Ausstellung, 31. Juli 2016, 15:00 Uhr - 16:00 Uhr, Nordstern Videokunstzentrum - im Nordsternturm
Geschichtliche Themen stehen im Fokus der aktuellen Ausstellung A Sense of History, die das Nordstern Videokunstzentrum in Gelsenkirchen in Kooperation mit dem Neuen Berliner Kunstverein n.b.k. zeigt. Zu sehen sind Positionen international renommierter VideokünstlerInnen, die historische Ereignisse und gesellschaftliche Phänomene mit den Mitteln des Mediums Bewegtbild reflektieren und unter Einbeziehung eigener subjektiver Erfahrungen alternative Narrative zur gängigen Geschichtsschreibung entstehen lassen.
Die Arbeiten lassen dabei mehr oder weniger deutlich erkennen, dass es den KünstlerInnen in der Beschäftigung mit der Vergangenheit immer auch um die Gegenwart geht. Der ungewöhnliche Ausstellungsort, der denkmalgeschützte Nordsternturm, der als Ankerpunkt der Industriekultur und Landmarke des Wandels die industrielle Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet, korrespondiert damit im besten Sinne.
A Sense of History umspannt ausgehend von der ältesten Arbeit History of Nothing von Eduardo Paolozzi aus dem Jahre 1960/62 bis zum neuesten Werk des kurdisch-türkischen Künstlers Halil Altındere Escape from Hell von 2016 fünf Jahrzehnte kritischer Geschichtsrezeption in der Videokunst. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet indes die neuere Videokunst – fast die Hälfte der rund dreißig Arbeiten sind nach 2000 entstanden.
Die Themenführung im August stellt einige dieser jüngeren Künstlervideos vor und möchte an ihnen die Tendenzen zeitgenössischer Videokunst aufzeigen. Politische Themen wie der Nahostkonflikt, die weltweit wachsende Terrorgefahr und die Auseinandersetzung mit Religion und Tradition nehmen großen Raum ein. Hochaktuell ist in diesem Kontext das Werk Halil Altınderes, das hier erstmals in Uraufführung zu sehen ist.
Repräsentationskritik als kritische Hinterfragung politischer und ästhetischer Repräsentationen, einst großes Thema in der feministischen Videokunst, spielt heute im Kontext von Transgender- Positionen und vor allem in postkolonialen Perspektiven eine Rolle. Die Dominanz des Westens und die Benachteiligung der ehemals Kolonisierten wirken auch nach dem Ende der Kolonialzeit noch in die Gegenwart hinein. Noch bis in die 1990er Jahre waren nicht-westliche Künstler vom internationalen Kunstmarkt so gut wie ausgeschlossen.
In der massenmedialen Bildproduktion lebt die Vorstellung vom „Fremden“ weiter fort, werden Randgruppen als „das Andere“ weiter marginalisiert. Durch die künstlerische Auseinandersetzung, sehr häufig mit dokumentarischem Material, das beispielsweise in Collagen neu angeordnet und mit verschiedenen Bildtechniken verfremdet wird, werden lineare Erzählformen gebrochen und der Wahrheitsanspruch einer westlich dominierten Geschichtsschreibung hinterfragt.
Diese Hinterfragung beinhaltet das Überdenken der Geschichte der Kolonisation und der Bildproduktion in diesem Kontext, z. B. der Hervorbringung visueller Stereotypen. Sie untersucht aktuelle Auswirkungen und Effekte dieser Geschichte innerhalb der visuellen Kultur. Dabei trägt die Vergangenheit dazu bei, die Konfigurationen und Machtstrukturen der Gegenwart zu verstehen.
In Filipa Césars The Embassy von 2010 beispielsweise führt ein Archivar anhand von Bildzeugnissen der kolonialen Vergangenheit durch die Politikgeschichte des westafrikanischen Guinea-Bissau, dessen Unabhängigkeit eng mit dem bewaffneten Befreiungskampf verknüpft ist. Die Protagonistin in Maria Thereza Alves´ Male Display Among European Population von 2008 hingegen imitiert die Vorgehensweise (männlicher) Europäer bei der Erforschung indigener Kulturen und spiegelt so kritisch und ironisch den westlichen Ethnozentrismus wider.
Teilnahmegebühr 6,- EURO pro Person