20. Mai 2010, 10:45 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Dem Himmel über Gelsenkirchen sah man jahrzehntelang an, dass hier Kohle abgebaut und verfeuert wurde: am schwarzen Ruß, an der diesigen Waschküche. Heute ist der Himmel über der Ruhr längst blau. Aber für kurze Zeit kann man an ihm noch einmal unsere Herkunft ablesen - und gleichzeitig unsere Zukunft.
Das Kulturhauptstadtprojekt „SchachtZeichen" malt uns unsere Zechenstandorte im Ruhrgebiet jetzt noch einmal für eine Woche an den Himmel: gelb auf blau. Ein atemberaubendes Projekt, wie ich finde. Mit rund 350 großen gelben Ballons, die in bis zu 80 Metern Höhe weithin sichtbar markieren, wo einmal eine Zeche gestanden hat, wo ein Schacht in die Tiefe führte.
Untertage übertage: Dass, was einmal tief unter die Erde geführt hat, das sehen wir heute hoch über ihr schweben. Und das passt meiner Meinung nach ganz hervorragend. Denn wer früher das Ruhrgebiet verstehen wollte, der musste unter die Erde. Der musste einfahren in den Schacht und sehen, was das für eine Knochenmaloche war, auf der die Gründung einer ganzen Region fußte. Wie das, was da untertage passierte, nicht nur eine ganze Landschaft prägte, sondern vor allem auch die Menschen. Wie diese Arbeit eine Identität geformt hat, die man bis heute spürt - durchsetzt von unprätentiöser Schlichtheit und Solidarität.
Wer dagegen heute das Ruhrgebiet verstehen will, der muss nach oben. Der muss sich von oben anschauen, wie diese Kulturlandschaft wirklich zu einer Kulturlandschaft geworden ist. Wie aus Abraumhalden Landmarken geworden sind, wie in alten Zechen, Hütten und Gasometern neues Leben eingezogen ist, wie aus „Kathedralen der Arbeit" Stätten der Künste geworden sind. Wie Brachen begrünt wurden, Parklandschaften entstanden sind, wie Verkehrsadern unsere Stadtlandschaft durchschneiden und auch strukturieren. Wie schließlich das, was vor mehr als 150 Jahren einmal unter der Erde begann, auf der nicht viel mehr als ein paar Bauernhöfe standen, für das gesorgt hat, was nun über der Erde im Kulturhauptstadtjahr soviel Eigendynamik entfaltet.
Die "SchachtZeichen" weisen uns den Weg
Dass „SchachtZeichen" untertage und übertage miteinander verschränkt, ist das Geniale an diesem Projekt. Es zeigt zudem den starken Zusammenhang des Ruhrgebiets. Soweit das Auge reicht, zeigen die Ballons von Duisburg bis Hamm, was uns im Revier miteinander verbindet. Und hinter jedem einzelnen der 350 Ballons steckt dieselbe Geschichte: Erst kam ein Schacht, dann wurde eine Zeche daraus, um die Zeche herum gruppierte sich eine Siedlung, zwischendurch wuchs mal ein Ort heran - und alles wucherte irgendwie zusammen und wurde dann relativ willkürlich zu Einheiten strukturiert und zu Städten erklärt.
Die „SchachtZeichen" geben einen Überblick über das Revier. Aber die „SchachtZeichen" lenken auch den Blick auf das ganz Kleine, ganz Besondere: Denn wenn man genauer hinschaut, dann verbergen sich hinter jedem Ballon Menschen, die fest in ihrem Stadtteil verwurzelt sind, die mit viel Engagement „ihren" Ballon betreuen, ein Rahmenprogramm organisieren, die Erinnerung an „ihren" Schacht lebendig halten, mit dem sich immer noch viele identifizieren. Das ganz Kleine und das ganz Große: die Nachbarschaft, der Stadtteil und die zusammenhängende Riesenstadt Ruhrgebiet - das sind die beiden Seiten derselben Medaille, die als Metropole Ruhr zum Glänzen gebracht werden muss. Denn das, was uns in unserem Stadtteil das ganz Eigene ist, ist schließlich auch das, was uns im Ruhrgebiet auch alle miteinander verbindet - und worauf wir eine gemeinsame Zukunft bauen. Die „SchachtZeichen" weisen uns den Weg.
Glück auf!
Ihr
Frank Baranowski