20. August 2015, 17:15 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Rede von Oberbürgermeister
Frank Baranowski
- Es gilt das gesprochene Wort –
Achtung Sperrfrist!
Frei zur Veröffentlichung ab 16.30 Uhr
GE. So früh wie nur selten konnte ich Sie heute zur ersten Ratssitzung nach der Sommerpause begrüßen – und so früh wie noch nie bringen wir in dieser Sitzung den Haushalt für das kommende Jahr ein.
Dass wir das tun können, das hat natürlich mit dem sehr zeitigen Ferienbeginn in diesem Sommer zu tun – und dem entsprechend frühen Ende der Ferien. Es hat auch und in starkem Maße damit zu tun, dass zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung umfangreiche Vorarbeiten geleistet haben – wofür ich mich gerade bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kämmerei, bei der Kämmererin wie auch ihrem Vorgänger ganz herzlich bedanken möchte!
Vor allem aber ist dieser Termin ein Resultat daraus, dass wir in Gelsenkirchen in den vergangenen Jahren eine umsichtige und zielorientierte Politik etabliert haben, die eine frühzeitige Haushaltsplanung möglich macht. Deshalb betrachte ich dieses „So-früh-wie-noch-nie“ nicht als Laune des Sitzungskalenders, sondern halte es vielmehr für einen sehr passenden Ausdruck dafür, wie wir in Gelsenkirchen die Zukunft gestalten – nämlich mutig und vorausschauend. Mit der Entschlossenheit, die vor uns liegenden, nach wie vor nicht gerade kleinen Herausforderungen, anzunehmen und zu meistern. Und mit dem Willen, die richtigen Themen frühzeitig zu erkennen – und gründlich sowie angemessen anzugehen.
Die lange Linie: Ein großes Erneuerungsprogramm für Gelsenkirchen
So gestalten wir Zukunft, seit Jahren schon, und so soll es auch 2016 sein. Mit dem Haushalt 2016 wollen wir unser großes, auf Jahre angelegtes Erneuerungsprogramm für Gelsenkirchen fortsetzen. Ein Programm, bei dem wir Erneuerung anstreben, ohne dabei stadtprägende Strukturen und Einrichtungen in Frage zu stellen. Und auf diesem langen und anspruchsvollen Weg planen wir nun die nächste Etappe. Wobei es sich da – wie bei jeder Zwischenstation auf einem Mehr-Etappen-Weg – lohnt, sich noch einmal vor Augen zu halten: Wo kommen wir eigentlich her? Was haben wir bereits geschafft – und wieviel müssen wir noch leisten?
Darum Hand aufs Herz: Wer von uns hätte vor 20 Jahren wirklich gedacht, dass heute auf dem Nordsterngelände wieder über 700 Menschen ihr Geld verdienen – mit qualifizierter Dienstleistungsarbeit? Wer hätte vor 10 Jahren ernsthaft prognostiziert, dass Gelsenkirchen schon 2015 als eine der besten Städte für junge Familien weit und breit angesehen wird?
Die großen Projekte der baulichen Erneuerung nach dem Strukturbruch – von Consolidation über den Schalker Verein bis Graf Bismarck – sind inzwischen abgeschlossen. Das Gesicht vieler Stadtteile hat sich gewandelt, auch das der Innenstädte, denken wir an die Domplatte oder die Kulturmeile. Bald können wir nach der Neugestaltung rund um den Heinrich-König-Platz auch ähnliches von der Gelsenkirchener City sagen.
Der zweite Schwerpunkt des Erneuerungsprogramms ist genau beeindruckend: Wir haben im zurückliegenden Jahrzehnt einen Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote hingelegt, der seinesgleichen sucht. Bevor ich Oberbürgermeister wurde, hatte die Stadt den Gelsenkirchener Eltern und Kindern gerade mal 60 Plätze im Offenen Ganztag anzubieten – heute sind es mehr als 2.800. Noch im Jahr 2008 gab es lediglich 500 Betreuungsplätze für Unter-Dreijährige – mittlerweile haben wir über 2.000. Und dabei haben wir nicht nur Quantität geschaffen, sondern auch die notwendige Qualität vieler Angebote auf ein ganz neues Niveau gebracht!
Wir können also schon heute auf sehr bemerkenswerte Leistungen zurückblicken. Auf Leistungen, die das Leben vieler Menschen besser machen, gerade von jungen Familien, die für die Zukunft unserer Stadt so wichtig sind. Leistungen, die nicht vom Himmel gefallen sind, sondern nur aufgrund von mutigen Entscheidungen, von Geduld und Disziplin möglich waren – und auf denen wir nun aufbauen können. Darum können jetzt Aufgaben, die in den zurückliegenden Jahren teilweise zurückstehen mussten, etwas stärker zum Zug kommen.
Konkret heißt das: Wir wollen 2016 verstärkt in die Erneuerung der gebauten Infrastruktur investieren. Und damit können wir schon vor Beginn des nächsten Haushaltsjahres starten, weil uns aller Voraussicht nach jetzt schon bald, noch im Herbst zusätzliche Mittel aus dem Kommunal-Investitionsfördergesetz zur Verfügung stehen.
Das Land hat ja in dieser Woche seine Pläne für einen Verteilungsschlüssel bekanntgegeben, und erfreulicherweise schneidet Gelsenkirchen ganz gut ab. Wenn die Pläne Gesetzeskraft erhalten, dann stehen uns für die nächsten dreieineinhalb Jahren etwas mehr als 42 Millionen Euro zur Verfügung – und das ist schon ein nennenswerter Betrag, der uns das Investieren ein gutes Stück erleichtern wird!
Das ungelöste Problem: Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen
Natürlich ist das eine Chance, die wir gerne ergreifen. Keine Frage. Aber, und das will ich nicht unter den Tisch fallen lassen: Dieses Geld – das ist kein nettes Geschenk, das ein großzügiger Onkel vorbeibringt und für das wir nun artig „Danke!“ sagen müssen. Nein, es ist vielmehr eine Chance, die wir uns selbst erarbeitet haben! Es ist eine Chance, die es nur deshalb gibt, weil sich gerade die Kommunen aus dem Ruhrgebiet dafür ins Zeug gelegt haben. Weil wir nicht bloß geklagt, sondern auch die richtige Ansprache und den richtigen Ansatz gefunden haben – wir, Oberbürgermeister, Landräte und Kämmerer aus dem Ruhrgebiet, wobei ich auch den Beitrag von Dr. Georg Lunemann und Karin Welge hervorheben möchte!
Allerdings: So gern ich diesen Erfolg wahr- und diese Mittel annehme, so sehr ist mir auch bewusst, wie begrenzt die Reichweite dieser Förderung ist. Ja, sie gibt uns mehr Spielraum für Investitionen – für dreieinhalb Jahre. Ja, sie ermöglicht es uns, Investitionen mit den Zielen des Stärkungspaktes in Einklang zu bringen – aber das grundlegende Problem der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen ist damit nicht mal im Ansatz gelöst! Hier muss dringend noch mehr passieren!
Viele ganz entscheidende Aspekte des Themas Kommunalfinanzen – wie etwa die schon seit langem versprochene Übernahme der Eingliederungshilfe – sind noch immer unbearbeitet; von der chronischen Schieflage durch die Kosten für die Unterkunft etwa oder dem Mangel an einer verlässlichen Kommunalsteuer ganz zu schweigen!
Wenn nun also im Herbst Gespräche über die Finanzbeziehungen in unserem Staat anstehen – Gespräche, in denen die Weichen für mehrere Jahre gestellt werden –, dann gehört die Verbesserung der Kommunalfinanzen mit auf die Agenda, und zwar weit oben. Wenn ich nun jedoch zur Kenntnis nehmen muss, dass die Kommunen bei diesen Gesprächen gar nicht mit dabei sein sollen; dass die für die Bürgerinnen und Bürger sichtbarste und wichtigste politische Ebene nicht mal einen Platz am Katzentisch haben soll – dann gibt das für den Moment nicht viel Grund zu Optimismus. Dann wird da eine Ignoranz und Kommunenvergessenheit erkennbar, die einfach nur ärgerlich ist!
Und damit mir hier nicht Einseitigkeit vorgeworfen wird, sage ich gerne deutlich: Dies gilt sowohl für das Land als auch für den Bund! Deshalb sind wir alle aufgefordert, unseren Protest kundzutun und diese Gespräche kritisch und aufmerksam zu begleiten! Und falls jetzt jemand einwendet: Was soll das schon bringen? – dann verweise ich gerne auf das Kommunal-Investitionsfördergesetz; da haben wir gesehen, was sich bewegen lässt. Ich jedenfalls bin froh über die zusätzlichen Mittel, die wir uns erarbeitet haben!
Investitionen, die das Wohn- und Lebensumfeld der Menschen in Gelsenkirchen verbessern
Für diese Mittel soll nun gelten: Wir wollen sie vollständig abrufen und für Gelsenkirchen einsetzen – es soll möglichst kein Cent liegenbleiben oder zurückfließen! So, wie es uns beim Konjunkturpaket 2 gelungen ist, das Geld komplett für nachhaltige Projekte zu verwenden wie etwa die Sanierung der Sporthalle Schürenkamp, den Neubau der Kita Johanniterstraße oder die Erweiterung der Gemeinschaftsgrundschule Heistraße – genauso wollen wir auch jetzt Projekte realisieren, bei denen relativ weitgediehene Pläne teilweise schon vorliegen.
Davon gibt es, da verrate ich kein Geheimnis, sowohl im Hoch- wie Straßenbau mehrere. Dazu gehören zum Beispiel Arbeiten an mehreren Gelsenkirchener Straßen, nicht nur, aber auch der Kurt-Schumacher-Straße; dazu gehören die barrierefreie Umgestaltung der beiden Förderschulen an der Polsumer Straße wie auch der Turfstraße. Und genauso wie diese beiden Schulen werden wir auch andere öffentliche Gebäude energetisch sanieren – und damit Investitionen vornehmen, die uns in Zukunft Kosten sparen.
Zudem habe ich eine starke Präferenz, dass wir uns mit diesen Fördermitteln perspektivisch Spielraum schaffen für größere Projekte, die aufgrund ihres Kostenvolumens bislang noch nicht realisiert werden konnten. Ich denke da an die Sanierung der Schauburg oder die Umgestaltung des zentralen Busbahnhofs in Buer, zu der ja vorgestern eine Bürgeranhörung stattfand. Wenn die Realisierung solcher Projekte durch die Investitionshilfe möglich sein sollte, dann sollten wir die Chance ergreifen!
Ganz sicher aber haben wir für das nächste Jahr eine konkrete und umfangreiche Aufgabenliste, die – wenn sie abgearbeitet ist – das Wohn- und Lebensumfeld vieler Menschen in Gelsenkirchen spürbar verbessern wird: Hier direkt vor der Tür des Hans-Sachs-Hauses werden 2016 die Arbeiten am Heinrich-König-Platz und Neumarkt abgeschlossen; sie gehen dann auf der Ebertstraße hin zum MiR weiter. Neue Bauarbeiten beginnen am Grilloplatz in Schalke, den wir nach den Wünschen und Bedarfen vieler Menschen aus dem Stadtteil umgestalten. Die Erneuerung der Bochumer Straße wird fortgesetzt, in Hassel wird die Nachfolgenutzung der Bergwerksfläche vorangebracht, zudem wird Rotthausen 2016 Fördergebiet der Stadterneuerung, als inzwischen 11. von 18 Gelsenkirchener Stadtteilen. Bald waren zwei von drei Stadtteilen Fördergebiet der Stadterneuerung – ich wüsste nicht, welche andere Stadt ein vergleichbares Programm absolviert hätte!
Impulse durch Digitalisierung und Neuaufstellung Wirtschaftsförderung
Meine Damen und Herren,
wenn wir über unsere Infrastruktur reden, dann reden wir auch über digitale Infrastruktur. Gelsennet treibt gegenwärtig den Breitband-Ausbau voran, dazu haben wir in Zusammenarbeit mit Huawei erste kostenfreie W-LAN-Hotspots geschaffen – entlang der Bahnhofstraße, in der ZOOM Erlebniswelt, im Bildungszentrum, im Wissenschaftspark und demnächst auf der Hochstraße in Buer. Sämtliche Gelsenkirchener Schulen erhalten einen kosten- und werbefreien Zugang zu schnellem Internet, im kommenden Jahr werden wir stadtweit 100 solcher Hot Spots haben.
100 öffentliche und kostenfreie Web-Zugänge: Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir in Gelsenkirchen die Chancen der Digitalisierung entschlossen ergreifen – als gesamte Stadtgesellschaft. Digitalisierung wird 2016 Querschnittthema der städtischen Entwicklungsstrategie, mit Blick auf Beschäftigung, Bildung und Teilhabe. Das beginnt bei der technischen Ausstattung, führt über die Verfügbarkeit und Verwertung einmal erhobener Daten, Stichwort Open Data, bis hin zur Zusammenarbeit mit den Unternehmen.
Zur Zusammenarbeit mit Industriebetrieben, deren Fertigungsprozesse sich durch die digitale Steuerung enorm wandeln; mit Logistikern und der Gesundheitsbranche; mit unserem Einzelhandel, für den Handel 2.0 ein echte Chance sein kann; mit Energie- und Wasserversorgern. Auf all diesen Feldern werden wir Vernetzung vorantreiben – und wenn ich Gelsenkirchen heute mit anderen Städten vergleiche, dann muss ich sagen: Wir brauchen uns dabei nicht zu verstecken. Auf dem Weg zur Smart City sind wir schon ziemlich weit vorangekommen!
Die Digitalisierung kann unserer regionalen und lokalen Wirtschaft neue Impulse verleihen. Impulse, da müssen wir uns nichts vormachen, die nach wie vor dringend erforderlich sind. Genau deshalb wollen wir auch unsere Wirtschaftsförderung ausbauen und die Beratung der Unternehmen noch etwas intensivieren. Zugleich wissen wir nach einem guten Jahrzehnt des Beschäftigungsaufbaus: Selbst wenn jedes Jahr mehrere hundert zusätzliche Stellen entstehen – selbst dann wird die Arbeitslosenquote in der Region nicht rasant sinken. Nachdem wir die Arbeitslosenquote von 25 auf unter 15 Prozent gedrückt haben, scheinen wir an einem Punkt angelangt zu sein, an dem sich Beschäftigungszuwachs nur noch mit Verzögerung auf die Arbeitslosenquote auswirkt.
In dieser Situation muss man so ehrlich sein und einräumen: Echte und große Fortschritte sind auf mittlere Sicht nur mit einem passgenauen Instrument möglich – mit einem sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose. Wobei ich mit echten Fortschritten nicht allein den statistischen Effekt meine, sondern den sehr konkreten menschlichen Fortschritt, der darin besteht und bestehen muss, dass wir neue Lebenschancen für Frauen und Männer in unserer Stadt schaffen, von denen zu viele schon zu lange auf eine Chance warten! Auf die Chance, tätig zu sein und für sich selbst sorgen zu können! Und darum muss ich sagen: Der Gelsenkirchener Appell war nicht nur richtig, er ist auch unvermindert aktuell: Wir brauchen in Gelsenkirchen einen sozialen Arbeitsmarkt – und es wäre gut, wenn die Vertreter der Bundespolitik das auch endlich einsehen!
Flucht und Zuwanderung: Mehr staatliches Engagement nötig
Dabei ist dies nur eines von mehreren Beispielen dafür, dass gerade der Bund seine gesamtgesellschaftliche Verantwortung deutlich stärker wahrnehmen muss, als er es derzeit tut. Ein zweites, sehr aktuelles Beispiel ist – natürlich, muss man fast sagen – das Thema Flucht und Zuwanderung. Wir leisten bei der Aufnahme von Flüchtlingen in diesem Jahr deutlich mehr, als unsere Kapazitäten eigentlich hergeben. Und das wirft natürlich die Frage nach der Lastenverteilung auf.
Sie haben mitbekommen, wie wir vor wenigen Wochen in Gelsenkirchen innerhalb von wenigen Stunden 150 Menschen aufgenommen haben – für die wir die Erstaufnahme geleistet haben, weil das Land uns um Hilfe gebeten hat. Keine Frage: Wenn so dringend Hilfe nötig ist, dann zögern wir nicht, dann helfen wir. Wenn Menschen auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung, vor Elend und Ausweglosigkeit sind und deshalb bei uns Schutz und Obdach suchen, dann bekommen sie hier genau das: Schutz und Obdach. Wir in Gelsenkirchen wissen, was Solidarität ist. Wir ducken uns nicht weg.
Ich war darum, das will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, sehr froh darüber, wie gut uns das an der Mehringstraße gelungen ist – und wie gut uns das an vielen anderen Stellen auch gelingt. Mehr noch: Ich bin stolz darauf, wie die Menschen gerade vor wenigen Wochen in Scholven reagiert haben – mit einer teilweise sehr bewegenden Hilfsbereitschaft!
Aber richtig ist auch: Wir übernehmen derzeit viele Aufgaben – neben der Aufnahme von Flüchtlingen ist da ja auch die Integration von Menschen aus Südosteuropa zu nennen: Wir übernehmen Aufgaben, bei denen der Gesamtstaat gefragt ist, bei denen Land, Bund und EU in der Verantwortung für vernünftige Abläufe und eine auskömmliche Finanzierung stehen, um das Mindeste zu sagen. Und an dieser Stelle kommt es mir schon merkwürdig vor – und das sage ich im Bewusstsein, dass auch meine Partei an der gegenwärtigen Bundesregierung beteiligt ist – es kommt mir merkwürdig vor, dass der Bund just in diesem Jahr seine schwarze Null feiert, statt die gesellschaftliche Wirklichkeit im Blick zu haben!
Den Mut, anzupacken!
Meine Damen und Herren,
wir erleben derzeit erhebliche Veränderungen, dramatische Entwicklungen in nahen Weltregionen, Unsicherheiten in Wirtschaft und Finanzwelt – alles Einflüsse, die auch uns nicht unberührt lassen können. Umso wichtiger ist es darum, dass wir in unsere Stadt weiterhin menschlich agieren; dass wir hier kluge Entscheidungen treffen und umsetzen.
Ich habe eingangs gesagt: Wir treten der Zukunft mutig entgegen, identifizieren vorausschauend Themen – und bearbeiten sie gründlich. So werden wir auch das Jahr 2016 angehen. Das ist eine Frage der Haltung, aber auch des Könnens: Mit den Jahren der Unterfinanzierung haben wir in Gelsenkirchen ein hohes Maß an Effizienz und Treffsicherheit für unsere städtischen Ausgaben erreicht. Wir haben Konzepte entwickelt – die Sozialraumanalyse, die Evaluierung der Maßnahmen, die gesamte wirkungsorientierte Steuerung – die uns Hinweise geben, wo wir handeln müssen und was wir mit unserem Geld tatsächlich bewegen, was eine einzelne Maßnahme tatsächlich bewirkt. Die Bedarfe in Schalke-Nord oder der Neustadt sind andere als in Buer: Das wussten wir schon vorher, aber jetzt können wir auch die Unterschiede beziffern und bei Haushaltsansätzen präzise berücksichtigen. Wir sehen zudem, dass unsere großen Handlungsfelder zusammenwirken: Die Investitionen in Bildung – Wirtschaft – Stadterneuerung, sie verstärken einander!
Diese Form der Steuerung verlangt aber auch, dass wir bereit sind, bestehende Strukturen immer wieder zu überdenken. So überprüfen wir in den nächsten Monaten, ob der Konzern Stadt in seiner aktuellen Form ideal aufgestellt ist, oder ob wir durch Umstrukturierung noch eine Verbesserung erzielen können. Das Gleiche wollen wir unter dem Stichwort „Bäderkonzept“ für das Angebot an städtischen Schwimm- und Freibädern herausfinden.
Menschen und Nachbarschaften stärken
Zugleich wollen und werden wir bei aller Methodik auch 2016 nicht aus den Augen verlieren, wer das Ziel all dieser Anstrengungen ist, wer im Zentrum des nächsten Haushalt steht. Das ist ganz einfach und doch essentiell: Es sind die Bürgerinnen und Bürger. Es sind alle Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener. Es sind diejenigen, die schon länger da sind, wie auch jene, die gerade erst gekommen sind.
Unsere Arbeit soll Menschen stärken. Sie soll dazu beitragen, dass Menschen ihr Leben selbstbestimmt führen können, bei einer gerechten Verteilung der Lebenschancen, im Einklang und solidarisch mit anderen.
Dafür tätigen wir all die Investitionen, von denen ich gesprochen habe – die baulichen Investitionen, die Erneuerung der Infrastruktur. Und dafür stellen wir auch 2016 zahlreiche soziale Dienstleistungen und konkrete Hilfen bereit. Einzelne Maßnahmen, die in der Summe sehr wichtig sind, auch wenn sie im Haushalt keine so markanten Einzelposten darstellen wie bauliche Investitionen. Und selbstverständlich setzen wir bei vielen diesen Maßnahmen auf die Expertise und die Fähigkeiten der Freien Träger. Wobei wir für die Freien Träger im Kinder- und Jugendbereich, die sich als verlässliche Partner erwiesen haben, perspektivisch noch eine Erhöhung der Entgelte für Fachleistungsstunden vorschlagen werden.
Und so werden wir auch 2016 Angebote dafür bereithalten, dass älter werdende Frauen und Männer möglichst lange selbständig in den eigenen vier Wänden wohnen können. Wir werden Sorge dafür tragen, dass Krankheiten und Behinderungen in unserer Stadt niemanden stärker einschränken als unbedingt nötig. Dass neu Ankommende rasch für sich selbst sorgen und mit zu unserer Stadtgesellschaft beitragen können. Dass ein ansprechendes kulturelles Angebot zur Verfügung steht. Dass all diejenigen, die Hilfe benötigen, auch welche erhalten. Und dass die Menschen in ihren Stadtteilen und Nachbarschaften gut zusammenleben können – und nicht nebeneinanderher.
Zu diesem Zweck schaffen wir Orte des Miteinanders: Das Stadtteilzentrum Hassel – das neue Bonni – wird an diesem Wochenende eröffnet und einen wichtigen Treffpunkt im Stadtnorden bilden. Der Zeitplan für Heilig Kreuz ist inzwischen mit dem Land fest vereinbart, bis 2020 werden wir ein Begegnungszentrum an der Bochumer Straße haben.
Und wir fördern Menschen, die Menschen zusammenbringen. Da denke ich besonders an die Runden Tische und Stadtteilinitiativen, die in den Stadtteilen und Nachbarschaften viel bewegen und Zusammenhalt organisieren. Diese Bewegungen zu unterstützen, ist mir ein persönliches Anliegen, und darum sollen die Runden Tischen in den verschieden Nachbarschaften 2016 ein eigenes Budget – den so genannten Quartiersfonds – für ihre Arbeit erhalten. Mit diesem Ansatz unterstützen wir bewusst kreatives Engagement und echte, verantwortungsvolle Bürgerbeteiligung, was für mich – und ich glaube, für viele Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener ebenfalls – dann doch etwas anderes ist, als Teilhabe per Fragebogen abzurufen.
Die Erneuerungskraft unserer Stadt
Mit anderen Worten: Diejenigen, die unsere Stadt bewegen, die sollen Rückenwind bekommen – schließlich brauchen wir dieses Engagement. Schließlich brauchen wir Menschen, die Anteil am Leben anderer und ihrer gemeinsamen Stadt nehmen, die anpacken und mitgestalten. Die Straßenzüge zu Nachbarschaften und eine Stadt zur Heimat machen.
Wir alle kennen für dieses Engagement zahlreiche Beispiele, aus den unterschiedlichsten Bereichen. Mir steht da jetzt gerade sehr frisch vor Augen, wie sich die Menschen in Scholven rund um die Hauptschule an der Mehringstraße gegenüber den Flüchtlingen verhalten haben. Mit der Haltung: Wir wissen nicht genau, woher Ihr kommt; wir wissen auch nicht, ob Ihr hierbleiben werdet. Aber solange Ihr bei uns seid, gehört Ihr dazu und darum helfen wir Euch!
Einer vergleichbaren Grundhaltung begegne ich immer wieder in Gelsenkirchen. Und dieses Sich-Kümmern, dieses Die-Hand-Ausstrecken, das kennen wir aus vielen Erneuerungsprozessen. Das ist ein großes Kapital, darin steckt eine enorme Kraft – und sie wird Gelsenkirchen auch in den nächsten Jahren wieder sehr stark bewegen. Ohne diese Haltung würde unser gesamtes Erneuerungsprogramm nicht fruchten.
Unsere Aufgabe als Vertreterinnen und Vertreter der Menschen in Gelsenkirchen ist es, diese Erneuerungskraft zu erhalten, sie zu pflegen und zu fördern. Unsere Aufgabe ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die Menschen bei uns eine gute Zukunft erarbeiten können – ohne Angst, weil sie wissen, dass sie an diesem Ort Beistand finden, wenn sie ihn einmal brauchen – und sich darum auch wiederum selbst einbringen.
Ich möchte Sie mit dem Blick auf das Jahr 2016 einladen, weiter an diesem Ziel zu arbeiten, das wir schon seit Jahren vor Augen haben – und von dem wir auch in schwierigen Zeiten nicht abrücken wollen. Ich lade Sie ein, weiter unsere gemeinsame Verantwortung gegenüber den Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern wahrzunehmen, denn wir haben auf unserem Weg, auf unserem großen Erneuerungsprogramm für Gelsenkirchen bereits viele Stationen erfolgreich absolviert. Wir haben sehr wichtige Aufgaben erfüllt, auf denen wir aufbauen können. Und das wollen wir nun mit einem neuen, einem abermals großen Schritt hin zu einer guten Zukunft unserer Stadt tun!
Glück auf!