01. Juni 2012, 14:20 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Sucht ist ein gesellschaftliches Problem. Suchtkrank wird zwar stets der oder die Einzelne – aber nie ohne den Beitrag Anderer. Die meisten Alkoholiker haben ihr erstes Bier aus Geselligkeit getrunken. Wetten beziehen ihre Spannung gerade daraus, dass auch auf das gegenteilige Ergebnis gesetzt wird. Und Tablettenmissbrauch wäre deutlich seltener, wenn Medikamente schwerer verfügbar wären.
Wir sind gut beraten, unsere gesellschaftliche Verantwortung für das Thema „Sucht“ ernst zu nehmen – und sie nicht, wie uns das manche nahelegen wollen, als eine Geschichte eines individuellen Versagens abzutun. Denn unsere Gesellschaft schafft nicht nur die Verlockungen, denen der Suchtkranke erliegt. Wir tragen auch durch unseren Umgang miteinander dazu bei, ob jemand in der nötigen Verfassung ist, den Verlockungen von Alkohol, Glücksspiel und Drogen zu widerstehen, ob er oder sie die erforderliche seelische Stabilität dazu hat, selbst in schwierigen Lebenslagen.
Heute und in den kommenden sechs Monaten geben wir in Gelsenkirchen mit der Präventions-Kampagne „100 % (er)leben" ein klares Statement zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung ab. Wir wollen mit Informationsveranstaltungen, Aktionstagen und Theateraufführungen über die verschiedenen Suchtgefahren aufklären. Und wir wollen junge Menschen gegen die Verführung eines ständigen Rausches stärken. Wir wollen die Botschaft weitertragen, die bereits im Titel anklingt: Es ist viel lohnender, 100 Prozent ungefiltert, pur zu erleben – als sein Lebensgefühl durch Rauschmittel zu verfälschen.
Aktionen unter einem gemeinsamen Dach
Diese Kampagne findet zum ersten Mal in diesem Umfang in Gelsenkirchen statt. Unterschiedliche Aktionen gab es schon vorher, aber nun finden sie Platz unter einem gemeinsamen Dach. Rund 30 Organisationen wirken mit bei diesem von der Fachstelle für Suchtvorbeugung und der Stadt zusammen koordinierten Veranstaltungsreihe: Schulen, Selbsthilfegruppen, Beratungs- und Informationsstellen, Schalke hilft – sie alle sind mit dabei. Dafür möchte ich den Beteiligten herzlich danken! Sie tragen dazu bei, dass junge Menschen besser vorbereitet durch das Leben gehen und gegen viele Anfechtungen besser gewappnet sind!
Es kann sehr gut sein, dass unsere Kampagne einmal einen wichtigen Einfluss auf das Leben der heute noch jungen Leute hat. Für präventive Maßnahmen brauchen wir Geduld und einen langen Atem. So ist das auch bei der präventiven Familien- und Bildungspolitik, für die wir uns als Stadt Gelsenkirchen einsetzen – den möglichst frühen Bildungs- und Betreuungsangebote für Gelsenkirchener Kinder. Zu diesem Ansatz passt die Suchtprävention: Die Erfolge werden wir erst in einigen Jahren sehen. Und doch ist es richtig, diese Arbeit heute anzugehen!
Einen besonderen, persönlichen Dank möchte ich an dieser Stelle noch allen Mitwirkenden von den Selbsthilfegruppen aussprechen. Vor allem den Damen und Herren, die gleich in der Talkrunde mit über ihre Erfahrungen sprechen werden. Dafür gebührt Ihnen großer Respekt. Ich kann mir vorstellen, dass für die Betroffenen der Schritt in die Öffentlichkeit alles andere als leicht ist. Aber er hilft, die Gefährdungen begreifbar zu machen – und auch nachvollziehbar zu machen, was sie durchgestanden haben.
Ich wünsche der Kampagne einen guten Verlauf – und eine möglichst große Wirkung! Glück auf!