Heinze-Frauen" zu erinnern.
Ihnen allen wünscht Brot und Rosen
Ihr
Frank Baranowski