04. Mai 2016, 12:47 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
- Kolumne von Oberbürgermeister Frank Baranowski -
Liebe Gelsenkirchenerinnen, liebe Gelsenkirchener!
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Arbeit prägt unseren Alltag. Sie tut es im Positiven wie im Negativen, selbst und gerade dann, wenn es an ihr fehlt, wenn jemand keinen Arbeitsplatz hat. Und ob die eigene Stelle nun sicher ist, das Arbeitsklima angenehm und die Bedingungen gut sind – das macht enorm viel aus. Darum gehört das Thema in die Öffentlichkeit. Nicht nur zum 1. Mai.
Leider büßt der Tag der Arbeit in diesem Jahr ein bisschen an Sichtbarkeit ein, weil an diesem Maifeiertag ohnehin nur wenige Beschäftigte arbeiten mussten. Aber ich finde: Auch rund um einen Sonntag lohnt es sich, sich mit diesem Thema zu beschäftigen – mit ein paar Gedanken zu Gegenwart und Zukunft der Arbeit!
Zunächst einmal, und da sind wir uns vermutlich alle einig: Arbeiten zu können, ist unheimlich wichtig. Wer einen Beruf hat, der kann für sich und seine Familie sorgen, der leistet einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand. Und bei uns im Ruhrgebiet ist die Bedeutung von ehrlicher Arbeit bekanntlich besonders tief im Bewusstsein und kulturellen Erbe verankert.
Aus diesem Grund kann und will ich mich nicht mit der bei uns nach wie vor zu hohen Arbeitslosigkeit anfreunden. Ich kann nicht akzeptieren, dass Langzeitarbeitslose bei uns keine Chance bekommen, bloß weil die Bundespolitik für spezielle Förderprogramme keinen besonderen Bedarf sieht! Wer sich ein bisschen mit der Realität befasst, muss anerkennen: Die Situation ist bei uns im Ruhrgebiet eine andere als in Freiburg oder Ingolstadt. Ja, es gibt hier natürlich genauso wie andernorts auch Wachstumsbranchen – aber es gibt bei uns eben auch einen deutlich höheren Anteil an Langzeitarbeitslosigkeit. Dahinter stehen Menschen, Schicksale und Lebenswege, die wir nicht vergessen dürfen. Darum werde ich mich im Land und beim Bund weiter und weiter für zusätzliche und bessere Angebote einsetzen!
Arbeit ist jedoch nicht gleich Arbeit: Es kann nicht nur darum gehen, Arbeit zu schaffen, sondern es muss Arbeit zu vernünftigen Bedingungen sein. Arbeit, die echte Teilhabechancen bietet. Hinter Praktiken wie dauerhafte Leiharbeit, immer neue Werkverträge oder Entgelte hart an der Kante zum Mindestlohn stehen oft nur sehr kurz gedachte Strategien. Und besonders ärgerlich ist es natürlich, wenn ein rentabler und zukunftsfähiger Unternehmensstandort wie der von Vaillant mal einfach so zur Disposition gestellt wird, in der vagen Hoffnung auf Lohneinsparungen andernorts. Da ist es richtig und wichtig, dass wir den Gelsenkirchener Vaillant-Beschäftigten unsere Unterstützung zeigen – und dem Management deutlich machen, dass ein solches Vorgehen einfach unanständig ist!
Arbeit schafft Teilhabe, gemeinsame Arbeit schafft ein gesellschaftliches Miteinander – so wurden in den vergangenen Jahrzehnten Zuwanderer in unsere Gesellschaft integriert. Gastarbeiter aus der Türkei, Jugoslawien oder Spanien wurden zu Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener. Viel spricht dafür, dass uns das ähnlich gelingen wird mit vielen der Menschen, die in den vergangenen Monaten zu uns geflohen sind. Da sind ja keine Konkurrenten gekommen, sondern Menschen, die anpacken wollen, die sich etwas aufbauen wollen, die auch als Konsumenten einen Impuls für unsere Wirtschaft setzen. Die Ankunft dieser Menschen ist ein Anlass, endlich längst überfällige Investitionen zu tätigen. Wenn wir diese Investitionen jetzt vornehmen, in Bildung, Integration und Infrastruktur, dann können wir in wenigen Jahren deutlich besser dastehen als heute.
Das erfordert, natürlich, Mut – und auch viel Arbeit. Aber die haben wir im Ruhrgebiet noch nie gescheut.
Ihr
Frank Baranowski