23. Mai 2025, 20:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Liebe Gelsenkirchenerinnen, liebe Gelsenkirchener,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
seit Wochen schon verwöhnt uns der Himmel mit Sonnenschein, mit Wetter zum Eis-Essen und zu allerhand schönen Aktivitäten – da ist es keine Frage mehr: Es ist höchste Zeit für unseren städtischen Frühjahrsempfang 2025!
Und dazu will ich Sie nun von Herzen begrüßen, in dem Gebäude, das mit seiner Fensterfassade vermutlich von allen am meisten Frühjahr-Stimmung einfängt: Seien Sie ganz herzlich willkommen in unserem Musiktheater im Revier!
Egal in welchem Bereich Sie, liebe Gäste, sich in Gelsenkirchen engagieren, wo Sie unsere Stadt mitgestalten und voranbringen – ich freue mich sehr, dass Sie hier sind!
Und ganz besonders freue ich mich darüber, dass auch in diesem Jahr wieder die besten Absolventinnen und Absolventen der Gelsenkirchener Schulen und Ausbildungsgänge da sind: Junge Frauen und Männer, die in dieser Stadt noch einiges bewegen werden. Wenn Sie ihnen zu den bereits erbrachten Leistungen gratulieren mögen: Jetzt wäre ein richtig guter Zeitpunkt dafür!
Und wenn Sie schon applaudieren, dann machen Sie doch gerne weiter – denn ein kleiner Dank an unseren heutigen Sponsor, an die Sparkasse Gelsenkirchen, fände ich eine schöne Geste. Vielen Dank, lieber Herr Lukas!
Ja, meine Damen und Herren: Wir kommen zusammen in einer besonderen Zeit, einem besonderen Jahr. Sie haben gerade den Film gesehen; vielleicht waren ja auch Sie schon bei den beiden wirklich schönen Bezirksfesten im Osten und Norden und haben sich eingestimmt in unser Jubeljahr.
150 Jahre ist es her, dass jener Teil Stadt, den wir heute Altstadt nennen, Stadtrechte bekam. Und was war so etwas wie der Startschuss unserer Stadtgeschichte, was wir wörtlich verstehen dürfen: Die neue Stadt breitete sich rasant aus, verband sich mit Dörfern und Zechensiedlungen, wuchs und wuchs, bis sie keine kleine Stadt mehr war, sondern eine große.
Dann schlossen sich zwei Großstädte zusammen, Gelsenkirchen und Buer, Horst kam hinzu – und so entstand in kaum mehr als 50 Jahren eine Industriestadt von über 300.000 Einwohnern.
Man kann es nicht anders sagen: Unserer Stadt ist unglaublich schnell gewachsen. Sie hat in wenigen Jahrzehnten absolviert, wofür andere Jahrhunderte Zeit hatten. Und inzwischen wissen wir: Dieses Tempo hat sie beibehalten. Gelsenkirchen ist nicht zum Museum irgendeiner goldenen Vergangenheit geworden, sondern lebt und pulsiert weiter. Immer wieder haben wir neu angepackt, mutige Entscheidungen getroffen, Neues geschaffen.
Denken Sie nur an dieses Haus, das in den späten 50er-Jahren errichtet wurden, mit der Idee, die Hochkultur zu den Arbeitern zu bringen – viel Glas in einer Stadt der Hochöfen und Kokereien, und ein ganz schöner Reinigungsbedarf bei der damals noch rußgeschwärzten Luft.
Viele haben gesagt: Was soll das hier? Und wer ist eigentlich dieser Yves Klein? Es hat etwas gedauert, aber inzwischen wissen die Leute es. Sogar weltweit.
Das ist das erste, was wir aus der Geschichte mitnehmen: Dass wir uns erneuern können, immer wieder, manchmal von Grund auf, besser als andere, weil wir nicht am Alten klammern.
Das zweite ist: Unsere Stadt wäre nie so groß geworden ohne die Menschen, die aus allen möglichen deutschen Landstrichen gekommen sind, aus Polen, der Türkei und so vielen andern Ländern. Ohne sie und unsere Bereitschaft zum guten Miteinander wäre Gelsenkirchen nicht Gelsenkirchen! Und ja, auch das stimmt: Auch früher gab es schon Integrationslasten.
Und das dritte ist, da dürfen wir ehrlich sein: Dass die Übergänge selten leicht waren. Oft wurden sie mit Sorgen erlebt, mit Verlustängsten. Mit der bangen Frage: Wie geht’s jetzt weiter? Und auch: Wer kommt da zu uns?
Aber es ging weiter, immer. Schalke stieg ab, mehr als einmal leider, stieg aber auch wieder auf und holte nach der Rückkehr sogar europäische Titel – vielleicht erleben wir auch das ja noch einmal. Industrien gingen, andere kamen. Und wieder andere Menschen wurden integriert.
In einer solchen Phase befinden wir uns auch jetzt. Wieder macht uns der Wandel Sorge, und ja, Integration ohne Arbeit ist ein Problem. Und wieder wird von vielen als schwierig empfunden, dass das Alte vorbei ist, das Neue sich aber erst noch durchsetzen muss.
Dabei zeigt es sich schon, in Ansätzen.
Das Neue entsteht, nur wenige hundert Meter von hier, an der Overwegstraße, wo wir den Bildungs- und Innovationscampus errichten; ein echtes Leitprojekt und vor allem ein Motor der künftigen Stadtentwicklung.
Warum? Weil es der Ort sein wird, von dem aus junge, talentierte, gut ausgebildete Menschen in diese Stadt gehen, um hier anzupacken und was aufzubauen!
Wir setzen auf die berufliche Bildung, weil es das ist, was unsere Unternehmen brauchen, die auf Fachkräfte angewiesen sind – weil es aber auch das ist, was unsere jungen Menschen brauchen.
Die Chance, Fuß zu fassen auf dem Arbeitsmarkt, für sich selbst sorgen zu können, für die Familie. Das sind wir den jungen Gelsenkirchenern schuldig – und das hilft unserer ganzen Stadt!
Genauso haben wir im Stadtnorden ein wirtschaftspolitisches Leitprojekt mit der Neuen Zeche Westerholt, die in wenigen Jahren zu einem außergewöhnlichen Standort wird.
Und wir setzen Akzente mit dem riesigen Schulbauprojekt, nie zuvor haben wir so viele Schulen neu gebaut und bestehende ertüchtigt:
Wir legen in unserer Stadt eine gewaltige Bildungsoffensive hin – denn auch das gehört zur Geschichte des steten Wandels: Die zeitweise schrumpfende Stadt wächst ja wieder – auch das eine echte Wende in der Stadtgeschichte!
Das letzte großes Vorhaben, das ich nennen will und das unsere Stadt verändern und voranbringen wird, ist die Zukunfts-Partnerschaft Wohnen, mit der wir Problemimmobilien vom Markt nehmen und dann sanieren oder eben abreißen – um Platz für Neues zu machen – und um Quartiere und ganze Stadtteile wieder zu stabilisieren und voranzubringen.
Und das sind nur die vier ganz großen Projekte. Daneben gibt es noch viel Raum, um weitere Vorhaben zu starten, um das Richtige zu tun, um sich für die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener einzusetzen.
Denn wir alle können ja eine Menge tun, und viele tun es ja auch, wenn ich nur an das Engagement so vieler Vereine denke, das ich im Laufe des Jahres erlebe, das nicht nur mich begeistert und das gerade erneut sichtbar wurde, an den zurückliegenden Wochenenden, bei den Bezirksfesten!
Wer da hinschaut, erkennt: Unsere aktuelle Lage bietet keinen Grund, die Hände in den Schoss zu legen oder gar zu verzagen!
Und erst recht – das will ich gerne in so deutlich sagen – erst recht bietet unsere Stadtgesellschaft keinen Grund, sich gegen dieses Gemeinwesen zu entschieden – etwa in der Form, die wir zuletzt leider häufiger erlebt haben, in der Form, dass man bei Wahlen gegen unsere Verfassung stimmt, für Kräfte außerhalb des verfassungsgemäßen Spektrums! Denn das ist einfach eine Stimme gegen unser Zusammenleben und gegen uns alle!
Nichts, aber auch gar nichts wird davon besser! Im Gegenteil. Und angesichts der meist stolzen, zum Teil auch dunklen Geschichte dieser Stadt, der wir in allen Facetten Schattierungen gerecht werden wollen, wie auch angesichts der Zukunftschancen, die Gelsenkirchen als wachsende Stadt einfach hat – angesichts dessen ist ein Votum gegen unser Gemeinwesen einfach keine Option!
Wobei mir nun das Stichwort „Verfassung“ die Möglichkeit bietet, Ihnen unseren heutigen Gast vorzustellen. Im Jahr 2014 hat die Bundesrepublik ihr 65-jähriges Bestehen gefeiert – was, nun, fast so schön war wie 150 Jahre Stadtrechte…
In der Feierstunde des Deutschen Bundestages zu 65 Jahre Grundgesetz hielt der Schriftsteller Navid Kermani die Festrede, und diese Rede hat mich und viele Menschen sehr beeindruckt.
Warum? Weil er auf schöne Art beschrieben hat, warum dieses Grundgesetz so großartig ist und warum dieses Land so liebenswert.
„Danke, Deutschland!“, sagte Navid Kermani vor elf Jahren im Bundestag, was ich eine schöne Haltung finde gegenüber unserem Gemeinwesen. Nicht unkritisch, nun wirklich nicht, aber eben auch anerkennend gegenüber dem, was es für uns leistet.
Oder besser gesagt: Was wir gemeinsam füreinander und miteinander in diesem Gemeinwesen leisten.
Dass sich Navid Kermani nicht auf Lob und Preis beschränkt, hat er übrigens kürzlich zum Ausdruck gebracht, als er eine Verwahrlosung des öffentlichen Raums in seiner Stadt, in Köln, beklagte. Auch ein Thema, das wir von irgendwoher kennen…
Es gibt also etliche Bezüge zu unserem Gelsenkirchen, und darum freue ich mich sehr, dass Sie, lieber Herr Kermani, heute unser Gast sind, und dass Sie mit uns über das sprechen, was ein gutes Zusammenleben ausmacht und braucht!
Und diese Chance bietet sich heute, abermals im Mai, ziemlich genau 76 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes.
Herzlich willkommen, Navid Kermani!