01. November 2012, 00:00 Uhr | Stadtbibliothek Gelsenkirchen
2012
Es passiert einem nicht alle Tage, dass man einem Folterer die Daumen drückt.
In dem Roman „Der Spezialist" ist es jedoch soweit.
Geiger ist ein Informationsbeschaffer, ein Virtuose seines Fachs. Es gibt niemandem, den er nicht zum Reden bringen kann. Dabei hat er nur 3 Einschränkungen: Keine Kinder, keine Kranken, keine Alten. Den Rest bringt er zum Reden. Immer.
Ein wenig unheimlich ist er auf den ersten Seiten schon. Akkurat, emotional unberührt, korrekt und gnadenlos. Seine Opfer nennt er alle „Jones", ihre echten Namen interessieren ihn so wenig wie ihre Herkunft. Dann aber bringt jemand ein Kind zu ihm und mit seiner Reaktion hat wohl niemand gerechnet.
Mark Allen Smith hat einen ungewöhnlichen Helden geschaffen. Geiger hat kein erkennbares Vorleben, keinerlei Gewissensbisse und doch besucht er wöchentlich einen Psychiater. Er kann mehr Schmerzen ertragen als jeder andere, wird aber von Migräneanfällen geplagt. Vor allem besitzt er Moral. Als er den Jungen Ezra vor sich sieht, zögert er keine Sekunde ihn zu beschützen. Das aber ist eine fatale Entscheidung. Immerhin wollen seine Auftraggeber auf die Informationen nicht verzichten und Geiger muss zum ersten Mal ohne Plan handeln.
Was für eine Handlung, was für eine Spannung. Von der ersten bis zur letzten Seite hetzt und treibt Mark Allen Smith seine Protagonisten durch die Handlung und schont dabei niemanden. Da fließt Blut, da werden Knochen gebrochen und Menschen an ihre Grenzen und darüber hinaus geführt. Mit unglaublicher Dynamik beschreibt Smith die Flucht des Folterers und des Kindes und seltsamerweise wünscht man Geiger recht bald, dass er mehr Unterstützer und Freunde finden möge. Dabei gibt Geiger nicht etwa vor, warmherzig zu sein oder einfach unverstanden. What you see is what you get. Und in Geiger sieht man hauptsächlich einen Meister seines Fachs. Warum er so wurde, wie er ist und warum er so handelt, wird geklärt, was der Geschichte noch mehr Dringlichkeit verleiht. „Der Spezialist" war für mich eine echte Überraschung. Ich fand das Thema zwar interessant, hätte aber nie geglaubt, dass mich das Buch dermaßen von den Socken haut. Ich kann definitiv sagen, dass ich mir sehr wünsche, der Autor möge mehr Thriller wie diesen schreiben.
Iris Jockschat
Thriller Smi
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