„Dann heißt es: Machen“
Professor Swen Geiss über die Runderneuerung des Volkshauses Rotthausen
17. Dezember 2015, 08:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
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Professor Swen Geiss von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft. Foto: Ralf Nattermann.
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Professor Geiss vor dem Volkshaus Rotthausen. Foto: Ralf Nattermann.
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Die Nutzung des Saals ist für Professor Geiss und sein Team die größte Herausforderung. Foto: Ralf Nattermann.
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Das vom Architekten Alfred Fischer entworfene Volkshaus wurde 1920 erbaut. Foto: Carolne Seidel.
Das Volkhaus Rotthausen soll für die Zukunft fit gemacht werden. Doch dafür muss es nicht nur baulich runderneuert werden. Mit Hilfe von Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen und vielen anderen arbeitet das Team um Professor Swen Geiss an einem Nutzungskonzept. In einem Testbetrieb soll es seine Praxistauglichkeit beweisen. Professor Geiss von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft skizziert im Interview den Weg zur Erneuerung des Volkshauses.
Herr Prof. Geiss, was steht im Testbetrieb auf dem Prüfstand?
Das, was hier künftig passieren soll. Der eigentliche Test läuft aber erst im Mai 2016. Jetzt erarbeiten wir ein Konzept. Das entsteht nicht am Reißbrett, sondern im Dialog mit allen Beteiligten. Hier im Haus sind einige Vereine beheimatet. Zum Beispiel sogar ein Tischtennisclub. Das mag erstaunen, aber die alten Bauzeichnungen aus dem Jahr 1919 sehen eine Turnhalle für Theater, Kino und Vortrag vor. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich nicht nur baulich viel verändert. Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich das Haus zu einer Art ‘Vereinsheim‘ entwickelt. Daher waren die ersten Ansprechpartner die Vereine. Darüber hinaus haben wir die im Stadtteil aktive Bürgerschaft und Institutionen kontaktiert. Aber das reicht nicht aus, weil dieses Haus eine Strahlkraft weit über den Stadtteil hinaus haben kann und muss. Dabei ist eine wesentliche Frage, wie dieser große Saal genutzt und belebt werden kann.
Vom Testbetrieb sind wir also noch ein gutes Stück entfernt. Noch sind wir dabei zu recherchieren, Kontakte zu knüpfen, zu vernetzen und gemeinsam Ideen zu entwickeln. Kurz: Strukturen und ein Akteursnetzwerk aufzubauen. Das geht über die Stadt hinaus und bezieht zum Beispiel Kulturschaffende aus den Nachbarstädten Essen und Bochum mit ein.
Wie geht es dann weiter?
Ab Januar beginnt die Planungsphase des Testbetriebs. Bis etwa Ende März sollen aus den in Workshops entwickelten Ideen konkrete Planungen werden. Dann heißt es: Machen.
Können Sie schon verraten, was möglicherweise im Mai getestet wird?
Es soll ein Haus der Vereine bleiben, noch stärker im Stadtteil verhaftet und ein lebendig genutzter Saalbau sein. Letzteres kann zum Teil auch von den Vereinen hier im Haus angeschoben werden. Zum Beispiel wenn der Bläserverein Einigkeit andere Musizierende zu einem gemeinsamen Auftritt einlädt. Eine andere Idee ist, einen Tag der Vereine oder einen Handwerker- und Dienstleistungsmarkt zu veranstalten oder mit anderen Einrichtungen wie etwa dem Musiktheater im Revier zu kooperieren. Was davon im Mai getestet wird, das wird sich in den nächsten Wochen zeigen.
Und nach dem Testbetrieb?
Werden sicher alle ziemlich erschöpft sein. Nach einer kleinen Pause, gilt es den Test auszuwerten. Dann wird man sehen, was gut gelaufen ist, woran man anknüpfen kann und was womöglich eine Sackgasse ist.
Soweit ist es ja noch nicht, aber der Prozess läuft bereits. Können Interessierte noch einsteigen?
Ja, natürlich, es ist keine geschlossene Veranstaltung. Wir dokumentieren, was wir machen und kommen immer wieder regelmäßig zusammen. Wir leben ja vom Mitmachen und den guten Ideen für die Zukunft des Volkshauses.
Kommen wir noch einmal auf das Nutzungskonzept zurück. Ist es die Saalnutzung das größte Problem?
Der Saal hat Potential, aber von den hier im Volkshaus ansässigen Vereinen trauen sich nur wenige zu diesen zu ihn dauerhaft mit Leben zu füllen und zu bespielen. Ideen gibt es, wie gesagt, viele, zum Beispiel könnte er zur Spielstätte für das Kommunale Kino werden. Hier könnten auch Lesungen stattfinden von Autoren, die aus dem Stadtteil kommen oder diesem verbunden sind. Eine andere Option ist sicher auch, den Saal zu teilen, so dass auch kleinere Veranstaltungsformate denkbar sind.
Festsaal, Theatersaal, Ort für Konzerte und vieles mehr ist denkbar - von all diesen Überlegungen wollen wir die eine oder andere im Testbetrieb prüfen, um ein Saalprofil zu finden. Man kann auch zu dem Ergebnis kommen, den Saal zu verkleinern, so wie man das in der Vergangenheit auch schon getan hat. Um den Saal variabel nutzen und unterschiedlich bespielen zu können, müsste hier gegebenenfalls umgebaut werden. Denn vieles ist auch gar nicht mehr zeitgemäß, wie zum Beispiel die Bühnentechnik oder die vergleichsweise hohe Bühne. Das entspricht nicht mehr den Vorstellungen der Theatermachenden von heute.
Der im Januar startenden Planungsphase des Testbetriebs ging eine Recherchephase mit Studierenden voraus. Mit welchem Ergebnis?
Eine Studierendengruppe hat sich das Gebäude genau angesehen und sich mit Fragen rund um die Architektur des Hauses auseinandergesetzt. Dabei ging es um Fragen wie: Was ist eigentlich ein Kulturbau? Was ist die spezifische Typologie dieses Kulturbaus? Hier haben wir zum Beispiel die spezielle Situation des seitlichen Saalzugangs. Viele Säle haben einen hinteren Zugang. Man läuft in der Regel auf die Bühne zu. Ein weiteres Spezifikum ist die städtebauliche Achse, die aus der Siedlung kommend über die Treppe ins Foyer durch den Saal bis in den Garten führt. Solche Dinge wahrzunehmen, zu verstehen und zu überlegen, was das für mögliche Nutzungskonzepte bedeutet, machte einen Teil des Seminars aus.
Die Alanus Hochschule ist eine für Kunst und Gesellschaft mit einem Fachbereich Architektur. Kunst, Gesellschaft, Architektur - wie geht das zusammen?
Die Alanus Hochschule ist eine Stiftungshochschule, die Kunst in die Gesellschaft hineintragen möchte. Im Fachbereich Architektur, genauer, im Master-Studiengang Prozessarchitektur, geht es um die gesellschaftlich relevanten Fragen von Architektur. Dabei ist in den letzten Jahren das Thema gemeinschaftsorientierte Projektentwicklung immer wichtiger geworden. Es geht darum, das Zusammenspiel unterschiedlicher Ressourcen, die damit gesetzten Rahmenbedingungen und die Entwicklungspotentiale zu untersuchen. Im Volkshaus Rotthausen ist zum Beispiel der Saal eine Ressource. Eine weitere sind die Menschen und ihre Ideen, die eingebracht werden können. Eine weitere, nur sehr begrenzt vorhandene Ressource, ist das zur Verfügung stehende Geld. Auch die Zeit ist eine begrenzte Ressource. Bei der Prozessarchitektur geht es weniger darum die konkrete Architektur zu planen, sondern vielmehr darum, die Prozesse zu analysieren und zu gestalten bevor es zu einem Projekt kommen kann. Daher ist die Entwicklung eines Nutzungskonzeptes für das Volkshaus Rotthausen für uns natürlich ein sehr spannendes Projekt, mit dem das Referat Hochbau und Liegenschaften der Stadt Gelsenkirchen an uns herangetreten ist.
Die Alanus Hochschule ist im Bonner Raum angesiedelt. Wie ist der Blick von außen auf das Ruhrgebiet und speziell auf das Volkshaus?
Mit der strengen Architektur des Volkshauses muss man sich erst einmal anfreunden. Sie erschließt sich nicht sofort. Aber je länger man sich mit ihr beschäftigt, desto mehr überzeugt sie durch ihre ursprüngliche Klarheit. Es ist eine sehr präzise, durchdachte und klar strukturierte Architektur. Manche Studierende waren sogar sofort von diesem Haus begeistert, und für alle gilt: Sie waren neugierig.
Was das Ruhrgebiet betrifft, da bin ich befangen. Ich bin zwar im Bergischen Land geboren und lebe in Wuppertal, aber ich finde die Stadtlandschaft des Ruhrgebiets sehr spannend.Die Begegnung mit den Menschen in Gelsenkirchen besticht durch ihre Direktheit, damit kann man sehr gut umgehen, weil man weiß woran man ist.
Bleibt abschließend eine Frage: Sie sind durchaus optimistisch, dass das Volkshaus Rotthausen eine Zukunft hat?
Die Zukunft dieses Hauses wird gemeinsam entwickelt. Wir begleiten und moderieren diesen Prozess, aber wir sagen nicht, welche Zukunft es haben soll. Wo könnte sie liegen? Diese Frage zu beantworten, dazu leisten wir unseren Beitrag. Wir verstehen Planung und Architekturentwicklung nicht so, dass wir sagen: Das ist die Lösung, sondern wir haben ein kooperatives Verständnis von Planung. Architektur ist für die Menschen da, dient den Menschen und muss durch sie belebt werden. Das beschäftigt uns derzeit weit mehr als bauliche Fragen. Welche Antworten man auf diese erarbeitet, das hat eben auch sehr viel damit zu tun, wie man dieses Haus nutzen möchte und nutzen kann. Nutzung und Architektur müssen in einen Dialog kommen.