22. März 2018, 08:00 Uhr | Stadt Gelsenkirchen
Klaus Herzmanatus: "Nach dem Ende des Steinkohlebergbaus in diesem Jahr werden sogar noch mehr Menschen wissen wollen, woher sie kommen und was unsere Region geprägt hat". Bildrechte: Caroline Seidel
Klaus Herzmanatus war Betriebsratsvorsitzender der Zeche Ewald/Hugo als diese im Jahr 2000 die Förderung einstellte. Er war Bergmann in der vierten Genration. Dem Bergbau und seiner Geschichte ist er immer noch verbunden und unter anderem Vorsitzender des Fördervereins Schacht 2.
Mit Sicherheit nicht. Ich versuche, es mal so zu erklären: Kurz nach dem Mauerfall war ich in der Region Chemnitz unterwegs und habe Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre geschult. Viel wusste ich nicht über die Region und als ich den Seminarraum betreten habe, da saßen da schon 50 Leute und ich habe sie mit „Guten Morgen" begrüßt, und alle anderen sagten „Glück auf". Da habe ich die nur angeguckt und gedacht, wie geil ist das denn. Mit welchem Stolz und mit welcher Inbrunst das „Glück auf" gesagt wurde, das hat mich schon sehr beeindruckt.
Ende der 1980er Jahre, da wollten hier im Ruhrgebiet alle weg von Kohle und Stahl. Wenn du hier „Glück auf" gesagt hast, haben dich alle angeguckt, als hättest du grüne Ohren und eine Antenne auf dem Kopf. Ich habe immer mit „Glück auf" gegrüßt und schreibe es auch unter meine Mails oder Briefe. Ich bin mir sicher, dass der Gruß so schnell nicht schwinden wird, weil wir ein anderes Bewusstsein bekommen haben in den letzten Jahren. Nach dem Ende des Steinkohlebergbaus in diesem Jahr werden sogar noch mehr Menschen wissen wollen, woher sie kommen und was unsere Region geprägt hat. Deshalb wird auch der Gruß nicht aussterben.
Gerade jüngere Menschen wollen wissen, worin Tradition gründet. Bei mir waren zum Beispiel die Ultras von Schalke 04, haben sich alles angesehen und auch das Kleine Museum besucht. Es reicht den jungen Fans nicht als Ritual nach einem Tor mit „Auf" zu antworten, wenn der Stadionsprecher „Glück" ruft. Da steckt eben mehr hinter als iregendein leeres Ritual, und das wollen sie wissen, sich dessen bewusst sein.
Ein weiteres Beispiel ist der Film „Der lange Abschied von der Kohle“. Da war der Opa mit den Enkeln gemeinsam im Kino. Es gibt nach wie vor viele familiäre Bindungen an den Bergbau, und dann wollen die Enkelkinder eben auch wissen, was der Opa oder gar der Ur-Opa mit dem Bergbau zu tun hatte.
Nein, wir haben da über viele Jahre eher etwas verschlafen. Wenn ich zum Beispiel an das Jahr 2006 zurück denke, an das Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, wie viele Menschen haben uns da gesagt: Mensch, ihr könnt doch die Fördertürme nicht abreißen. Das ist doch eure Geschichte, und die ist ganz wichtig. Es ist egal, wo man hinfährt, wenn es dort ein Besucherbergwerk gibt, dann gibt es dort einen Riesenzuspruch.
Wir merken doch inzwischen, wie der Ruhrgebietstourismus wächst. Die Menschen, die kommen, die wollen die Geschichte unserer Region sehen und erleben. Ich bin mir sogar sicher, dass es nach dem Ende des Bergbaus noch mehr Menschen werden und der Ruhrgebietstourismus weiter wächst. In Hamburg kommt doch keiner auf die Idee, die Speicherstadt abzureißen oder in München das Hofbräuhaus. Wir aber waren dabei unsere Geschichte zunichte zu machen, dabei frisst so ein Förderturm doch kein Brot
Es verbindet zwei wichtige Dinge. Der Blick in die Zukunft ist natürlich wichtig, aber es geht eben auch um den Blick zurück, den Blick auf Tradition und Heimat. Das ist wichtig für die Menschen. Die Kombination aus „Glück auf" und Zukunft ist eine gelungene Verbindung. es. Ich finde es sehr gut, dass so versucht wird, die Menschen mitzunehmen. Dass es funktioniert, das erleben wir ja gerade mit dem Panini-Album „Schwarzes Gold“ zum Ende des Bergbaus. Egal wo man ist, es sind alle ausverkauft und jeder sammelt. Ich erlebe auch, wie viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen mit mir Kontakt aufnehmen. Wenn ich 1.000 Kohlenloren hätte, dann könnte ich die alle verkaufen. Heute will jeder so ein Ding im Vorgarten haben und früher hätten alle abgewinkt.