13. Dezember 2010, 11:44 Uhr | Stadtbibliothek Gelsenkirchen
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Wieder hat es die PISA-Studie aufgedeckt, deutsche Schüler leiden immer noch unter einer Leseschwäche und ihr mangelndes Textverständnis verbaut ihnen oft die Aussicht auf einen zufriedenstellenden Schul- und Bildungsabschluss. Vor allem bei Schülern ausländischer Abstammung sind die Defizite in der Lesefähigkeit bedenklich. Die Stadtbibliothek ist schon seit Jahrzehnten bemüht, mit ihren Angeboten gerade jungen Mitbürgern mit Migrationshintergrund zu helfen und sie zu unterstützen.
Im Schülercenter der Bibliothek an der Ebertstraße sind nicht selten nachmittags zwanzig bis dreißig Schüler versammelt, um sich in Teamarbeit auf die nächste Prüfung oder das Abitur vorzubereiten. Die eine Gruppe paukt Mathe, die andere sitzt über ihren Biologiebüchern und eine dritte interpretiert gerade Goethes „Iphigenie auf Tauris". Allen Schülern gemeinsam ist, dass sie fast ausnahmslos aus Migrantenfamilien stammen und die Stadtbibliothek als Lernort und -treffpunkt nutzen.
Die Bibliothek führt damit eine lange Tradition fort, die schon vor fast vierzig Jahren begann. Damals wurden die sogenannten „Gastarbeiter" eingeladen, Bücher in ihrer jeweiligen Muttersprache in der Bücherei auszuleihen. Bücher in türkischer, italienischer, spanischer, griechischer oder portugiesischer Sprache wurden gekauft und angeboten. Mit kleinen Länderfähnchen auf den Buchrücken waren sie schon optisch für die Benutzer schnell zu identifizieren. Erst waren nur Autoren aus den jeweiligen Ländern vertreten, doch bald konnten die Leser auch Heinrich Böll, Agatha Christie oder Stephen King in ihrer Muttersprache lesen.
Auch die Kinderbibliotheken hatten sich schon früh auf die kleinen Mitbürger mit nichtdeutschem Sprachhintergrund eingestellt und einen großen Bestand an fremdsprachiger Literatur bereit gestellt. Allmählich machten sie aber die Erfahrung, dass die Kinder sich zunehmend auch auf deutschsprachige Bücher stürzten. Heute haben sich Verlage schon darauf eingestellt, zweisprachige Kinderliteratur anzubieten, vor allem deutsch-türkische Bücher, die gerade zum Vorlesen gedacht sind, finden interessierte Eltern. So entwickelte sich im Laufe der Jahre das Bildungs- auch zu einem Integrationszentrum für Menschen mit Migrationshintergrund.
Bibliotheken - und das ist ein bundesweiter Trend - bekommen nicht nur in der Leseförderung deutschsprachiger Kinder eine zunehmende Bedeutung, auch für das Sprachvermögen von jungen Menschen, die fremdsprachige Wurzeln haben, werden sie außerhalb von Schule und Elternhaus immer wichtiger. Durch Bücher lernt man aber nicht nur, mit der Sprache geschickter umzugehen und sie besser zu beherrschen, sie vermitteln auch anschaulich die Kultur und die Lebensformen ihres Herkunftslandes.
Beim diesjährigen Vorlesewettbewerb waren unter anderem auch Banu und Aleyna, Raksha und Bahar am Start. Und die Siegerin, die aus einer türkischen Familie stammte, las „Sommer, Sonne, erste Liebe", ein Buch, das alle 12-jährigen Mädchen, egal welchen Sprachhintergrund sie besitzen, in diesem Alter wohl zu fesseln vermag.