19. November 2010, 11:44 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Manchmal denke ich: Bürgermeister einer dieser kleinen Speckgürtelstädte zu sein - das wär' doch was. Die Leute wären nur zum Schlafen hier, pendelten in die nahe Großstadt, wo sie auch Schwimmbad, Bücherei und Theater nutzen. Das alles müsste ich nicht bezahlen, meine Kommunalfinanzen wären in Ordnung und ich könnte über das arme Großstadtpack die Nase rümpfen.
Die Bewohnerinnen und Bewohner in den schmucken Eigenheimen sind gut situiert - meine Sozialausgaben sind deshalb darüber hinaus auch noch einmal geringer. Da kann ich es mir dann auch leisten, auf Einnahmen zu verzichten und meine kommunalen Steuern - Gewerbe- und Grundsteuer - nicht bis zum Anschlag auszureizen. Ja, so ein Speckgürtel-Bürgermeister hat es gut.
Aber wenn man nicht gerade selber einer ist, dann kann man das manchmal auch schon etwas ungerecht finden. Auf der einen Seite all die Angebote - die Museen, Theater, Büchereien, Krankenhäuser, die finanziert werden müssen. Auf der anderen Seite - die Nutzer, die nicht dafür zahlen müssen. Eine etwas ungleiche Symbiose. Nicht umsonst spricht man auch vom Stadt-Umland-Gefälle.
Dass die Finanznot der Kommunen längst alle Städte betrifft - auch die ehemals wohlhabenderen - relativiert das Gefälle etwas, beseitigt aber nicht dieses Ungleichgewicht. Und was derzeit an Plänen zur Behebung der Finanznot zu hören ist - das sind Konzepte, die am Ende jenes Gefälle weiter verstärken werden. Ein Hohn!
Alle Städte einig gegen Steuerpläne
Zu Recht hat der Deutsche Städtetag, an dessen Mitgliederversammlung ich jetzt als Vertreter der Stadt Gelsenkirchen teilnahm, sich in einer Resolution einstimmig gegen diese Pläne ausgesprochen. Soviel Einigkeit war nie. Alle 170 Mitgliedsstädte jeglicher politischer Couleur haben sich gegen jene Idee zur Finanzierung der Kommunen ausgesprochen, die nun im Bund erwogen wird und das Stadt-Umland-Gefälle weiter vertiefen würde: Statt der Gewerbesteuer sollten die Kommunen nun einen Aufschlag auf ihren Anteil an der Einkommensteuer erheben können - und zwar freiwillig.
Was das bedeuten würde, liegt auf der Hand: Die Städte würden sich in einem ruinösen Wettbewerb unterbieten, um ihre Einwohner nicht mit zu hohen Steuern buchstäblich aus der Stadt zu jagen. Und klar ist auch: Diejenigen, die es sich finanziell leisten können, werden am ehesten mit niedrigeren Steuern attraktivere Wohnorte. Und das sind - wie oben beschrieben - nun einmal die Speckgürtelstädte, die dadurch weiter wachsen würden - auf dem Rücken ihrer großen Nachbarstädte.
Irrsinn führt zur Verschärfung des Stadt-Umland-Gefälles
Wir haben das mal durchgerechnet: Wenn wir in Gelsenkirchen eine wegfallende Gewerbesteuer auch nur annähernd kompensieren wollten, müssten wir unseren Anteil an der Einkommensteuer weit mehr als verdoppeln. Das halte ich für ein äußerst fragwürdiges Konzept, um den - ohnehin schon an allen Ecken und Enden nicht auskömmlichen - finanziellen Status Quo der Städte zu halten.
Nicht umsonst also laufen die Städte einmütig Sturm gegen einen drohenden Wegfall der Gewerbesteuer und die Einführung eines solchen Einkommenssteuerzuschlags. Ein solcher Irrsinn würde die Stadt-Umland-Probleme verschärfen und zu dramatischen Verwerfungen führen. Stattdessen werden die Städte - und werde auch ich als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen - weiter darauf pochen, dass sie mit dem Geld ausgestattet werden, um die ihnen übertragenen Aufgaben auch erfüllen zu können. Die Kosten der Sozialleistungen sind dermaßen explodiert, dass die Städte derzeit schlichtweg überfordert sind.
Das muss jetzt sofort ein Ende haben.
Ihr
Frank Baranowski