07. September 2011, 16:25 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Vor zehn Jahren hat sich die Welt verändert. Der 11. September 2001 ist eines jener einschneidenden Ereignisse der Zeitgeschichte, bei denen jeder von uns heute noch weiß, wo genau er war, als jene unfassbaren Vorfälle geschahen. Ich werde das jedenfalls ganz sicher nicht vergessen. Ich war an diesem Tag in Washington D.C.
Mit einer Delegation junger Abgeordneter aus ganz Deutschland war ich gerade auf dem Weg zu einem Termin im Arbeitsministerium der amerikanischen Hauptstadt. Ich erinnere mich an einen warmen, sonnigen Spätsommertag, in den von einer auf die andere Sekunde der Ausnahmezustand einbrach. Schon in der Lobby des Ministeriums sahen wir die Fernsehbilder aus New York. Kurze Zeit später ertönte eine schrille Sirene mit dem Hinweis, so schnell wie möglich das Gebäude zu verlassen. Auf der Straße war bereits das Chaos ausgebrochen, Menschen flüchteten aus Gebäuden, rannten, weinten. Es hieß: Terroristen seien in der Stadt.
Bundespolizisten von FBI und CIA sowie Soldaten in Kampfanzügen hatten sich in Windeseile in den Straßen rund um das Capitol postiert. Aus einiger Entfernung war ein dumpfer Knall zu hören. Wir dachten damals an eine Detonation. Erst später wurde klar, dass ein Linienflugzeug ins Pentagon gestürzt war. Es spielten sich unwirkliche Szenen ab, die einen unweigerlich an einen Katastrophenfilm erinnerten. Das Weiße Haus wurde weitläufig abgesperrt, Geschütze waren auf seinem Dach postiert. Bis heute denke ich mit Gänsehaut an jene Stunden zurück. Und daran, wie in Windeseile Angst und Panik von einer Stadt Besitz ergriffen. Wie sich urplötzlich nicht nur eine Stadt veränderte, sondern ein ganzes Land.
Der 11. September 2001 war ein schrecklicher Anschlag - nicht auf die westliche Welt, wie oft geschrieben wird. Sondern ein Anschlag auf jedwede Kultur und alle menschlichen Werte. Und er war so perfide, weil er lange nachwirkte. Ja, im Grunde bis heute. Und am Ende dazu führte, die offenen Gesellschaften weniger offen, die freien Gesellschaften weniger frei zu machen. Und zwar paradoxerweise aus dem Bestreben heraus, gerade ihre Offenheit und Freiheit zu verteidigen.
Nicht aus Angst Werte verraten, die uns ausmachen
Und da hat es 2001 ein Erlebnis gegeben, das mir das ganz deutlich vor Augen geführt hat: Ich habe damals kurz nach den Anschlägen in einem amerikanischen Flugzeug gesessen, in dem die Fluggäste gemeinsam die Crew davon abgehalten haben zu starten, solange ein arabisch aussehender Passagier an Bord war. Das war pure Angst. Aber es war auch ein gespenstisches Erlebnis, das mir gezeigt hat, wie schnell sich eine offene Gesellschaft in ihr Gegenteil verkehren kann.
Zehn Jahre nach dem 11. September 2001 müssen wir auf allen Ebenen - auch auf der kommunalen - immer noch aufpassen, diesen Versuchungen nicht zu erliegen und uns nicht abzuschotten. Wir sollten uns nicht irre machen lassen. Uns keine Angst einjagen lassen. Und nicht aus Angst Werte verraten, die uns ausmachen.
Miteinander Reden statt übler Nachrede
In Gelsenkirchen hat, glaube ich, uns der 11. September 2001 nicht gespaltet, sondern noch enger zusammengeführt. Der interkulturelle Dialog, der hier seit fast 40 Jahren gepflegt wird, wurde noch weiter intensiviert. Dazu haben auch die muslimischen Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener beigetragen, die nach diesen schrecklichen Anschlägen deutliche Worte gefunden und darauf hingewiesen haben, dass der Islam Frieden bedeutet.
Ich bin mir ganz sicher, wir werden uns auch in Zukunft nicht irre machen lassen. Wir alle wissen, dass wir in unserer Stadt, in der Menschen aus über 150 Nationen leben, in der ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger einen Migrationshintergrund hat, nur gemeinsam eine Zukunft haben. Und alle gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass wir Offenheit gegen Abschottung, dass wir Toleranz gegen Abwertung, dass wir das Miteinander Reden gegen die üble Nachrede setzen.
Denn wir alle zusammen machen Gelsenkirchen aus.
Glück auf!
Ihr
Frank Baranowski